Unterstütztes Sehen fördert Präzision und Arbeitserfolg: Gute Abstimmung im Behandlungsraum erforderlich
Völlig zweifelsfrei – wer Präzision abliefern will, in Kronenpräparation, Implantologie, und besonders in der Endodontie, profitiert in Bezug auf die Optimierung der Erfolgsquote vom Einsatz besonderer Sehhilfen. Im oben genannten Beitrag der dzw ist Dr. Jan Koch den Vergleich Lupenbrille versus Mikroskop eingegangen. In diesem – als Ergänzung gemeinten – Beitrag soll aus der Beobachtung der Anwendung dieser beiden Sehhilfeformen sowie vor allem auf die gelegentlich im Feld anzutreffende, semioptimale Anordnung von Behandlungsmikroskopen berichtet werden.
Zunächst die kleine Lösung
Kaum jemand wird zum Zeitpunkt der Existenzgründung ein fünfstellig kostendes Mikroskop anschaffen. Zunächst muss der Griff zur bereits im Studium verpflichtend angeschafften Lupenbrille reichen. Lupenbrillen ganz allgemein gibt es in den verschiedensten Ausführungen und ebenfalls in sehr unterschiedlichen Preisklassen.
Greift man hier zu einer komfortablen und dabei qualitativ hochwertigen Lösung, stehen leicht 5.000 Euro zu Buche. Dafür bekommt man dann allerdings ein individuell justierbares, vererbungsfähiges Produkt. Ausgestattet ohne jegliches Kabel, sind die Akkus für die Beleuchtung dann in den Brillenbügeln hinter den Ohren positioniert, gut tariert im Leichtgewicht.
Wohl dem Behandler, der seine Lupenbrille in situ, direkt in der Behandlungsposition am angestammten Behandlungsplatz angemessen bekommt. Wer aus dem Katalog kauft oder im Laden des Optikers seines Vertrauens an der Ecke ausprobiert, springt zu kurz – er verpasst die Optimierung und findet später unter Umständen wenig Gefallen an seiner Anschaffung. Schließlich geht es hier nicht um eine Sehhilfe für die Sortierung der Briefmarkensammlung!
Von der Stange versus Maßanfertigung
Lupenbrillen machen dann besondere Freude, wenn ein Optiker oder ein qualifizierter Berater aus dem dentalen Umfeld die Lupenbrillenanpassung im Behandlungsraum des Bestellers vorgenommen hat und die Lupenbrille daraufhin erst gefertigt wird. Konfiguriert in beispielsweise der Behandlungsposition einer Endo-Sitzung, mit Patienten, in Zwölf-Uhr-Position und mit dezidierter Mundspiegeltechnik im OK, am korrekt gelagerten Patienten.
Dann nämlich ist die Lupenbrille auf den individuellen Sehabstand, den Augenwinkel des Behandlers sowie auf dessen Arbeitshaltung und Greiftechnik in Verbindung mit dem Zusammenspiel der Assistenz abgestimmt. Wird die Lupenbrille am Tisch im Geschäft des Optikers oder am Messestand ausgesucht, laufen Käufer Gefahr, die Anschaffung bald in der Schublade zu vergessen.
Weiter konnte mehrfach beobachtet werden, dass, ausgehend von Erfahrungen in der Behandlung mit Lupenbrille, der Wunsch nach einer weitergehenden Sichtoptimierung mittels Behandlungsmikroskop entsteht. Leider werden die so in die Behandlungsplatzsituation des Zimmers nachgerüsteten Mikroskope dann zur Enttäuschung der stolzen Besitzer gar nicht so oft eingesetzt, wie zuvor geplant.

Der Erfolg des Einsatzes von Mikroskopen muss im Gesamtzusammenhang von Zeitersparnis und insgesamt umfänglicher Abdingung gesucht werden, und natürlich auch in den positiven Eindrücken, die Patienten aus solchem Aufwand registrieren.
Mobil oder fest verbaut?
In solchen Praxen erlebt die Lupenbrille dann durchaus eine Wiedergeburt. Worin liegt dieser zunächst einmal nicht nachvollziehbare Umstand begründet? Die (nachträgliche) Integration von Behandlungsmikroskopen in einen vorhandenen Behandlungsplatz wird häufig zu flüchtig angegangen.
