Jubiläumskongress mit einem Jahr Verspätung
„Es war alles bestens vorbereitet, aber ein kleines Virus kam uns in die Quere“, mit diesem Eingangsstatement eröffnete der Kongresspräsident und Fortbildungsreferent der Deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Implantologie (DGZI) den 50. Internationalen Jahreskongress der DGZI, der dieses Jahr in Köln stattfand. Und in der Tat fiel der letztjährige Jubiläumskongress, der in der Gründungsstadt Bremen geplant war, dem Coronavirus zum Opfer.
Aber bekanntlich kann man aus der Not ja auch eine Tugend machen, und so feierte die DGZI ihren 50. Geburtstag eben im 51. Jahr ihres Bestehens nach, und dies richtig!
Mit 50 Referenten und gut 250 Teilnehmern – mehr ließen die coronabedingten Konzepte nicht zu –, 75 Table Clinics und Übertragungen von zwei Live-OPs via Livestream, sowie eine viel beachtete Digitale Poster-Präsentation standen am ersten Kongresstag im Fokus. Der Samstag indes stand ganz im Rahmen der Wissenschaft: Namhafte Referenten – das „Who‘s who“ der deutschen Implantologie – präsentierten herausragende wissenschaftliche Vorträge, abgerundet mit Kursen für das Praxispersonal und einer großen begleitenden aktiven Dentalausstellung mit 25 ausgesuchten, quasi „handverlesenen“ Industriepartnern.
Keine Frage, sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf den Ablauf und die Kongressstruktur beschreitet die älteste europäische Fachgesellschaft auch im 51. Jahr ihres Bestehens bewusst Neuland! Ziel dieser Modifikation ist klar eine Zukunftsorientierung, verbunden mit einer organisatorischen Modernität, inhaltlicher Attraktivität sowie einer neuen Form der Präsentation von Sichtweisen.
Dass der Kongress dabei etwas kleiner als in den Vorjahren ausfiel, war zweifellos den Corona-Vorgaben geschuldet und wurde von den Kongressmachern bewusst in Kauf genommen: „Wir freuen uns sehr über die besseren Zahlen als in früheren Jahren, aber wir hätten auch andere Teilnehmerzahlen akzeptiert“, so DGZI-Vize Dr. Rolf Vollmer. „Uns geht es hier um Neuausrichtung und vor allem um Qualität!“ Die DGZI-Vize und Vertreterin der jüngeren Implantologen, Kollegin Dr. Arzu Tuna, ergänzt: „Die spontanen Reaktionen unserer Kolleginnen und Kollegen und deren Rückmeldungen zeigen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben!“
Zukunftspodium
Ein erster Höhepunkt gleich zu Kongressbeginn: Drei Vorträge mit – zumindest auf dem Papier – gänzlich unterschiedlichen Ausrichtungen, die aber in der Gesamtheit betrachtet, ein klares Bild von den Zukunftsoptionen unseres Fachbereichs, ja, der gesamten Zahnheilkunde zeichneten.
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Implantologie Dr. Georg Bach (Freiburg) sprach über „Triumphe und Tragödien in der Implantologie“. Ausgangspunkt seiner Ausführungen war die Gründung der DGZI vor 51 Jahren in Bremen. Die damals frischgebackene Fachgesellschaft sah als Aufgaben eine Wissensvermittlung auf dem Gebiet der Implantologie und eine Förderung dieser damals noch jungen Fachdisziplin vor.
Ebenfalls im Fokus der DGZI stand 1970 die Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften und der Schulterschluss mit der Zahntechnik. Anhand zweier Patientenfälle vermochte der Freiburger Oralchirurg darzustellen, dass es zweifellos gelingen kann, mit Implantaten nachhaltige Ergebnisse über Jahrzehnte hinweg zu erzielen, und dass in den vergangenen fünf Jahrzehnten unglaubliche Fortschritte erzielt werden konnten.
Die heutigen Ideale und Ziele der DGZI indes sind die gleichen, wie die des Jahres 1970, hier hat es keine Veränderung gegeben. Um für die nächsten fünf Jahren DGZI gewappnet zu sein, setzt die DGZI konsequent auf Fortbildung und Wissensvermittlung mit einem klarem Fokus auf die junge Kolleginnen- und Kollegengeneration und auf die Zahntechniker. Ebenso ist auch die kollegiale und konstruktive Zusammenarbeit mit anderen implantologischen Fachgesellschaften und Gremien ein weiteres Ziel der DGZI für die kommenden Jahre.
