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Zweiteiliges Zirkonoxidimplantat-Konzept ist praxistauglich

Keramikimplantate: European Society of Ceramic Implantology liefert mit neuer Stellungnahme evidenzbasierte Argumentationshilfe

Im Juni 2021 veröffentlichte die Europäische Gesellschaft für Keramikimplantologie (ESCI, European Society of Ceramic Implantology) die Stellungnahme „Die klinische Anwendung von zweiteiligen Zirkonoxid-Implantaten“, mit der nun eine wissenschaftlich untermauerte, offizielle Empfehlung einer Fachgesellschaft zugunsten der Verwendung zweiteiliger Keramikimplantate vorliegt (die ESCI-Stellungnahme „ESCI-Consensus-deutsch-2-piece-zirconia-im plants.pdf“ kann unter esci-online.com heruntergeladen werden.)

Privatdozent Dr. Stefan Röhling, Vizepräsident der Fachgesellschaft, erfahrener Implantologe und Pionier auf dem Gebiet moderner Keramikimplantate, führt im Gespräch mit Zahnärztin und Fachjournalistin Dr. Aneta Pecanov-Schröder aus, welche Bedeutung die aktuelle Stellungnahme für Kliniker hat, welche Zukunft die Keramikimplantologie aus Sicht renommierter Fachleute hat und welche Projekte bei der ESCI für 2022 anstehen.

Die 2018 in der Schweiz gegründete Fachgesellschaft bildet ein europaweites Netzwerk aus wissenschaftlich anerkannten Fachleuten aus Praxis, Hochschule und qualitätsorientierten Anbietern im Bereich der dentalen Implantologie und Keramikimplantologie. Im Oktober 2018 ist es erstmals gelungen, ein gemeinsames offizielles Statement von Wissenschaft und Industrie zum aktuellen Stand der dentalen Implantologie mit Keramikimplantaten zu verabschieden.

Herr Doktor Röhling, gab es einen konkreten Anlass für die knapp drei Jahre später folgende Stellungnahme zu zweiteiligen Keramikimplantaten?

PD Dr. Stefan Röhling: Grundsätzlich gehört es zu den erklärten Aufgaben der ESCI, Themen anzustoßen und Konzepte zu entwickeln, mit denen sie ihre Mitglieder im Umgang mit Keramikimplantaten in der täglichen Praxis unterstützen kann. Das von Ihnen angesprochene erste offizielle Statement von Wissenschaft und Industrie gilt als besonderer Erfolg des 1. ESCI Councils, bei dem erstmals Spezialisten mit höchster Expertise in der Keramikimplantologie mit Repräsentanten der führenden Hersteller am „runden Tisch“ zusammenkamen.

Mit Blick auf zweiteilige Behandlungskonzepte mit Keramikimplantaten haben unsere Mitglieder die ESCI ganz konkret auch um Argumentationshilfe gebeten, die sie auch bei der privaten Krankenversicherung einsetzen können, wenn es um die Erstattungspflicht geht. Wissenschaftliche Daten liegen bereits vor, verbleibende offene Fragestellungen müssen evidenzbasiert diskutiert und beantwortet werden. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass der Behandlung mit einteiligen Keramikimplantaten zugestimmt wurde und die Kosten übernommen worden sind, es aber bei zweiteiligen Keramikimplantaten immer wieder zu ablehnenden Bescheiden gekommen ist mit der Begründung, es seien zu wenig Daten vorhanden.

Wie sieht die aktuelle Datenlage bei zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten aus? Inwiefern lässt sich das Argument von­seiten der Versicherungen, es seien zu wenig Daten vorhanden, entkräften?

Röhling: Auch wenn die deutliche Mehrheit der bisher veröffentlichten Daten Bezug auf einteilige Implantatsysteme aus der Hochleistungskeramik Zirkonoxid nimmt und bislang wissenschaftliche Daten zu Zirkonoxidimplantaten mit zweiteiligem Implantatdesign noch limitiert sind, so lässt sich festhalten: Eine von unserer Studiengruppe durchgeführte Meta-Analyse, in die klinische Studien integriert wurde, hat gezeigt, dass das Implantatdesign einteilig gegenüber zweiteilig keinen Einfluss auf die Überlebensraten hat. Auch wenn sich Meta-Analysen zur Schätzung der Gesamtüber­lebensraten derzeit auf Ein- und Zwei-Jahres-Daten beschränken, berichteten ein­zelne Studien über längere klinische Nachbeobachtungszeiträume.

