Wann müssen und wann können Weisheitszähne entfernt werden? Nach der geltenden deutschen und US-amerikanischen Leitlinie sind prophylaktische Extraktionen gesunder und vollständig impaktierter Weisheitszähne nicht indiziert [1, 2]. So befürworten US-amerikanische Verbände stattdessen regelmäßige klinische und radiologische Kontrollen.
Dr. Jan Wolff und Prof. Dr. Dr. Martin Gosau (Klinikum Nürnberg Süd und Paracelsus Medizinische Privatuniversität) geben in ihrem Beitrag im Bayerischen Zahnärzteblatt (BZB) zu bedenken, dass ein Belassen durchaus Komplikationen verursachen kann [3].
So zeigt eine aktuelle Literaturübersicht, dass das Komplikationsrisiko für asymptomatische Achter bei jungen Erwachsenen von 5 Prozent (erstes Jahr nach Durchbruch) auf bis zu 64 Prozent nach 18 Jahren steigt [4]. Entsprechend wird empfohlen, die Entscheidung für oder gegen eine Weisheitszahnentfernung möglichst bis zum 35. Lebensjahr zu treffen [5]. Laut Cochrane-Analyse ist bislang nicht ausreichend dokumentiert, ob gesunde, retinierte Weisheitszähne langfristig mehr Probleme verursachen als prophylaktisch extrahierte [6]. Eine ältere deutsche Studie zeigt jedoch, dass Komplikationen bei operativer Entfernung – ebenfalls mit steigendem Alter häufiger und schwerwiegender werden [7].
Extraktion nicht immer indiziert
Ein häufiger Anlass, prophylaktisch asymptomatische Weisheitszähne zu entfernen, ist retromolarer Platzmangel. Jedoch wurde gezeigt, dass knapp ein Drittel der Achter, die mit 18 Jahren zur Extraktion vorgesehen waren, bis zum 30. Lebensjahr vollständig durchbrachen [8]. Belassen werden sollen Weisheitszähne laut aktueller DGZMK-Leitlinie, wenn genug Platz zum Durchbruch vorhanden ist. Eine Nichtentfernung gesunder Achter ist auch indiziert, wenn ein erhöhtes Risiko besteht, benachbarte Strukturen, wie den N. alveolaris inferior, zu schädigen. In Sonderfällen kann nur die Krone entfernt werden (Koronektomie). Auch für prothetische Zwecke oder zur Einordnung in die Zahnreihe nach Extraktion anderer Zähne sollen Achter bleiben [2].
Extrahiert werden sollen symptomatische, pathologische oder zerstörte dritte Molaren, aber auch gesunde bei Umstellungsosteotomien, rekonstruktiver Chirurgie und bei Lage im Fraktur-Bruchspalt [2]. Bei Resorption benachbarter Molaren und für die Sicherung einer abgeschlossenen KfO-Behandlung beispielsweise ist die Extraktion dritter Molaren möglich. Ein nicht abgeschlossenes Wurzelwachstum minimiert beim Entfernen das Komplikationsrisiko [5]. Teilretinierte Weisheitszähne stehen nicht explizit auf der Indikationsliste, sind jedoch prädestiniert, eine Perikoronitis zu entwickeln [2].
Die aktuelle Leitlinie der DGZMK gilt nur bedingt für Patienten mit systemischer Problematik, wie Immunsuppression, Chemo- und Bisphosphonat-Therapie. Die Nürnberger Autoren empfehlen in diesen Situationen, Weisheitszähne im Zweifel zu entfernen.
Literatur
[1] American Association of Oral and Maxillofacial Surgeons; J Oral Maxillofac Surg 2012.
[2] Kunkel M. DGZMK. 2012
[3] Wolff JG, Gosau M. BZB 2015. September 15 60–66.
[4] Bouloux GF et al. J Oral Maxillofac Surg 2015. 73(5):806–811.
[5] Rafetto LK. Oral Maxillofac Surg Clin North Am 2015. 27(3):363–371.
[6] Mettes TG. et al. Cochrane Database Syst Rev 2005(2): Cd003879.
[7] Kunkel M. et al. Mund Kiefer Gesichtschir 2004,8:344–349.
[8] Kruger E. et al. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 2001,92(2):150–155.