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Knochenzüchtung per Tissue Engineering

Der Patient mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte im Alter von zwei Wochen und 20 Jahren

Der Patient mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte im Alter von zwei Wochen und 20 Jahren

Tissue Engineering liefert eine Perspektive zur Versorgung von Knochendefekten im Kiefer ohne Knochenentnahme aus dem Becken. Über eine neue Therapie zum Aufbau fehlender Kieferknochen berichtet die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Uniklinikums Dresden. Üblicherweise findet die Spaltosteoplastik bei der Behandlung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (LKG) mit einer Transplantation von Knochen aus dem Becken des Patienten statt. Bei einem nun 21-jährigen Patienten wurde jedoch stattdessen das Knochenmaterial für die Transplantation per Tissue Engineering gezüchtet.

Abb. 1: Der Patient im Alter von zwei Wochen

Abb. 1: Der Patient im Alter von zwei Wochen

Angeborene LKG

Der Patient wurde mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte links geboren (Abb. 1). Mit 6 Lebensmonaten wurde die Lippe, mit elf Monaten der Weichgaumen und mit 29 Monaten der Hartgaumen verschlossen. Es folgte zur Sprachverbesserung eine Reoperation des Gaumens kurz vor der Einschulung mit fünf Jahren und neun Monaten.

Da im Bereich des zahntragenden Fortsatzes gerade bei breiten Kieferspalten oft noch ein restlicher Knochendefekt beziehungsweise ein -defizit besteht, ist es notwendig, diesen aufzufüllen, um langfristig die richtige Einordnung und den Durchbruch der bleibenden Zähne zu gewährleisten (Abb. 2 und 3). Dazu erfolgt mit etwa zehn Jahren die sogenannte Spaltosteoplastik, üblicherweise mit einer Transplantation von Knochen aus dem Becken. Nicht so bei diesem jungen Mann.

Gezüchteter Knochen erspart Zweit-OP

Bei ihm wurde die Kieferspaltostoeplastik zu Beginn des Jahres 2007 notwendig. Seine Eltern hatten nach umfangreicher Besprechung und Aufklärung zugestimmt, das neuartige Verfahren der Translationalen Medizin mit Transplantation von mittels Tissue Engineering gezüchtetem Knochen anstelle von Knochen aus dem Becken anzuwenden.

Dazu wurde im Dezember 2006 in örtlicher Betäubung ein kleines Stück Oberkieferknochen (aus Regio 16) entnommen. Die Mutter spendete zehn Röhrchen Venenblut, aus dem Serum gewonnen wurde, das für die Anzüchtung der Knochenzellen in Zellkultur notwendig ist. Aus dem Knochengewebe wurden im Kultivationsmedium mit dem Serum der Mutter die Knochenzellen (Osteoblasten) gezüchtet. Nach etwa dreimaligem Umsetzen und Teilen der Zellen in Kulturflaschen hatten sich diese ausreichend vermehrt. Mit diesen Zellen wurden dann drei Tage vor der Transplantation poröse, knochenähnliche Trägermaterialien besiedelt (in diesem Fall die entmineralisierte Knochenmatrix Osteovit). Die Osteoblasten wuchsen auf dem Material an. Im Februar 2007 wurde dann die Kieferosteoplastik im Oberkiefer links (Regio 22) mit dem autogenen Tissue-Engineering-Knochen durchgeführt (Abb. 4, 5 und 5a).

Spontandurchbruch eines bleibenden Zahns

Schon wenige Wochen später kam es zum Spontandurchbruch von Zahn 23, des bleibenden linken Eckzahnes durch den neu gebildeten Kieferknochen (Abb. 6 und 7). Bis Oktober desselben Jahres waren dann beide Eckzähne (13 und 23) durchgebrochen und konnten kieferorthopädisch eingestellt werden.

Da trotz des erfolgreichen Verschlusses der Kieferspalte bei Nichtanlage der seitlichen Schneidezähne der Oberkiefer im Vergleich zum Unterkiefer zu schmal war und zu weit hinten lag, wurden bei dem Patienten nach Abschluss des Kieferwachstums noch zwei kieferverlagernde Operationen und eine Lippen-/Nasenkorrektur durchgeführt. Heute hat der junge Mann keinerlei Beeinträchtigungen, und niemand ahnt von seinem schweren Start ins Leben (Abb. 8 bis 10).

Abb. 11: DVT-Aufnahmen; links unmittelbar nach der OP (kein Knochen in der Kieferspalte, nicht mineralisches Biomaterial nicht sichtbar)und rechts sechs Monate später (Zahn 23 im Durchbruch Knochen in der Kieferspalte sichtbar)

Abb. 11: DVT-Aufnahmen; links unmittelbar nach der OP (kein Knochen in der Kieferspalte, nicht mineralisches Biomaterial nicht sichtbar)und rechts sechs Monate später (Zahn 23 im Durchbruch Knochen in der Kieferspalte sichtbar)

Dieses Beispiel zeigt, dass translationales Vorgehen mittels Tissue Engineering-Knochen ein ebenso gutes klinisches Resultat liefern kann wie die herkömmliche Technik, jedoch mit dem gravierenden Vorteil der deutlich geringeren Entnahmemorbidität. Die DVT-Röntgenbilder (Abb.11) zeigen die Verknöcherung im Areal des transplantierten Gewebes.