Für kommerziell erhältliche Zirkonoxidimplantate liegen inzwischen klinische Daten für Nachunter­suchungszeiträume von bis zu fünf Jahren funktioneller Belastung mit Überlebensraten von 95 Prozent vor. Es gibt genug Daten und aus unserer Sicht genug klinische Erfahrung, dass zweiteilige Konzepte mit Zirkonoxidimplantaten empfohlen werden können. Die Oberflächen sind sehr gut untersucht und sind bei einteiligen und zweiteiligen Implantaten gleich. Das heißt, einteilige und zweiteilige Zirkonoxidimplantate weisen den gleichen Grad an Osseointegration und biologischer Integrität auf.

Auch zweiteilige Keramikimplantat-Verbindungen von führenden Herstellern sind mittlerweile wissenschaftlich untersucht und für die klinische Anwendung als geeignet eingestuft, sodass sich schlussfolgern lässt, dass zweiteilige Behandlungskonzepte ebenso praxistauglich sind und der Expertenkonsens lautet, dass das zweiteili­ge Zirkonoxidimplantatkonzept nach korrekter Indikationsstellung und entsprechender Patientenaufklärung für die klinische Anwendung geeignet ist. Problematisch in diesem Zusammenhang ist allerdings, dass es von Seiten der Industrie unterschiedliche Produktionsstandards und Qualitätskontrollen gibt, was wiederum direkten Einfluss auf die Verlässlichkeit der Keramik­implantate und der prothetischen Verbindung hat.

Der ESCI-Stellungnahme sind die relevanten Literaturstellen angefügt …

Röhling: Richtig. So gibt die Stellungnah­me objektiv und unabhängig die Datenlage zu ein- und zweiteiligen Keramikimplantaten wieder. Wir wollen unsere Kolleginnen und Kollegen in die Lage versetzen, ihr Konzept argumentativ auf wissenschaftlich gesicherte Basis zu stellen und auch vor der Versicherung plausibel begründen zu können.

Grundsätzlich halte ich es für sehr wichtig, dass Anwender bei den auf dem Markt verfügbaren Produkten unbedingt hinterfragen, ob konkrete auf das Produkt bezoge­ne wissenschaftliche Daten verfügbar sind. Zum Beispiel können die Bruchfestigkeit und mechanische Stabilität von zweiteili­gen Zirkonoxidimplantaten in Abhängig­-keit von unterschiedlichen Herstellungs­verfahren, Materialeigenschaften, Im­plan­tat­­geometrien und prothetischen Verbindungskonzepten variieren. Die Entscheidung über die Therapie-Option und das Me­dizinprodukt, das verwendet werden soll, obliegt dem Behandler, nachdem er seinen Patienten über die Optionen aufgeklärt hat. Und es gibt Indikationen, in denen die Verwendung eines zweiteiligen Zirkonoxid­implantatkonzepts ein zuverlässigeres klinisches Ergebnis im Vergleich zu einem einteiligen Design bietet.

Wann sind zweiteilige Zirkonoxidimplantate angezeigt? Sehen Sie die Indikation besonders als verlässliche Behandlungsoption im ästhetischen Frontzahnbereich?

Röhling: Für mich sind zweiteilige Zirkonoxidimplantate generell eine verlässliche Behandlungsoption, als typische Indikation im Frontzahnbereich sehe ich sie nicht. Sie bieten Vorteile, zum Beispiel, wenn gleichzeitig eine Knochenaugmentation geplant ist und das Implantat nicht mit einer hohen Primärstabilität inseriert werden kann. Das kann im Frontzahnbereich sein, wenn eine laterale Knochenaugmentation erfolgen soll. Das gilt aber ebenso für den Seitenzahnbereich, wenn gleichzeitig ein Sinuslift durchgeführt wird, wo wir Höhe aufbauen und eine unerwartete Überbelastung verhindern wollen. Dann sind zwei­teilige Implantate einfacher in der Anwendung, weil das Abutment nicht in die Mundhöhle hineinragt und daher eine ungewollte frühzeitige Belastung verhindert werden kann. Außerdem stellen zweiteilige Implantate bei zahnlosen Patienten eine verlässliche Option dar.

