Nun ist es gekommen, wie erwartet. Die Gematik ist auf dem harten Boden der Realität gelandet.
Denken wir wenige Monate zurück. Die TI hatte ihren ersten gravierenden Störfall. Über Wochen war der Onlineabgleich der Versichertenstammdaten in 80.000 Zahn-/Arztpraxen nicht möglich. Die Konnektoren konnten sich nicht mit der TI verbinden. Die Ursache dafür war eine Aktualisierung des „Vertrauensankers“ in der TI. Die Arvato Systems, Teil des Bertelsmann-Konzerns, ist für den Betrieb der TI verantwortlich. Zur Behebung des Fehler mussten etliche Praxen ihre IT-Servicepartner beauftragen. In einer kühnen These hatte die Gematik diese Kosten als Teil der „Betriebskostenpauschale“ deklariert. Da hatte sie wohl übersehen, dass wir in einer Marktwirtschaft leben, in der Verträge gelten und nicht Wünsch-Dir-was.
Immerhin stellte die Gematik ganz klar: „Selbstverständlich trifft die Leistungserbringer keine Schuld an der Situation.“ Keine Schuld, keine Kosten, sollte man meinen. Nun stellten die von den Praxen beauftragten IT-Firmen doch Rechnungen. Nicht ganz überraschend, denkt da manch einer bei klarem Verstand. Zusätzliche Arbeit verursacht zusätzliche Kosten. Und die schenkt ein Unternehmen üblicherweise nicht daher, wenn es überleben möchte.
Dann berichtete das „Handelsblatt“ von einer überraschenden Wende: In einem Schreiben der KBV heiße es, dass die Gematik nun doch die Kosten übernehme. Das bestätigt die Gematik auch auf unsere Anfrage: „Die Gematik bekräftigt ihre Betriebsverantwortung der zentralen Telematikinfrastruktur, unabhängig davon, dass der aufgetretene Fehler beim Wechsel des Vertrauensankers nicht durch die Gematik verursacht ist. Sie erstattet Praxen die Kosten, die durch IT-Dienstleister bei der Behebung des fehlerhaften Wechsels des DNSSec-Vertrauensankers entstanden sind und die nicht bereits durch die TI-Betriebskostenpauschale abgedeckt sind. Damit übernimmt sie die ihr gesetzlich zugewiesene Betriebsverantwortung in dem Umfang, wie Kosten bei Praxen eingetreten sind.“
Oha. Es werden Kosten für einen Fehler übernommen, den die Gematik gar nicht verursacht hat? Immerhin bleiben jetzt nicht Praxen auf den Kosten sitzen, die ja auch noch den TI-Fehler mit zusätzlichem Aufwand ausbaden mussten. Weiter schreibt die Gematik: „Die Erstattung erfolgt ausschließlich und ausdrücklich aus Kulanz, auf schriftliches Verlangen eines Leistungserbringers oder einer Leistungserbringerinstitution (etwa via E-Mail), einmalig je Konnektor, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht in der nachgewiesenen Höhe für Mehrkosten aufgrund der DNSSec-Störung bis zu einem Höchstbetrag von maximal 150 Euro inklusive Umsatzsteuer ... Es werden Erstattungsanfragen berücksichtigt, die bis 18. September 2020 bei der Gematik eingegangen sind.“
Fein raus? Wohl kaum. Das BMG ist zu 51 Prozent Hauptgesellschafter der Gematik. Und diese Gesellschaft macht auf Verantwortung light? Die Gematik ist nicht an die betroffenen Praxen herangetreten. Noch nicht einmal auf ihrer Internetseite steht etwas zur Kostenübernahme. Dann sind die Fristen lächerlich kurz. Laut „Ärzteblatt“ müssen die Zahn-/Ärzte und Psychotherapeuten sogar mögliche Schadenersatzansprüche vor der Zahlung an die Gematik abtreten. Das hat alles ein Geschmäckle. Immerhin reden wir bei 80.000 Praxen und 150 Euro Übernahme von möglichen Kosten von 12 Millionen Euro.
Die zahlt am Ende des Tages die GKV, die zu 100 Prozent die Arbeit der Gematik finaziert – also die gesetzlich Versicherten. Warum eigentlich? Wer war noch für den Betrieb der TI und den Fehler verantwortlich?