Mit Prof. Dr. Dr. Dr. Sharam Ghanaati sprach als nächster Referent ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der biologisierten Zahnmedizin – sein Vortrag über den Einsatz von Blutkonzentraten startete mit einem überraschenden Statement: „Vergessen Sie alle Einteilung von biologischen Materialien bezüglich Herkunft etc. – entscheidend ist immer nur die individuelle Immunantwort!“ Sechs Studien wurden von Ghanaati präsentiert und bezüglich ihrer Relevanz für die tägliche implantologische Praxis gewertet.
Anhand ausgezeichnet dokumentierter Fallbeispiele konnte der Frankfurter Kieferchirurg, der an der dortigen Universität eine chirurgisch-onkologische Abteilung leitet, darstellen, wie wertvoll der Einsatz von PRF-Membranen gerade bei der Socket-Preservation sein kann und wie ein schnellerer und biologischer Wundverschluss und somit eine wesentlich verbesserte Wundheilung erzielt werden können. Ghanaati empfiehlt ein konsequentes Überstopfen der Alveole. Hybridmaterialien sieht der Frankfurter Kieferchirurg als erfolgversprechende Option für die Zukunft. Eine Aufgabe hatte er für die Zahnärzteschaft indes auch parat: „Ihr müsst lernen, schnell und schonend Blut abzunehmen!“
An der Universitätszahnklinik Freiburg ist seit geraumer Zeit Prof. Dr. Katja Nelson in der Abteilung für translationale Implantologie tätig und hat sich hier in den vergangenen zwei Jahrzehnten, vor allem auf dem Gebiet der digitalen Optionen, ein einzigartiges Expertenwissen angeeignet. Vor diesem Hintergrund verwunderte die erste Take-home-Message von Nelson manchen Zuhörer: „Es reicht nicht, den Patienten mit Implantatwunsch direkt zur Anfertigung eines DVTs zu schicken, nach wie vor unersetzlich ist eine gründliche klinische Untersuchung!“
Die Definition klarer Regeln und deren Einhaltung sieht Nelson als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Implantologie. Vor diesem Hintergrund erfolge der Übergang in die digitale Welt fließend, ein besonderes Augenmerk legte Nelson auf die Datenerhebung als Grundlage für die Ermöglichung von Zahnersatz mit höchster Passgenauigkeit. „Mit einem DVT und einem digitalen Scan können Sie schon vieles machen!“, so Nelson. Beginnend mit der Segmentation, folgt die Manipulation des Datensatzes. „Wir können vieles, aber wir müssen auch viel können!“, so fasste DGZI Präsident Bach im anschließenden Referententalk eine der zentralen Botschaften der drei Auftaktvorträge zusammen. Sowohl Nelson als auch Ghanaati betonten, dass eine sichere Anwendung der von ihnen präferierten Verfahren eine intensive und durchaus aufwendige Einarbeitungsphase bedingt.
Live-Operationen
Nun galt es, das Erlernte auch umzusetzen beziehungsweise umgesetzt zu sehen. Bereits eine kleine Tradition bei DGZI-Kongressen stellen die Live-Operationen dar: Eine Übertragung einer Live-Operation in den Tagungssaal mithilfe der faszinierenden Multi-Channel-Streaming-Technik ermöglichte es den Kongressteilnehmern und DGZI-Mitgliedern, einen einmaligen Einblick in die Arbeit renommierter Kollegen zu erleben und dies in HD-Qualität. Mit der Einführung dieses Formats beschritt die DGZI (dereinst) Fortbildungsneuland!
Der Hamburger Fachzahnarzt Dr. Jan Klenke steuerte als Beitrag eine aufwendige Rezessionsdeckelung mit einer azellulären dermalen Matrix unter Verwendung der Tunneltechnik bei. Nachdem aufgrund der zweifachen (Spender- und Empfänger-)Morbidität parodontale Rezessionsdeckungen seitens unserer Patienten mit gewissen Vorbehalten belegt sind, werden diese mitunter wesentlich seltener in Form einer Transplantatentnahme durchgeführt, wenn Indikationen bestehen. Hier sieht Klenke einen neuen Therapieansatz: Mit der Insertion einer azellulären dermalen Matrix wird die postoperative Morbidität wesentlich minimiert, da die Entnahme eines autologen Bindegewebstransplantats entfällt.
