Sind Zahnspangen zu teuer? Die hohen Ausgaben im Bereich der Kieferorthopädie gehören jedenfalls auf den Prüfstand, fordert der Bundesrechnungshof in seinen Ergänzungen zum Jahresbericht 2017. Der Grund: Der medizinische Nutzen kieferorthopädischer Behandlungen sei wissenschaftlich nicht hinreichend belegt. Der Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) hält die Kritik der Bonner Prüfer "nur partiell" für nachvollziehbar.
Fehlende Versorgungsforschung
Vor dem Hintergrund fehlender Versorgungsforschung und einer darauf basierenden Bewertung finden die Bonner Prüfer es fraglich, ob die Kassen KFO-Leistungen „in ausreichendem, zweckmäßigem und wirtschaftlichem Maße erbringen“. Das nämlich schreibt das SGB V vor. In anderen Leistungsbereichen der Gesetzlichen Krankenversicherung müsse der Nutzen einer Therapie wissenschaftlich bestätigt sein, das solle auch bei kieferorthopädischen Behandlungen der Fall sein. Deshalb der explizite Appell der Prüfer: "Nutzen kieferorthopädischer Behandlung muss endlich erforscht werden".
Mehr als 1 Mrd. Euro für KFO-Behandlungen
2016 haben die gesetzlichen Krankenkassen laut Rechnungshof für KFO-Behandlungen 1,1 Mrd. Euro ausgegeben. Dabei hätten sich die Fallkosten in den Jahren 2008 bis 2016 ungefähr verdoppelt. Die meisten der Patienten seien Kinder und Jugendliche; nach Angaben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung wird schätzungsweise mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Deutschland kieferorthopädisch behandelt.
Kritik am Bundesgesundheitsministerium
Deutliche Kritik übt die Bonner Behörde am Bundesgesundheitsministerium. Auf die unzureichende wissenschaftliche Untersuchung von Versorgungslage und -notwendigkeit hätten Experten wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information schon vor Jahren hingewiesen. Das BMG sei dem allerdings nicht nachgegangen.
Selbstzahlerleistungen überprüfen
Auch die Selbstzahlerleistungen müssen nach Ansicht der Prüfer erfasst und bewertet werden. Sollten diese den Kassenleistungen überlegen sein, wäre zu prüfen, sie in den Katalog der Kassenleistungen zu übernehmen.
Stellungnahme des BDK
Nachvollziehbar für den BDK ist, so dessen 1. Bundesvorsitzender Dr. Hans-Jürgen Köning, dass im Bereich Kieferorthopädie zu wenig Versorgungsforschung existiert. Deshalb begrüße der BDK die Forderung des BRH, eine weitreichendere Versorgungsforschung anzustoßen und sei gerne bereit, die Verantwortlichen hier nach Kräften zu unterstützen.
"Der medizinische Nutzen kieferorthopädischer Behandlungen steht nach unserer Auffassung jedoch keinesfalls in Frage. Sehr wohl existieren ausreichend Studien, die diesen Nutzen wissenschaftlich belegen". Der BDK weist darauf hin, dass die Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) derzeit mit der Bewertung dieser Untersuchungen hinsichtlich des Evidenzniveaus befasst ist.
"Daten stehen zur Verfügung"
Absolut nicht nachvollziehbar ist für den BDK die Kritik, dass BMG und Krankenkassen kaum Einblick hätten, mit welchen kieferorthopädischen Leistungen Patienten konkret versorgt würden. Die Bonner Prüfer hatten kritisiert, dass bundesweite Daten beispielsweise über Art, Dauer und Erfolg der Behandlung, behandelte Altersgruppen, zugrundeliegende Diagnosen sowie die Zahl der abgeschlossenen Fälle und Behandlungsabbrüche fehlten. "All diese Daten stehen den Kassen sehr wohl zur Verfügung und finden sich im Behandlungsplan, der vor Beginn der Behandlung zur Genehmigung eingereicht wird", so Köning.
Der BDK-Bundesvorsitzende: „Wir sind schon sehr überrascht davon, mit welcher Leichtigkeit der Bundesrechnungshof einem seit langem etablierten Fachgebiet der Zahnheilkunde die Existenzberechtigung abspricht. “