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Widerspruch gegen Honorarsanktionen

Dr. K. Ulrich Rubehn über seinen Weg durch die Instanzen:

Das Thema „TI“ mag auf der Agenda der zahnärztlichen Standespolitik zwar in der Versenkung verschwunden sein, aus den Köpfen der betroffenen Vertragszahnärzte ist das Thema noch lange nicht raus.

Da klopft man sich in den KZVen auf die Schulter angesichts hoher Anschlusszahlen und vergisst dabei, dass diese das Ergebnis einer beispiellosen Erpressung des Staates mittels Honorarsanktionen sind. Nach wie vor bringt die TI den Zahnarztpraxen keinerlei praktischen Nutzen, dafür aber reichlich Ärger und Probleme.

Sicherheitsbedenken

Kern der berechtigten Bedenken ist die mangelhafte Sicherheit persönlicher Gesundheitsdaten. Nur ein paar Fakten: Der CCC (Chaos-Computer-Club) meldet am 28. Dezember 2019, er habe sich mit eigenen Hackern Zugangsberechtigungen für das TI-Netzwerk verschaffen können. Die Gesellschaft für Telematik-Anwendungen berichtet am 19. November 2019 von Sicherheitsrisiken in 90 Prozent aller Praxen. Die Interessengemeinschaft Medizin/IG med legt Verfassungsbeschwerde ein gegen die zentrale Datenübermittlung aufgrund des Datenverarbeitungsgesetzes/DVG, weil damit die abrechnungsbegründenden Daten von den Krankenkassen an den GKV-Spitzenverband zur weiteren Verwendung weitergeleitet werden. Die KZBV belegt in einem offenen Brief im Februar 2020 die mangelhafte Datensicherheit der TI. Die KZBV berichtet in den „zm“ am 1. Juli 2020 über „technische Probleme und gestörte Kommunikation“ im Zusammenhang mit der TI. Die BZÄK resümiert dazu, dass die aktuellen Ereignisse im Zusammenhang mit der TI zu einem „erheblichen Vertrauensverlust“ geführt hätten.

Standespolitisch ist jedoch de facto niemand so recht aus dem Knick gekommen. Bei den KZVen beruft man sich auf die gesetzliche Vorgabe des SGB V, die man als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erfüllen habe. Selbst der Freie Verband hat es in einer Landesversammlung mit der Stimme des Bundesvorsitzenden für richtig gehalten, einen Antrag auf Aussetzung der Honorarsanktionen durch die KZV bis zur Klärung der datenschutzrechtlichen Risiken abzulehnen. Kommt man zu dem Ergebnis, dass Datensicherheit und Haftungsrisiken für den Vertragszahnarzt nicht hinreichend geklärt sind, wäre es die Aufgabe der Standesvertretung gewesen, hier mutig voranzugehen. Stattdessen werden mutige Kollegen ausgebremst. Eigene Risiken will man lieber nicht eingehen.

Auf dem Weg durch die Instanzen

Als altes standespolitisches Schlachtross, das nicht mehr den politischen Schlachthof zu fürchten hat, wollte und will ich derlei Appeasement nicht klaglos hinnehmen: also Klage im rechtlichen Sinne. Aus vielen Zuschriften weiß ich, wie tief der TI-Frust in der Kollegenschaft sitzt. Nur – viele Betroffene möchten sich den Mühen nicht aussetzen, dagegen anzugehen. Verständlich.
Hier kurz das Prozedere: Gegen die erfolgten Honorarsanktionsbescheide gemäß Paragraf 291 SGB V durch die KZV (immerhin um die 3.000 Euro) wurde Widerspruch beim KZV-Vorstand eingelegt. Ersatzweise war beantragt worden, die Sanktionen auszusetzen bis zur endgültigen Klärung der Fragen hinsichtlich der Datensicherheit und der Haftungsfragen. Der KZV-Vorstand hat das abgelehnt und auf die Widerspruchsstelle der KZV verwiesen, die den Widerspruch ebenfalls abgewiesen hat. Da die Entscheidung der Widerspruchsstelle nicht in dem vorgeschriebenen Drei-Monats-Zeitraum zustande kam, ist der Bescheid vermutlich schon aus formalen Gründen nichtig. Gegen diesen Bescheid wird in diesen Tagen Klage beim Sozialgericht eingereicht.

Mir geht es nicht so sehr um die einbehaltenen Honorare. Die schmerzen mich nur am Rande. Vor allem geht es um die Frage, wie weit sich die Zahnärzteschaft noch weiter kujonieren lassen soll. Die Kraft zur Auflehnung gegen widersinnige Regelungen, die im Ergebnis die Freiheitsrechte unserer Patienten einschränken, hat sehr nachgelassen. In der Kollegenschaft und in der Standesführung. Unter der Hand heißt es, der Zug sei abgefahren, man reite wohl ein totes Pferd. Ja, mag sein. Wenn das richtig ist, dann auch, weil dem Zug nicht schon beim Anrollen das rote Signal gezeigt wurde. Da fehlte manchmal wohl auch der Mut. Vielleicht will man es sich nicht verderben. Aber es gilt immer: „Wenn du nichts wagst, riskierst du umso mehr.“