In einem zweiten Live-Stream zeigte der in Trier tätige DGOI-Präsident Professor Dr. Daniel Grubeanu seine Ideen, sein Vorgehen und Erfahrungen für und mit Sofortversorgungskonzepten. Er wählte hierfür einen sehr anspruchsvollen Patientenfall, ein nicht erhaltungswürdiger Zahn 23 musste entfernt werden. Geplant war eine Sofortimplantation mit Sofortbelastung, die er Schritt für Schritt darstellte, beginnend mit der Planung, der Implantatinsertion bis hin zur Eingliederung der provisorischen prothetischen Restauration.
Hierfür wurde der entfernte Zahn gekürzt und ausgehöhlt und dann zur weichteilstabilisierenden Krone umgebaut. Eindrücklich: Die Weichteile wurden derart gestützt (auch unter Verwendung einer PRF-Membran), dass keinerlei posttraumatischer Verlust zu verzeichnen war. Sehr techniksensitiv und aufwendig, keine Frage, aber das Ergebnis bestätigte die Richtigkeit des dargestellten Prozedere.
Table Clinics
Für manche immer noch ein recht ungewohnter Anblick – statt der üblichen auf die Bühne ausgerichteten parlamentarischen Bestuhlung nun Rundtische im Sinne einer Bankettbestuhlung! An diesen fanden in drei Staffeln Tischdemonstrationen zu unterschiedlichsten Spezialthemen der Implantologie statt. Jede ausstellende Firma hatte einen Tisch zur Verfügung gestellt bekommen und Referenten verpflichtet, die die Demonstrationen durchführten – hier erwiesen sich die unmittelbar zur Demonstration stattfindenden und auch die anschließenden Diskussionen und Austausche als sehr erkenntnisbringend. Ein neues Format, das erneut auf hohe Akzeptanz sowohl der Kongressteilnehmer als auch der Dentalaussteller stieß.
Ein weiteres Highlight – die digitale Poster-Präsentation
Die digitale Poster-Präsentation (DPP) fand an beiden Kongresstagen mit Poster Presentern in der DPP-Lounge im Ausstellungsbereich direkt vor dem Tagungssaal statt. Alle Poster konnten auch online über mobile Geräte abgerufen werden. Die DPP ist internetbasiert und interaktiv. Aus den eingereichten Postern wurden die Preisträger durch DGZI-Vize Dr. Arzu Tuna gekürt, die ersten drei Preise wurden im Rahmen des Samstagvormittagprogramms verliehen. Der erste Preis ging an den Heidelberger Privatdozenten Tim Hilgenfeld, den zweiten Preis nahm die Arbeitsgruppe von Prof. Christoph Bourauel, Prof. Dörsam und Dr. Keilig entgegen, und der dritte Platz ging an die rührige Hamburger Forschungsgruppe um Prof. Smeets und Dr. Sogand Schäfer. Die Preisträger stellten ihre Arbeiten kurz vor.
Der zweite Kongresstag – der „Wissenschaftstag“
Nachdem der erste Kongresstag stark praktisch ausgerichtet war, standen am zweiten Kongresstag speziell die wissenschaftlichen Aspekte im Mittelpunkt. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme zu aktuellen Trends ging es aber auch hier verstärkt um die Frage, wie wird die Implantologie der Zukunft aussehen? Und hier kamen die geladenen Geburtstagsgäste zum Zug – Präsidenten und Vorstandsmitglieder befreundeter implantologischer und anderer Fachgesellschaften referierten und stellten neueste Trends und Visionen und deren Relevanz für die Praxis vor.
Das Samstagsprogramm des 50. Internationalen Jahreskongresses der DGZI bot somit wissenschaftliche Überblicksvorträge zu allen relevanten Bereichen der oralen Implantologie, wie digitale Implantologie/Prothetik, Knochen und Gewebe, Materialien und Design.