Unter den im Dentalbereich Mikroskope anbietenden Herstellern befinden sich nicht selten Direktlieferanten, die unabhängig von den Planern und Fachberatern des Dentalfachhandels weniger den gesamten Behandlungsraum im Blick haben. Besonders nachteilig und leichtfertig erweisen sich rollbare Mikroskopintegrationen.
Es ist blanke Theorie zu denken, dass man einen schweren Fahrfuß innerhalb von Praxen durch Türöffnungen, über Flure, vorbei an allerlei Möbeln in wechselnde Behandlungsräume zirkeln könnte. Selbst wenn das Fahrfußmikroskop in ein und demselben Raum verbleibt, ergeben sich signifikante Nachteile in der Benutzung: Solche Fahrfußadaptionen schwingen in der Positionierung nach. Das ärgert fortwährend. Der Workflow wird nachhaltig gestört.
Wand- versus Deckenmontage
Die Wandadaption scheitert zumeist an der mangelnden Tragfähigkeit der Wände sowie den zu großen Abständen zwischen Wandadapter und Patientenmund/Behanderposition. Ganz zu schweigen von der ständigen Gefahr der Kopfkollision im Behandlungsteam. Ein langer Horizontalarm, von der Wand kommend, führt ebenfalls wieder zum gefürchteten Wippeffekt. Außerdem leidet der vertikale Verstellraum des Mikroskopkopfs.
Bleibt als seriöser Befestigungspunkt die Raumdecke. Da wiederum ergeben sich ebenfalls Montagebesonderheiten. Abzuklären ist, wie die Arme der OP-Leuchte, gegebenenfalls der des integrierten Intraoral-Röntgengeräts und die des Ablagetrays mit den Mikroskopauslegern in Harmonie zu bringen sind.
Hier gilt es, sorgfältig vorauszuplanen, in welchem Umfang Kollisionen der Funktionsarme vermieden werden können. Wertige Mikroskope zeichnen sich durch elektrische Bremsen und Schwingungsdämpfer aus. Solche Konstruktionen bedingen massive Bauteile und resultieren in einem beachtlichen Gewicht, auf das die Statik der Decke zu überprüfen ist.
Ist der Montagepunkt an der Decke gefunden, gilt es, die oftmals eingebrachte Deckenabhängung zu lösen, um zu sehen, ob die Betondecke zur Aufnahme der Adapterplatte in planer Fläche zur Verfügung steht. Unterzüge, Leitungen oder gar Schächte von Klimaanlagen können die Montage erschweren und bedingen den Einsatz eines Bauschlossers zur Fertigung eines individuellen Gerüstbaus. Ideal sind tragfähige Decken mit einer lichten Raumhöhe von um die 270 bis 280 cm. Darunter geht es auch. Aber weniger als 250 cm sollten nicht vorkommen.
Werden höhere Räume angetroffen oder handelt es sich um eine Holzdecke, ist es angeraten, ein individuell vom Schlosser angefertigtes Bodengehäuse als quadratische Säule herstellen zu lassen. Diese Säule wird dann auf dem Beton des Fußbodens, unter dem Estrich befestigt. So kann eine solche Konstruktion eine Vielzahl von Funktionen aufnehmen.
Realisiert wurden an einer (1!) solchen Säule gleichzeitig Mikroskop, Ablagetray, Gerätetray (mit Chirurgiebohrgerät auf einem zweiten Tray), Handwaschbecken, Intraoral-Röntgenstrahler und OP-Leuchte. Ein schwäbischer Dentalhersteller bietet hier eine zwischen Boden und Decke verspannte Säule an. Die kann dann Funktionen aufnehmen wie Mikroskop, OP-Leuchte und Intraoral-Röntgengerät. Immer ist in die Integration der allgemeinen Raumbeleuchtung und die gegebenenfalls einzubringende Deckenabhängung zu berücksichtigen. Wir sehen – die Fachlichkeit aus einer Vielzahl von Lieferanten ist aufeinander abzustimmen.
