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„No-Performance“: Massive Kritik an der Gesundheitspolitik

KZBV-Vertreterversammlung: Ampel-Koalition unfähig zur Gestaltung

Die 4. Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) Anfang Juni in Frankfurt am Main zeichnete ein düsteres Bild von der Zukunft des Gesundheitssystems in Deutschland, ja, von der Zukunft des Landes selbst: kein Geld in der Kasse, konstante Angriffe auf das bewährte System der Selbstverwaltung, Dialogbereitschaft in homöopathischer Dosierung, Politik gegen oder an den Leistungsträgern vorbei und politische Weichenstellungen, die direkt in ein staatlich gelenktes Gesundheitswesen führen. Von Fakten, die aus politischen Gründen geflissentlich übersehen und ignoriert werden, gar nicht zu sprechen.

Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstands der KZBV, konnte in seiner Eröffnungsrede zur Vertreterversammlung kein einziges positives Signal aus Berlin nennen, das Anlass zu Optimismus geben könnte. Schlimmer noch, in vielen Belangen gebe es überhaupt kein Signal. No-Performance statt Low-Performance lautete sein kompaktes Statement zu den bisherigen Ergebnissen der Ampel-Koalition – schlimmer geht es kaum noch. 

Dialog? Fehlanzeige. Angesichts chronisch leerer Kassen gehe man in Berlin der Aufgabe, Zukunft zukunftsfähig zu gestalten, lieber gleich ganz aus dem Weg. Hendges macht aber noch einen anderen Grund aus, der nicht nur die Zukunft des Gesundheitssystems gefährdet, sondern die Zukunft des Landes gleich mit: „Die Frage, warum nichts passiert, lässt sich schnell und einfach beantworten: Die Ampel ist heillos zerstritten und damit grundsätzlich nicht mehr fähig, gestalterisch tätig zu werden, geschweige denn effektive Reformen einzuleiten.“

„Nicht die Zeit 
für Resignation“

Trotz dieser angespannten „politischen Großwetterlage“ und ernüchternder bis nicht vorhandener Arbeitsergebnisse der Berliner Ampel sei jetzt allerdings „nicht die Zeit für Resignation, für das Wecken falscher Erwartungshaltungen oder gar für Politikverdrossenheit“, so Hendges. Im Gegenteil, man wolle die Politik auch weiterhin beharrlich und in hoher Frequenz mit Fakten konfrontieren, Forderungen artikulieren und sich aktiv in die Gesetzgebung einbringen. Kurz, „von dieser Vertreterversammlung aus ein deutliches und unüberhörbares Signal Richtung Berlin schicken!“

Dass die „Hütte brennt“ lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass die Zahnärzteschaft den Schulterschluss mit den kaum weniger betroffenen „Nachbar-Disziplinen“ sucht. Man stehe, so Hendges, im Protest gegen die Gesundheitspolitik von Bundesgesundheitsminister Lauterbach keineswegs allein da, sondern „Seite an Seite“ mit den Ärzten, den Apothekern und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. 

So waren mit Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, und Mathias Arnold, Vizepräsident der ABDA, hochrangige Gäste zur VV eingeladen. Dieses Zusammenstehen der tragenden Säulen des Gesundheitssystems in der Not allein zeigt bereits, wie ernst es um die Gesundheit des Patienten Gesundheitssystem bestellt sein muss.

Gleichzeitig ist schon jetzt abzusehen, wie viel schwerer es künftig werden wird, sich mit fachlich und versorgungspolitisch gut begründeten Argumenten, so konstruktiv sie auch sein mögen, in die Diskussion um die Gestaltung des Gesundheitssystems einbringen zu können. Denn ob es Zahnärzte, Ärzte, Apotheker oder Krankenversicherer sind, deren Vertreter werden neuerdings samt und sämtlich als „Lobbygruppen“ diffamiert.

Diffamierung eines Grundprinzips

Den Vertretern der gesetzlich gewollten und gesetzlich verankerten Selbstverwaltung wird unterstellt, wie Hendges ein Zitat Lauterbachs wiedergab, „Gesetze so zu beeinflussen, dass sie nicht mehr wirken“. Nicht die Gesetze seien fehlerhaft, vielmehr macht der Minister „Lobbyverbände“ dafür verantwortlich, dass es in den vergangenen Jahren viele Gesetze gegeben habe, „die nie die Wirkung entfaltet hätten, die notwendig gewesen wäre“. 

Die sogenannte Berliner Lösung des Problems: Dialog einstellen oder unmöglich machen, Fakten schaffen, Konsequenzen aussitzen und das Prinzip Selbstverwaltung am besten ganz abschaffen.

Am Beispiel Telematikinfrastruktur lässt sich ablesen, wie die Reise in Richtung Aushebelung der Selbstverwaltung verlaufen könnte. Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt, hier mit dem Entwurf eines Gesundheits-Digitalagentur-Gesetzes. Aus Sicht von Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der KZBV und dort unter anderem zuständig für den Bereich TI, ein positiver Ansatz, sieht er doch bei der Digitalagentur „mehr Durchgriffsrechte zur Stabilisierung des TI-Betriebs“.

Der Preis dafür folgt in Schritt zwei: Die Rechte der Gematik sollen deutlich erweitert und der Kompetenzbereich vergrößert werden. Schritt drei: Die Digitalagentur wird (teilweise) an den Verhandlungen der Selbstverwaltung beteiligt. Damit aber, so Pochhammer, greift sie in originäre Belange der Selbstverwaltung ein. Was in weiteren Schritten folgen wird oder folgen könnte, kann man sich leicht ausmalen. 

Da hilft nur Geschlossenheit und die Suche nach Verbündeten, und zwar sowohl innerhalb als auch über die Grenzen des zahnärztlichen Bereichs hinaus. 

Marc Oliver Pick

Titelbild: Herman – stock.adobe.com