Anzeige

Mundgesundheit im Alter: Was Sie bei der Behandlung beachten müssen

Behandlungssituation alter Mann

mmer mehr ältere Menschen nehmen Medikamente zur Hemmung der Blutgerinnung, was das Risiko der Blutungsgefahr bei zahnärztlichen Eingriffen erhöhen kann.

Im fortgeschrittenen Lebensalter kommt es vermehrt zu Beeinträchtigungen der oralen Gesundheit. In der Mundhöhle kommt es zu Veränderungen. Was Zahnärzte bei der Behandlung mit älteren Patienten beachten müssen.

Veränderungen der Hart- und Weichgewebsstrukturen der Mundhöhle durch Knochenabbau und den Verlust von Zähnen erfordern besonderes Augenmerk und individuell angepasste zahnärztliche Prävention und Intervention.

Gesundheitliche Einschränkungen im Alter

Die im Alter in zunehmendem Ausmaß auftretenden gesundheitlichen Einschränkungen bedingen häufig eine Vernachlässigung der notwendigen Zahnarztbesuche. Bestehende parodontale Läsionen können bei älteren Patienten exazerbieren und bei unzureichender Behandlung zu vorzeitigem Zahnverlust führen. Körperliche und mentale Einschränkungen bedingen ein Defizit bei der persönlichen Mundhygiene.

Problematisch ist auch die Situation mental und körperlich eingeschränkter alter Menschen in häuslicher Pflege oder Pflegeeinrichtungen. Hier wird der Parameter Zahngesundheit im Rahmen der Vorsorge nicht selten zu wenig beachtet. Defekte Zähne werden zu rasch gezogen, zahnärztliche Kontrollen finden nicht regelmäßig statt. Dabei ist die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Kaufunktion ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Allgemeingesundheit und der Lebensqualität.

Der Verlust der eigenen Zähne wird in vielen Fällen nur unzureichend prothetisch ausgeglichen. Ein schlechter Zahnstatus hat aber wesentlichen Einfluss auf die Nahrungsmittelauswahl der betroffenen Patienten. Feste, schwer zu kauende Nahrungsmittel wie Fleisch, Obst und Gemüse werden zugunsten eher fett- und zuckerhaltiger Nährstoffe vermieden.

Weiches Weißbrot und Kuchen können leichter zerkleinert, teilweise nur mit Hilfe der Zunge zerdrückt werden. Die Folge ist einseitige, oft protein- und vitaminarme Ernährung. Die Kaueffizienz vermindert sich signifikant mit der Anzahl der verloren gegangenen Zähne. In der Folge besteht nicht nur ein Mangel an Kauflächen, auch die Kaumuskulatur atrophiert und bedingt dadurch eine Abnahme der Kieferschließkraft. Hinzu kommt beim alten Menschen auch häufig das Problem zunehmender Mundtrockenheit.

Durch die verringerte Speichelproduktion wird die Nahrung unzureichend schlüpfrig gemacht, dies wiederum führt zu Schluckschwierigkeiten und Dysphagie. Die empfindliche Mukosa wird nicht mehr ausreichend durch einen Speichelfilm gegen diverse Noxen geschützt, die entstehenden kleinen Verletzungen und Erosionen bilden einen idealen Nährboden für potenziell pathogene Mikroorganismen und sind daher Substrat für weiteres Entzündungsgeschehen. Ursachen der Xerostomie sind vielfältig und reichen von zu geringer Trinkmenge über hormonelle Einflüsse und Speicheldrüsenerkrankungen bis zu Nebenwirkungen von Medikamenten.

Mundgesundheit ist keine Einbahnstraße

Die Prävention und Behandlung oraler Probleme beim alten Patienten stellen an den Zahnarzt ganz spezifische Anforderungen. Mehr noch als sonst sind hier ganzheitliche Problembetrachtung und interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Allgemeinmediziner oder Internisten erforderlich. Die exakte Anamnese und deren laufende Aktualisierung hinsichtlich neu auftretender Grunderkrankungen und laufender Dauermedikationen sind ein wichtiger Eckpfeiler für die Erhaltung der Mundgesundheit.

