Am 16. Mai 2023 beginnt der 127. Deutsche Ärztetag in Essen. Vier Tage lang versammeln sich 250 ärztliche Abgeordnete aus ganz Deutschland in der Ruhrmetropole, um gesundheitspolitische Impulse zu setzen und wichtige berufspolitische Themen zu beraten.
„Nach dem Ende der Corona-Pandemie ist die Notwendigkeit nachhaltiger Reformen im Gesundheitswesen offensichtlicher denn je. Angesichts der Vielzahl laufender und geplanter Gesetzgebungsverfahren wird das Themenspektrum der gesundheitspolitischen Generalaussprache besonders breit gefächert sein“, sagte Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt auf einer Vorab-Pressekonferenz zum Ärztetag in Berlin.
Unter anderem werde man die Pläne des Bundes für eine Neuorganisation der Krankenhausplanung und -vergütung aus ärztlicher Sicht beraten und eigene Vorschläge in die Debatte einbringen. Reinhardt warnte vor möglichen negativen Auswirkungen der geplanten Reform auf die ärztliche Nachwuchsförderung. Grund ist, dass die vorgesehene neue, feingliedrigere Krankenhausplanungssystematik mit „Leistungsgruppen“ dazu führen wird, dass einige ärztliche Weiterbildungsstätten nicht mehr die volle Weiterbildungszeit anbieten können, beziehungsweise sogar ganz wegfallen.
„Für die Weiterbildung zur Fachärztin oder zum Facharzt brauchen wir deshalb dringend Kooperationen zwischen Krankenhäusern unterschiedlicher Versorgungsstufen sowie flächendeckend Weiterbildungsverbünde zwischen Kliniken und Praxen“, betonte Reinhardt.
Regeln für Investoren gefordert
Der Ärztetag wird sich außerdem mit dem zunehmenden Einfluss fachfremder Finanzinvestoren auf die ambulante Patientenversorgung in Deutschland befassen. „Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind grundsätzlich eine sinnvolle Ergänzung der ambulanten Versorgungsstrukturen. Auch Investitionen in Gesundheitseinrichtungen sind nicht per se schlecht. Kritisch wird es, wenn private Investitionen ausschließlich an hohe Renditeerwartungen geknüpft werden und Profite vor Patienteninteressen gehen“, stellte Reinhardt klar. Die BÄK hatte bereits im Januar konkrete Vorschläge für eine gesetzliche Regulierung investorengestützter MVZ vorgelegt.
„Wir haben unsere Positionen und Argumente auch vor dem Hintergrund der von uns angestoßenen politischen Debatte weiter konkretisiert und stehen dazu mit den Verantwortlichen in Bund und Ländern im Austausch“, sagte Reinhardt. Er forderte unter anderem, die aus Solidarbeiträgen aufgebrachten Mittel für die Patientenversorgung vor einem Abfluss in internationale Finanzmärkte zu schützen. Ärztliche Entscheidungen müssten vor kommerziellen Fehlanreizen abgesichert werden. Zudem müsse der Gesetzgeber verhindern, dass Versorgungsangebote zu sehr auf besonders lukrative, oftmals prozedurale Leistungen fokussiert werden.
Viele große Herausforderungen
Reinhardt kritisierte grundsätzlich, dass die Politik nicht verinnerlicht habe, vor welch großen Herausforderungen das Gesundheitswesen steht.
„Wir brauchen Konzepte, wie in einer Gesellschaft des langen Lebens die Finanzierung unseres Krankenversicherungssystems bei einem stetig steigenden Behandlungsbedarf auf eine breitere und damit zukunftsfeste Basis gestellt werden kann. Wir brauchen Antworten auf die Frage, wie wir digitale Anwendungen und künstliche Intelligenz im Sinne arztunterstützender Anwendungen wirklich praxistauglich und sicher für die Patientenversorgung machen können. Wir müssen die Gesundheitsprävention im Sinne von Health in all Policies noch viel stärker als heute im politischen und gesellschaftlichen Bewusstsein verankern. Und wir müssen den gesundheitsbezogenen Klimaschutz weiter voranbringen. Diese Zukunftsthemen muss die Politik in einem ernsthaften Dialog mit den Ärztinnen und Ärzten in Deutschland angehen. Das werden wir auf dem Ärztetag in aller Klarheit einfordern“, kündigte Reinhardt an.
Vielfältiges Programm
Neben diesen Themen, die der Ärztetag im Zuge seiner gesundheits- und sozialpolitischen Generalaussprache am Dienstagnachmittag (16. Mai 2023) beraten wird, stehen am Mittwoch zwei weitere Schwerpunkte auf dem Programm. Unter dem Titel „Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession“ befasst sich der Ärztetag mit dem Verständnis des ärztlichen Berufsbildes als Profession und den Herausforderungen, mit denen die ärztliche Profession konfrontiert ist. Peter Müller, Richter des Zweiten Senats am Bundesverfassungsgericht, wird mit seinem Grundsatzreferat „Freiheitliche ärztliche Berufsausübung und moderne ärztliche Selbstverwaltung als Garanten für eine patientengerechte Gesundheitsversorgung“ den rechtlichen Rahmen für die Debatte abstecken.
Am Mittwochnachmittag beraten die Abgeordneten des Ärztetages darüber, welchen Beitrag das Erziehungs-, Schul- und Berufsschulsystem zur Gesundheitsbildung im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter leisten kann. Die Grundlagen dieser Diskussion werden die Referate von NRW-Bildungsministerin Dorothee Feller und von Prof. Dr. Orkan Okan, Experte für Gesundheitskompetenz an der TU München, bilden.
Am Donnerstag (18. Mai 2023) finden Wahlen statt. Gewählt werden eine Präsidentin/ein Präsident, zwei Vizepräsidentinnen/Vizepräsidenten und zwei weitere Ärztinnen/Ärzte.
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