Die DGZI-Kongressmacher verfolgten hier erneut das Ziel, dass es bei diesen Vorträgen vorrangig darum gehen sollte, darzustellen, was sein wird. Daher gab es keine Case-Reports oder Vorstellung einzelner Studien, sondern es ging um die Entwicklungsrichtungen und Visionen. Drei Themenblöcke zogen das Auditorium in den Bann:
Session 1: Knochen und Hartgewebe
Ein furioser Auftakt des wissenschaftlichen Programms des zweiten Kongresstags – DGI-Präsident Prof. Dr. Dr. Knut Grötz sprach über Knochenaugmentation bei lokaler und systemischer Kompromittierung. In einem furiosen Ritt durch die Geschichte der Augmentationschirurgie stellte Grötz dar, wie sich „alle Paradigmen überholt haben!“. Zwar gibt es weiterhin vereinzelt Bedarf an Beckenkammtransplantaten, aber deren Zahl nimmt immer mehr zugunsten lokoregionärer Augmentate ab. Dies wird vor allem durch osteosynthetische Verfahren und Hilfsmittel möglich.
Letztendlich entscheidend ist eine systematische Einteilung der Patienten mit einer systemischen und übergeordneten Kompromittierung, die, so Grötz, 95 bis 97 Prozent aller Patienten mit kompromittiertem Knochenangebot betrifft. Mit diesem Entscheidungslogarithmus kann dann auch die Wahl auf Vermeidung einer Augmentation zugunsten durchmesserreduzierter und kurzer Implantate fallen. Credo des Wiesbadener Kieferchirurgen – Ziel und Schlüssel ist die personalisierte Implantologie!
Der ärztliche Direktor der Mainzer Kieferchirurgie Professor Dr. Bilal Al-Nawas zeigte die immense implantologische Lernkurve der vergangenen fünfzig Jahre auf, was Implantat, Knochen und Weichgewebe betrifft. Eloquent stellte der Mainzer Hochschullehrer fest: „In der Implantologie ist es wie mit dem Minirock – es kommt alles wieder!“ Und in der Tat, die Literaturrecherchen, die Al-Nawas bezüglich Publikationen aus den siebziger Jahren durchgeführt hatte, belegten, dass es durchaus zum dortigen Zeitpunkt Techniken und Methoden gab, die funktionierten und die Patienten zufriedenzustellen vermochten.
Diese wurden verfeinert und mit neuen Optionen ergänzt, hier stellte die Konzentration auf Titan als Implantatmaterial einen ersten wichtigen Schritt dar. Die neunziger Jahre waren gekennzeichnet durch die Entwicklung neuer Implantatsysteme, die teilweise bis heute auf dem Markt sind, und neue Verfahren mit vorhersagbarem Ergebnis etablierten sich, zum Beispiel der Sinuslift.
Die Jahre nach der Jahrtausendwende waren durch die Erkenntnisse über implantologische Spätkomplikationen biologischer und technischer Natur gekennzeichnet. Die Geschwindigkeit der Osseointegration konnte durch Entwicklung neuer Implantatoberflächen wesentlich erhöht werden. Das Handling mit der Gingivamanschette wurde durch Entwicklung von Implantaten mit Platform-shift wesentlich verbessert, die dem Zusammenspiel von Gingiva und Knochen zuträglich ist. Einen letzten Entwicklungsschritt stellte, so Al-Nawas, die Etablierung durchmesserreduzierter und extrem kurzer Implantate und solcher aus Zirkoniumdioxid dar.
Über den Tellerrand hinaus schaut der Hallensische Hochschullehrer Prof. Dr. Christian Gernhart, der darstellte, wann der Zahnerhalt und wann das Implantat die bessere Wahl sind. „Ich bin der Zahnerhalter, der den Implantaten im Wege steht“, dies das launige Einführungswort Gernharts. Dass sich die aktuelle Entscheidungsfindung heute wieder mehr in Richtung Zahnerhalt und Wurzelbehandlung bewegt, ist vor allem neuen Techniken und Verfahren und industriellen Entwicklungen auf dem Gebiet der Endodontologie zu verdanken. Aber auch die Diskussion um die Periimplantitis war dieser Entwicklung zuträglich.