Zweiteilige Implantatsysteme punkten dar­über hinaus mit einer höheren prothetischen Flexibilität, weil die Aufbauten in­dividueller gestaltet werden können. Das kann ein Vorteil sein, wenn etwa die prothetische Achse korrigiert werden muss. Hin­-zu kommt, dass bei Anwendung von zweiteiligen Systemen eine Zementierung, die für Fehlerquellen anfällig gesehen wird, entfällt, da sie eine reversibel verschraubte Befestigung erlauben, während bei einteiligen Implantaten die Suprakonstruktion nur zementiert gestaltet werden kann. So kann das Spektrum der Behandlungsoptionen durch zweiteilige Implatatdesigns ganz klar erweitert werden.

Für mich kommt außerdem ein wichtiger Aspekt hinzu, nämlich, dass für viele Anwender von Titanimplantaten zweiteilige Implantatdesigns in der klinischen Handhabung vertrauter sind und sie so an Sicherheit in der Anwendung der Keramikimplantate gewinnen.

Das heißt, mit der Stellungnahme sollen auch Neu-Anwender ermutigt werden, zweiteilige Keramikimplantate in das Praxisportfolio mit aufzunehmen?

Röhling: Es wäre schön, wenn es uns damit gelungen ist, Klinikern ihre mögliche Skepsis gegenüber zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten zu nehmen und sie in zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten ein praxistaugliches und zukunftsträchtiges Konzept er­kennen. Das soll nicht bedeuten, Produkte blind und unbedacht zu verwenden. Wie ich bereits erwähnt habe, obliegt die Verantwortung den Behandlern, und sie sollten natürlich wissen, womit sie arbeiten und ihre Patienten entsprechend aufklären.

Grundsätzlich müssen für den klinischen Erfolg die Richtlinien des jeweiligen Herstellers für die Anwendung des jeweiligen zweiteiligen Zirkonoxidimplantatsystems beachtet werden. Wir wollen Anwendern zusätzlich Sicherheit geben und ihnen mit der Stellungnahme eine klare Argumentationshilfe an die Hand geben, die sie verwenden können, auch, wenn es zum Beispiel um die Kostenerstattung der Versicherung geht.

Wie belastbar ist die aktuelle Stellungnahme im versicherungsrechtlichen Sinn?

Röhling: Rechtlich bindend sind ja weder Leitlinien einer Fachgesellschaft noch Stellungnahmen – im Unterschied zu so genannten Richtlinien, die auf einer gesetz­lichen Grundlage beruhen. Gleichwohl sind Stellungnahmen anerkannter wissenschaftlicher Gesellschaften ein Mosaikstein und ein sehr wichtiges Tool auf dem Weg zur vertragsrechtlichen Anerkennung eines medizinischen Konzepts. Mit der aktuellen Stellungnahme hat unsere international aufgestellte unabhängige Fachgesellschaft aktuelle evidenzbasierte Daten zusammengetragen und auf dieser Basis den Standpunkt der Experten zum Thema zweiteili­-ger Behandlungskonzepte mit Zirkonoxidimplantaten nachvollziehbar und plausibel ausgeführt.

Wir wollen diesen Kenntnisstand an Kliniker vermitteln und sie sowohl bei der Entscheidungsfindung für eine angemessene Therapieoption unterstützen als auch in der Argumentation vor den privaten Versicherungen. Aus unserer Sicht haben die Versicherungen zumindest in Deutschland in Zukunft keine Chance mehr, sich aus der Verantwortung zu ziehen, wenn es darum geht, die Kosten für zweiteilige Keramik-Implantate zu übernehmen!

Natürlich sind weiterhin viele klinische Studien erforderlich, die zweiteilige Behandlungskonzepte untersuchen und zeigen, dass sie klinisch verlässlich angewandt werden können. Unsere Aufgabe als Mediziner und mit der ESCI als evidenzbasierte Interessensvertretung ist es, auch weiterhin Behandlungsergebnisse in einen wissenschaftlich gesicherten Kenntnisstand zu überführen, damit auch eine vertragsrechtliche Anerkennung stattfinden kann.

Denn eines ist gewiss: Von Patientenseite wird die Nachfrage nach Keramikimplantaten weiterhin steigen. In einer in München und Basel durchgeführten demografischen Untersuchung konnten wir zeigen, dass sich knapp 40 Prozent der Befragten für ein Ke­ra­mikimplantat und nur knapp zehn Prozent für ein Titanimplantat entscheiden würden. Wir sehen der Zukunft von Keramik­im­plan­taten sehr, sehr positiv entgegen, weil es sehr durchdachte und sehr gute Produkte sind.