Optimierte Behandlungsposition
Ideal ist es, wenn Behandler, mit dem Mikroskop arbeitend, eine geeignete Sitz- und Sichtposition aus zwölf Uhr einnehmen. Die Zahnachsen zeigen dann vertikal auf den Behandler und der Vektor der Instrumentenführung fördert die Feintaktilität. Zusammenhänge, die namentlich in der Endo sofort akzeptiert werden. Die recht starre Köperhaltung unter Mikroskopeinsatz bedingt eine ausgewogene Sitzhaltung: das Becken nach ventral gekippt.
Korrekte Gewichtsverteilung auf Füßen und Sitzhöckern führen bei gespannter Wirbelsäule zu ermüdungsarmer Arbeitsweise; den Workflow fördernd: ebenfalls ein Moment zur Qualitätsförderung von Behandlungsergebnissen.
Eingehend auf die Langzeitanwendung, beispielsweise an Molaren in der Endo-Sitzung, durch das Mikroskop indirekt in den geeigneten Mundspiegel sehend, soll der Behandlungsplatz dann neben der Zwölf-Uhr-Behandlerposition gern eine Assistenz in Drei-Uhr-Position plus eine zweite Assistenz für den ersten Teil der Wurzelbehandlung (koronaler Aufbau bis zum Auffinden der Kanaleingänge) in Acht-Uhr-Position rechts des Behandlers bekommen.
Im Verlauf der Sitzung schaut die links in Drei-Uhr-Position verbleibende Assistenz über die linke Schulter des Behandlers auf einen Wandmonitor und verfolgt so zwei Mundabbildungen in Ist-Zeit: das Behandlungsumfeld von etwa 40 cm um den Patientenmund herum und auf einem zweiten Bildschirmteil die Mundhöhle im Aufnahmeformat von etwa 9 cm. Die Kameras sind in die OP-Leuchte integriert und folgen dem Lichtstrahl. So werden Behandlungen unter dem Mikroskop effektiv.
Vorteil: Die Assistenz erkennt ohne Anweisung, ohne Worte und ohne selbst direkt in die Mundhöhle sehen zu müssen, welche (Endo-) Instrumente dem Behandler als nächstes abgenommen und welche ihm wieder in die Hand/in die Finger gelegt werden müssen. Der so begünstigte Behandler kann seine Augen an der Optik belassen und muss sich nicht aus der Behandlungsposition herausbewegen. Die Behandlung läuft deutlich schneller ab. Ein Umstand, den auch Patienten bemerken.
(Behandlungs-)Qualität spricht sich herum
Dann gibt es da noch den Marketing-Effekt beim Einsatz von Lupenbrillen und mehr noch von Mikroskopen. Kleine Mehrabrechnungen sind zum Einsatz von Mikroskopen in den Gebührenordnungen verankert. Die aber lohnen den finanziellen Aufwand einer Investition wie vorweg beschrieben kaum. Der Erfolg des Einsatzes von Mikroskopen muss im Gesamtzusammenhang von Zeitersparnis und insgesamt umfänglicher Abdingung gesucht werden, und natürlich auch in den positiven Eindrücken, die Patienten aus solchem Aufwand registrieren, mit nach Hause nehmen und weitersagen
Auszugsweise seien hier Bezugsquellen in Sachen Mikroskopintegration erwähnt: Sigma-Dental (Lupenbrillen mit Beratung in der Praxis), Carl Zeiss (Mikroskope), J. Morita Europe (spezieller Mundspiegel und Arbeitssessel, beides nach Beach gefertigt, Behandlungsplatz Z300, [12-Uhr/Beach]), KaVo (Centro-Säule), Dr. Mach (OP-Leuchte) und ganz allgemein Behandlungseinheiten als in Schwingenausführung.
Horst Willeweit, Bielefeld
Horst Willeweit
Nach 45 Jahren als Praxiseinrichter ist Horst Willeweit im Feld der Dienstleistungen für Dentalhandel, Herstellung sowie der Wertermittlung zahnärztlicher Praxen und zahntechnischer Labore bundesweit tätig (Abgaben/Übernahmen, materiell wie ideell/Goodwill).
Kontakt auf www.willeweit.de