Die Definition einer Wurzelbehandlung im Sinne Gernharts ist die Behandlung einer infektiösen Krankheit. Hier spielt die Schnittstelle Endodontologie/Humanmedizin eine ganz große Rolle im Sinne einer individualisierten Medizin. Mit einem Blick auf die Empfehlungen der Endodontie und Implantologie schloss Gernhart seine Ausführung mit der Take-home-Message: „Zahnerhaltung first!“
Session 2: Neue Konzepte
Nachdem er am Vortag bereits entsprechende Beispiele eindrucksvoll präsentiert hatte, würdigte Professor Dr. Daniel Grubeanu nochmals in einem Impulsvortrag die Bedeutung der Sofortimplantation in der täglichen Praxis.
Wichtig war dem Trierer Implantologen festzustellen, dass es immer – unabhängig von der Füllung der Alveole – zu resorptiven Veränderungen kommt. Die 1 mm subkrestale Positionierung in optimaler dreidimensionaler Position ist eine Grundvoraussetzung für diese Versorgungsform. Ausgehend von den Wolfschen Postulaten aus dem Jahre 1892 (!) forderte Grubeanu, den Knochen zu belasten, um ihn zu konservieren. So war der Übergang in die Sofortimplantation und Sofortbelastung geebnet. Ausgezeichnet dokumentierte Fallbeispiele unterstützten das Fazit Grubeanus: „Sofortbelastung und Sofortimplantation bedeutet Freude für Patienten und Zahnarzt zugleich“.
Prof. Ralf Smeets definierte Risikofaktoren in der Implantologie und postulierte die Wichtigkeit der Beachtung von Vitaminmangel, Stoffwechselerkrankungen und Medikamenten. Der Hamburger Kieferchirurg wies darauf hin, dass 30 Prozent unserer Patienten einen zu niedrigen Vitamin-D-Spiegel aufweisen und empfahl die Substitution vorgängig großer implantologischer Eingriffe (zum Beispiel eines Sinuslifts). Auch die Folgen einer Einnahme von Protonenpumpenhemmern für unser Fachgebiet stieß auf hohes Interesse des Auditoriums.
Mit seiner Paradedisziplin wartete Dr. Dr. Wolfgang Jakobs auf. Der BDO-Vorsitzende sprach über Anästhesieverfahren in der Implantologie. Mit der Feststellung, dass psychosomatische Erkrankungen in den vergangenen Jahren mehr als 30 Prozent zugenommen haben, begann Jakobs seine Ausführungen und gab praxisrelevante Tipps zur zahnärztlichen Lokalanästhesie, aktuellen Sedierungsverfahren und zur Allgemeinnarkose. Die titrierte Gabe von Midazolam hat sich bei der Sedierung als Goldstandard mit hohem Sicherheitsrahmen etabliert.
Session 3: Weichgewebe und Management
Die Materialfrage stellte Prof. Florian Beuer, der über entsprechende Materialoptionen für die Implantatprothetik sprach. „Sehr oft sehe ich implantatprothetische Versorgungen mit exzellenter Chirurgie, aber nur mäßiger Prothetik“, so der Berliner Hochschullehrer. „Das ist doch eigentlich schade!“.
Abhilfe sieht er in der konsequenten Ausnutzung materialspezifischer Potenziale. Hier nehmen die zahnfarbenen Materialien und unter diesen das Zirkonoxid eine ganz besondere Rolle ein, die sich bezüglich Ästhetik und Biokompatibilität als vorteilhaft erwiesen haben. Der Versuch, immer transluszentere Zirkonoxidmaterialien zu entwickeln, führte allerdings auch zu Einbußen, sodass im Seitenzahngebiet nur ZNO-Materialien der ersten und der zweiten Generation zum Einsatz kommen sollten.
Aber auch die moderne Generation von Kunststoffen, so Beuer, ist aus der modernen Implantatprothetik nicht mehr wegzudenken, vor allem seit diese in CAD/CAM-Verfahren zu verarbeiten sind. Bei komplexen Restaurationen, bei auszutestenden Situationen können diese neuen Hochleistungskunststoffe erfolgreich eingesetzt werden.
„Wie erzeuge ich optimale Gewebeverhältnisse?“ lautete das Thema von Prof. Thorsten Auschill. Er ist an der Marburger Universität in der Abteilung für Parodontologie und periimplantäre Erkrankungen als Hochschullehrer tätig und wandte sich demnach sofort dem Themenbereich der Weichgewebsdefizite zu. Gleich zu Beginn seines Vortrags stellte Auschill klar, dass Parodontitis und Periimplantitis unbehandelt zu Weichteilverlusten führen. Er fokussierte seine Ausführungen auf Rezessionen und die Optionen zu deren Deckung.