Die ESCI hat sich zum Ziel gesetzt, eine starke Lobby in der Keramikimplantologie zu bilden. Welche Projekte stehen als nächstes an, um das Ziel zu erreichen?

Röhling: Wir arbeiten gerade intensiv an Trai­ningszentren mit Kursmöglichkeiten und Hospitationsmöglichkeit für unsere Mit­glie­der. Ausgewählt und zertifiziert wurden die Trainingszentren durch den wissenschaft­li­chen Beirat der ESCI, und sie ermöglichen es Anwendern, sich mit dem Material Zirkon­oxid vertraut zu machen und den Umgang mit Keramikimplantaten auf wissenschaftlicher und klinischer Basis grundlegend und umfassend zu erlernen. Das von uns erarbei­tete einheitliche Fortbildungskonzept ist ein großer Benefit: Ziel ist es, bei individueller Um­setzung einen einheitlichen Wissensstand der Teilnehmer nach Absolvieren der Kurse in den verschiedenen Zentren zu gewährleisten. Die Präsenzveranstaltungen werden durch Internet-basierende Fortbildungen im Sinne von „Blended Learning“ ergänzt.

In diesem Jahr steht außerdem unser ESCI-Jahreskongress, den wir leider aufgrund der Pandemie verschieben mussten, im Fokus. Auch wenn die Zeiten noch unsicher sind, sind wir in der konkreten Planungsphase: Er wird wieder in der Schweiz stattfinden, und zwar vom 21. bis 22. Oktober 2022 in Horgen bei Zürich, Schweiz, möglichst in Präsenz. Die ersten Anfragen an unsere Referenten sind schon erfolgt.

Bereits beim ersten sehr erfolgreichen European Congress for Ceramic Implant Den­tis­try im Oktober 2019 waren mehr als 170 Teilnehmer aus 23 Ländern in die Schweiz gereist, um sich unter dem gleichlautenden Motto über die „Facts of Ceramic Implants“ zu informieren. Schon bei dieser ersten Durchführung war der ESCI-Jahreskongress eine der weltweit größten und relevantesten Veranstaltungen zum The­ma Keramikimplantologie. Darauf wollen wir aufbauen und hoffen als starke Gemeinschaft, weiterhin die Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern, denn viele Anwender wollen eine wissenschaftlich fundierte und klinisch anerkannte Orientierung im Bereich der Keramikimplantologie.

Zur Person

Privatdozent Dr. habil. Dr. med. dent. Stefan Röhling, der Pionier auf dem Gebiet moderner Keramikimplantate, ist Vizepräsident der 2018 in der Schweiz gegründeten „European Society of Ceramic Implantology“ (ESCI). Zusammen mit Prof. Dr. Gahlert ist PD Dr. Röhling in der Praxis „Oralchirurgie T1“ in München niedergelassen und arbeitet gemeinsam mit seinem Kollegen an der Entwicklung von Keramikimplantaten. Seit 2006 führt er Studien in diesem Bereich durch und veröffentlicht die Ergebnisse in internationalen Fachmedien.
Nach seinem Studienabschluss im Bereich Zahnmedizin in München im Jahr 2009 folgte eine mehrjährige Assistenzarzttätigkeit am Universitätsspital Basel und in den Jahren 2013/2014 ein Forschungsaufenthalt am Department of Periodontics, The University of Texas Health Science Center at San Antonio, Texas, USA. Anschließend praktizierte PD Dr. Röhling am Medizinischen Versorgungszentrum Lörrach und seit 2014 an der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Hightech-Forschungszentrum, Universitätsspital Basel, Kantonsspital Aarau. Der Facharzt für Oralchirurgie ist seit 2016 Oberarzt an der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Kantonsspital Aarau, Universitätsspital Basel. Im Jahr 2019 folgte die Habilitation an der Universität Basel. PD Dr. Stefan Röhling ist zusammen mit Co-Autoren Preisträger des André-Schröder-Preis 2020, einer der renommiertesten Forschungspreise im Bereich der zahnärztlichen Implantologie (Studie „Ligature-Induced Periimplant Bone Loss Around Loaded Zirconia and Titanium Implants“).