In Mecklenburg-Vorpommern sind Zahnärztinnen in jeder Altersgruppe in der Mehrheit. Bei den 35- bis 44-jährigen sind 64 Prozent weiblich. Grund genug, das noch stark männlich geprägte Berufsbild „Zahnarzt“ zu hinterfragen. Schließlich wollen Frauen den Beruf der Zahnärztin aktiver und angemessener mitgestalten, so sieht es Dr. Sarah Schneider, Fachzahnärztin für Oralchirurgie in Rostock. Als Abschlussarbeit ihres zweijährigen Studiengangs an der AS-Akademie hat sie eine Online-Umfrage für Zahnärztinnen bis 50 Jahre in Mecklenburg-Vorpommern initiiert, um die Bedürfnisse gerade von jungen Zahnärztinnen zu analysieren. Die Ergebnisse sollen dann in die Berufs- und Standespolitik einfließen. Zu ihrer Initiative hat dzw mit Dr. Sarah Schneider gesprochen.
Frau Dr. Schneider, Sie haben in Mecklenburg-Vorpommern eine Online-Befragung für Zahnärztinnen initiiert. Wollen Sie sich und Ihre Aktion kurz vorstellen?
Dr. Sarah Schneider: Meine Name ist Sarah Schneider, ich bin angestellte Oralchirurgin in Rostock, verheiratet und Mutter eines Sohnes. Im Frühjahr diesen Jahres habe ich diese Umfrage initiiert. Sie ist die Grundlage meiner Abschlussarbeit an der AS Akademie. Von der Zahnärztekammer M-V habe ich dabei großen Rückhalt erhalten. Meine Motivation für diese Umfrage resultiert aus meiner persönlichen Erfahrung. Nach meiner Elternzeit konnte ich aus organisatorischen Gründen nicht in meine alte Praxis zurückkehren. Die Stelle war offenbar nicht mehr vereinbar mit mir als Mutter. Da war ich dann als Zahnärztin mit Kind – außer meinem Mann – ohne Unterstützung. Aus dieser Erfahrung ist mein Interesse gewachsen, berufspolitisch tätig zu werden. Die Problematik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft ja viele Zahnärztinnen und Frauen allgemein. Um hier etwas ändern zu können, braucht es Fakten und Hintergrundwissen. Mit meiner Umfrage will ich die Datenbasis für Lösungsansätze schaffen.
Welche Themenfelder fragen Sie bei Ihrer Online-Umfrage für Zahnärztinnen bis 50 Jahren ab?
Schneider: Die Umfrage ist thematisch dreigeteilt. Es beginnt mit den persönlichen Angaben. Dann geht es um den beruflichen Alltag. Welche Probleme gibt es? Wo können die Körperschaften Unterstützung bieten – vor allem für die Mütter unter den Kolleginnen? Dann gibt es Fragen zum Wiedereinstieg in das Berufsleben nach der Elternzeit. Gab es da Komplikationen und wie sahen diese aus? Wie war die Elterzeitvertretung geregelt? Das sind die Themenfelder, wo wir Beratungs- und Unterstützungsangebote entwickeln müssen. Und zum Schluss wird das berufspolitische Interesse abgefragt. Ist jemand bereits berufspolitisch aktiv? Wie lässt sich das Interesse fördern?
Wenn die Ergebnisse der Befragung vorliegen, wie werden diese dann in die Berufs- und Standespolitik hineingetragen?