Gerade die im Alter häufigen Leiden wie Diabetes mellitus, Rheuma und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems stehen bekanntermaßen in enger Wechselwirkung mit oralen Entzündungen. Diese Krankheiten sind Triggerfaktoren von Parodontitis und Stomatitis. Andererseits wirken sich aber auch bestehende orale Entzündungen auf den gesamten Organismus aus und beeinflussen damit negativ den Verlauf bestehender chronischer Grunderkrankungen.

Viele im Alter erforderliche Medikamente haben unmittelbare Auswirkungen auf die Speichelproduktion. So kann eine Reihe von Blutdruckmedikamenten, Psychopharmaka und Schmerzmitteln zu Xerostomie führen. Nur die koordinierte Behandlung der oralen und der systemischen Beschwerden kann letztendlich ein für den Patienten befriedigendes Resultat erbringen. Nicht nur im niedergelassenen zahnärztlichen Bereich, sondern auch in Pflegeeinrichtungen besteht daher dringender Bedarf an Information über ganzheitliche Zusammenhänge und an individuellen Therapiekonzepten.

Die Prothese ist nicht das Ende aller Probleme

Eine gute prothetische Versorgung ist nicht mit der Anpassung des künstlichen Zahnersatzes erledigt. Zustand und Sitz der Prothese müssen regelmäßig überprüft werden. Beim herausnehmbaren Zahnersatz kommt es, besonders bei schlechtem Prothesensitz, durch die ungleiche Druckbelastung zu einer permanenten mechanischen Schleimhautreizung und Progression des Kieferknochenabbaus.

Bei Xerostomie wird durch die fehlende Gleitwirkung des Speichels die Reibung zwischen Schleimhaut und Prothese noch zusätzlich verstärkt – es kommt zu Erosionen und Ulzerationen. Besser funktionieren implantatgetragene Prothesen, welche allerdings wegen der erforderlichen operativen Maßnahmen von alten Menschen nicht selten abgelehnt werden.

Bei teilprothetisch versorgten Patienten ist auf gute Okklusion und die Gesunderhaltung der tragenden eigenen Zähne zu achten. Oft liegen beim alten Menschen die Zahnhälse frei und damit die Wurzeloberflächen exponiert. Die erhöhte Schmerzempfindlichkeit in diesem Bereich macht dann eine effektive Mundhygiene unmöglich. Die so verursachte vermehrte Plaqueakkumulation ist Auslöser rezidivierender Entzündungen.

Verarmte Keimflora begünstigt Entzündungen

Bei der Therapie oraler Entzündungen ist zudem zu beachten, dass sich die Mundflora von teil- und vollprothetisch versorgten Patienten gravierend verändert. Die im Zahnersatz enthaltenen Metalle, Legierungen und Kunststoffe beeinflussen das orale Milieu über Veränderungen des pH-Wertes und der Wärmeleitfähigkeit. Ursprüngliche ökologische Nischen wie der Sulkus werden durch andere Schlupfwinkel für Keimretention ersetzt.

Die ursprüngliche Artenvielfalt der Mundflora reduziert sich drastisch auf nur wenige Spezies. Nun bedingt aber die Verarmung des oralen Mikrobioms eine massive Störung des ökologischen Gleichgewichts. Dies hat eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen durch „fremde“ Keime zur Folge. Atypische, nicht primär zur Mundflora gehörige Bakterien und Pilze können die neuen Nischen besetzen und erhebliche Schäden verursachen. Diese Tatsachen erfordern vom Zahnarzt sorgfältig geplante Interventionen und bei Bedarf eine mikrobiologische Analyse des verursachenden Erregerspektrums.

(Nachdruck aus Zahn.Medizin.Technik, Wien, Ausgabe 11/2016, mit freundlicher Genehmigung des Verlags und der Autoren)