DGZI-Past-Präsident Prof. Friedhelm Heinemann referierte über implantatprothetische Versorgungen und deren Potenziale. Heinemann hat – aus der Praxis heraus – an der Universität Greifswald habilitiert und lehrt dort auch. Er griff ein „altes Thema wieder auf“, wie er es in seinem Einführungswort formulierte. Er widmete seine Ausführungen der Knochenstabilität um das Implantat herum.
Dem Platform-Switch kommt seiner Ansicht nach eine zentrale Rolle zu. Auf der anderen Seite wird der Effekt der Stabilität durch einen Konus verstärkt. Heinemann postulierte: „Wir müssen weg vom Knochen!“ Da der Konus indes eine höhere Frakturgefahr birgt und gegebenenfalls im Oberkieferfrontzahnbereich ästhetische Nachteile birgt, versuchte Heinemann bei einem Implantat beide Optionen verwirklichen zu können – sowohl Konus als auch Platform-Switch. Unterstützung für dieses Vorhaben erfuhr er durch die Arbeitsgruppe um Prof. Bourauel. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe führten zur Entwicklung einer Produktlinie. Ergebnisse einer eigenen randomisierten Studie rundeten die Ausführungen Heinemanns ab.
Den Abschlussvortrag des 50. DGZI-Jahreskongresses steuerte ein weiterer DGZI-Past-Präsident bei – Prof. Frank Palm beantwortete die Frage, wie man alveolären Knochen nach Extraktion erhalten kann. Palm leitet in Konstanz am Bodensee eine Hauptabteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und dort auch ein großes Ambulatorium. Er ist seit Jahren als eloquenter und engagierter Befürworter von Knochenersatzmaterialien bekannt.
Auch seine Ausführungen im Rahmen des 50. DGZI-Prozesses widmeten sich diesem Thema – Palm stellte das von ihm mitentwickelte Cerasorb-Foam-Produkt vor. Es handelt sich hier um einen TCP-Schaum, der zum Erhalt des lamellären Knochens führen soll. Zu den klinischen Ergebnissen: Neben dem Erhalt der bukkalen Lamelle zeigt sich das neue Material vor allem bezüglich des Volumenerhalts per se, so Palm. Sollte in einem derart vorbehandelten Knochenareal implantiert werden, so ist ein Bohrprotokoll für weichen Knochen erforderlich. Kleine, noch nicht organisierte TCP-Reste können hier belassen werden.
3. Zukunftskongress Implantologie und 50. Internationaler Jahreskongress der DGZI – ein kurzes Fazit
Mit dem Kölner „50+1-Kongress“ konnten die Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer in der Tat ein herausragendes und innovatives Fortbildungsereignis und ein würdiges Jubiläumsfest der ältesten europäischen implantologischen Gesellschaft erleben.
Aber nicht nur das: Aus verschiedenen Blickwinkeln von Wissenschaft, Praxis, Politik und Industrie wurde eine neue Ebene der Interaktion erreicht. Mit dem Versuch, der dringenden Frage nachzugehen, wie die Implantologie in fünf oder vielleicht zehn Jahren aussehen wird und wie dann die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sein werden, wurde seitens der DGZI Neuland beschritten, und gleichzeitig stand das Who‘s who der deutschsprachigen zahnärztlichen Implantologie auf der Bühne!
„Wir sind sehr froh, dankbar und glücklich über diesen schönen Jubiläumskongress, aber auch darüber, dass wir den Weg des Zukunftskongresses beschritten haben!“, so DGZI-Präsident Dr. Georg Bach.
Als Fazit des Zukunftskongresses kann festgestellt werden, dass es im Hinblick auf die implantologische Praxis der Zukunft neben wissenschaftlichen und technologischen Gesichtspunkten vor allem um strategische Fragen und deren Beantwortung geht. Die DGZI wird an diesem Thema und an diesem Anspruch weiter aktiv bearbeiten und so die Bedeutung und Anziehungskraft dieser Fachgesellschaft auch in den kommenden 50 (+1) Jahren unter Beweis stellen.