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„Beim Thema Zahntrauma hat es viele Veränderungen gegeben“

Richard_Steffen

Dr. Richard Steffen (Basel) präsentierte in Dortmund den aktuellen Stand zum Thema Pulpa-Amputation.  

Der Schweizer Kinderzahnarzt Dr. Richard Steffen arbeitete viele Jahre an der Universität Zürich und wechselte in diesem Jahr an das Universitäre Zentrum für Zahnmedizin in Basel. Seit 2004 ist er im Vorstand der European Academy of Paediatric Dentistry (EAPD) und war einer der Hauptredner beim Gemeinschaftskongress von DGZ und DGKiZ Ende September in Dortmund.

Welche neuen Entwicklungen gibt es bei der Behandlung junger Patienten mit Zahntrauma?

Dr. Richard Steffen: Neu ist, dass sich zunehmend regionale zahnmedizinische Traumazentren etablieren. Dort werden schwerpunktmäßig Patienten mit Verletzungen von Zähnen, Alveolarfortsatz und oralen Weichgeweben versorgt. Auch in der universitären Lehre rückt das Thema mehr in den Fokus. Wie ich bei der Pressekonferenz in Dortmund erläutern durfte, sollte es weiterhin Ziel sein, Zahnrettungsboxen flächendeckend zur Verfügung zu stellen und deren richtige Verwendung allen Verantwortlichen bekannt zu machen. Nicht zuletzt hat es in den vergangenen Jahren wichtige Änderungen bei Methoden und Materialien gegeben. Zum Beispiel wird für Apexifikationen von der europäischen wissenschaftlichen Zahnheilkunde – anders als in der noch gültigen deutschen Leitlinie – nicht mehr Kalziumhydroxid empfohlen [1]. Grund ist, dass das alkalische Material als Dauereinlage zu einer Austrocknung und erhöhten Frakturgefahr führen kann.

Gibt es eine bewährte Alternative?

Steffen: Eine austrocknende Wirkung wird auch für Mineral Trioxide Aggregate (MTA) vermutet. Die aktuellen EAPD-Empfehlungen sehen deshalb vor, den Wurzelkanal wie gewohnt zu reinigen und bei Bedarf mit einer kurzzeitigen Kalziumhydroxid-Einlage zu desinfizieren. Danach wird er apikal im Sinne eines Pfropfens verschlossen, gefolgt von einer Wurzelfüllung. Für den apikalen Verschluss eignen sich neben MTA weitere, verbesserte hydraulische Silikatzemente, einschließlich Biodentine. Aktuell sind 88 Produkte dieser Gruppe auf dem Markt.

Welche Empfehlungen gelten aktuell für Pulpotomien?

Steffen: Biologie, aber auch Behandlung und Materialien sind für Milch- und bleibende Zähne grundsätzlich dieselben. Bei Milchzähnen bleibt bei einer kariös betroffenen Kronenpulpa das Pulpagewebe in der Wurzel noch lange vital. Eine Wurzelkanalbehandlung ist bei Milchmolaren schwierig und wurzelgefüllte Zähne haben eine schlechtere Prognose als solche mit vitaler Pulpa. Daher ist eine Amputation der Kronenpulpa die Methode der Wahl. Auch hierfür ist ein hydraulischer Silikatzement indiziert.

In Dortmund ging es auch um Möglichkeiten, die Wurzelpulpa zu regenerieren. Gibt es inzwischen praxisbewährte Verfahren?

Steffen: Wir sind noch lange nicht so weit, dass wir synthetische Wurzelfüllungsmaterialien durch regeneriertes Pulpagewebe ersetzen können. Wie die Referenten in Dortmund deutlich gemacht haben, sind vor einer Routine-Anwendung noch viele Fragen zu klären. Unter anderem ist nicht bekannt, wie sich die Differenzierung von Stammzellen zuverlässig steuern lässt und welche Rolle eine Traumatisierung des periapikalen Gewebes spielt. Aber die Forschung geht hier weiter – wir dürfen gespannt sein.

Interview: Dr. Jan H. Koch

 



Literatur

[1] Duggal M, Tong HJ, Al-Ansary M, Twati W, Day PF, Nazzal H. Interventions for the endodontic management of non-vital traumatised immature permanent anterior teeth in children and adolescents: a systematic review of the evidence and guidelines of the European Academy of Paediatric Dentistry. European archives of paediatric dentistry : official journal of the European Academy of Paediatric Dentistry 2017;18:139-151.