Schneider: Die Befragung findet ja in enger Zusammenarbeit mit der Landeszahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern statt. Hier besteht durchaus Interesse, die eigenen Strukturen anzupassen und sich dem Nachwuchs weiter zu öffnen. Das spiegelt sich auch in der Besetzung des Vorstand, wo mit Christian Dau ein junger Kollege hinzugekommen ist, der sich um die Berufsberatung und die Nachwuchsförderung kümmert. Die Daten der Befragung kann er dann gezielt für seine Beratungstätigkeit nutzen. Wie kann der Wiedereinstieg in den Beruf besser funktionieren? Dazu gibt es konzeptionelle Ansätze, die mit den Daten dann an die konkrete Situation im Alltag angepasst werden können. Die Ergebnisse der Befragung sollen letztendlich auch zeigen, welche Veränderungen in den Körperschaften selbst nötig und möglich sind, um mehr Engagement von Seiten der Zahnärztinnen zu erhalten. Der Weg in die Standespolitik – gerade für die jüngere Generation insgesamt – muss transparenter und nachvollziehbarer werden. Da sind Vorbilder hilfreich, ebenso wie ein Mentoring-Programm gerade auch für junge Mütter und Väter. Die Standespolitik muss selbst familientauglicher gestaltet sein. Das fängt mit den Sitzungszeiten an. Die sind häufig sehr lang. Da entstehen Ausfallzeiten in der Praxis und in der Familie fehlt man auch. Gibt es hier alternative Wege? Kann man digitale Kommunikationsmittel nutzen? An diesen Themen können wir ansetzen und etwas verändern, damit mehr junge Zahnärztinnen und Zahnärzte berufspolitisch aktiv werden.
Derzeit gibt es bundesweit eine Art Frauenbewegung in der Zahnärzteschaft – bei der Kammerwahl in Thüringen gab es sogar eine erste eigene Frauenliste. Sehen sich Frauen durch die Standespolitik nicht mehr repräsentiert?
Schneider: Das sehe ich durchaus so. Frauen sind in den Körperschaften absolut unterrepräsentiert. In unserer Kammer beträgt der Frauenanteil beispielsweise um die 15 Prozent. Und bundesweit sieht es nicht anders aus. Und in den Vorständen sind es noch einmal weniger Frauen. Das ist überhaupt nicht repräsentativ. Wenn die Zahnärzteschaft immer weiblicher wird und unsere Standesvertreter sind männlich – da passt etwas nicht zusammen. Das Wahlergebnis in Thüringen zeigt, dass zumindest ein kleiner Umschwung geschafft ist – und das ganz ohne Quote. Die Mehrheit der bislang Befragten ist übrigens gegen eine Frauenquote, ich selbst auch. Positionen sollten von Leistung und Qualifikation abhängen. Was wir brauchen ist ein Türöffner für Frauen und junge Kollegen. Rebecca Otto hat es mit ihrer VdZÄ-Liste in Thüringen mit viel Kampfgeist auch so geschafft.
Was sollte sich am Berufsbild aus Sicht der Frauen verändern?
Schneider: Was wir ganz klar brauchen, das zeigen auch die bisherigen Umfrageergebnisse, ist mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten. Nach meinem Wechsel in eine andere Praxis habe ich gemerkt, dass es ohne Probleme funktionieren kann. Es ist vor allem eine Frage der Organisation. Wir sind drei Frauen, alles junge Mütter, und ein Mann. Und unsere Arbeit klappt reibungslos, weil wir uns gut untereinander absprechen.
Warum wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eigentlich immer als Frauenthema gesehen? Müssten dazu nicht auch Männer befragt werden?
Schneider: Da haben Sie natürlich Recht. Die Entwicklung zeigt, dass auch die Männer immer mehr Elternzeit nehmen und sich familiär stärker engagieren. Aber meine Erfahrung zeigt auch, dass wenn das Kind beispielsweise krank ist, in den allermeisten Fällen die Mutter beim Kind bleibt. Die Akzeptanz in der Berufswelt, dass ein Vater dann sein Kind betreut, ist überhaupt nicht vorhanden. Ich kenne Fälle, das wurde der Mann, nachdem er bei seinem kranken Kind geblieben war, zum Vorgesetzten bestellt und musste sich rechtfertigen, warum das nicht seine Frau übernähme. Ein weiteres Problem ist, dass Männer bis heute einfach noch immer besser bezahlt werden. Dann bleibt im Zweifel in der Elternzeit doch die Frau zu Hause. Deshalb ist es leider immer noch vorrangig ein Frauenthema. Aber daran arbeiten wir ja.
Die Online-Befragung für Zahnärztinnen bis zum 50. Lebensjahr, die in Mecklenburg-Vorpommern tätig sind, finden Sie hier.