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Mutterschutzlohn statt Elternzeit?

Das Mutterschutzgesetz verlässt die Kinderstube

Das Mutterschutzgesetz verlässt die Kinderstube

Mit Beginn des Jahres 2018 ist das neue Mutterschutzgesetz (MuSchG) in Kraft getreten – und mit dem Gesetz auch zahlreiche Neuregelungen, die konkrete Auswirkungen auf den Praxisalltag haben werden. Ab dem 1. Januar 2019 wird zur Durchsetzung des Mutterschutzes zudem ein neuer Bußgeldkatalog in Kraft treten.

Derzeit gibt es vermehrt Fälle, in denen stillende Arbeitnehmerinnen bewusst darauf verzichten, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Stattdessen teilen sie mit, ihr Kind zu stillen, und fordern den Arbeitgeber auf zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung möglich oder ein Beschäftigungsverbot auszusprechen ist.

Der Hintergrund: Während bei Inanspruchnahme von Elternzeit das Elterngeld gesetzlich auf einen Höchstbetrag von 1.800 Euro gedeckelt ist, gibt es eine solche Deckelung beim sogenannten Mutterschutzlohn nicht. Der Mutterschutzlohn wird der Mutter während der Dauer eines Beschäftigungsverbots, das sich aufgrund der Schwangerschaft oder aufgrund ihrer Stillzeit ergibt, in voller Höhe des bisherigen Verdienstes durch den Arbeitgeber ausgezahlt. In diesem Fall kann sich der Praxisinhaber die Lohnzahlung in aller Regel von der Krankenkasse erstatten lassen, denn durch die für Arbeitgeber verpflichtende Entgeltfortzahlungsversicherung sollen gerade solche Zahlungen aufgefangen werden.

Auf den ersten Blick wirkt dieses Modell wie eine elegante Lösung – die Versicherung erstattet dem Arbeitgeber das Gehalt für die angestellte schwangere oder stillende Frau in voller Höhe. Die nun eingetretenen Änderungen setzen dieser Lösung aber formelle und inhaltliche Grenzen, die zwingend zu beachten sind, um sich vor hohen Regressforderungen der Krankenkassen und Bußgeldbescheiden der Aufsichtsbehörde zu schützen.

Rechtlicher Hintergrund: Prinzipiell besteht nach dem ebenfalls neu gefassten Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) ein Anspruch des Arbeitgebers gegenüber der Krankenkasse auf Rückerstattung des gezahlten Arbeitsentgelts bei Beschäftigungsverboten im Rahmen des Mutterschutzes. Die Zahlungen können von den Krankenkassen aber zurückgefordert werden, wenn der Arbeitgeber wusste oder auch nur hätte wissen müssen, dass ein Anspruch nach dem Mutterschutzgesetz auf Lohnfortzahlung für die Angestellte tatsächlich nicht bestand.

Ein Anspruch auf Erstattung des Mutterschutzlohns bei betrieblichen Beschäftigungsverboten besteht aber nur dann, wenn dem Arbeitgeber oder der Arbeitnehmerin die in Paragraf 13 MuSchG festgeschriebenen Alternativen zum Beschäftigungsverbot nicht zumutbar sind.

In der Neuregelung hat der Gesetzgeber eine Rangfolge von Schutzmaßnahmen verpflichtend festgelegt, um pauschalen, der tatsächlichen Sach- und Rechtslage nicht gerecht werdenden Beschäftigungsverboten durch den Arbeitgeber vorzubeugen. So hat der Arbeitgeber zunächst Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zu ergreifen, um die Schwangere oder Stillende vor Gefahren des Arbeitsplatzes zu schützen. Sollte der Arbeitgeber diese Gefahren nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand beseitigen können, so muss er prüfen, ob die Arbeitnehmerin an anderer Stelle in der Praxis gefahrlos eingesetzt werden kann. Hierbei ist wiederum darauf zu achten, dass der Arbeitnehmerin die Arbeit und dem Arbeitgeber ihr dortiger Einsatz zumutbar sind. Erst wenn auch diese zweite Option nicht greift, darf der Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot aussprechen und sich das weiter zu zahlende Entgelt von der Krankenversicherung erstatten lassen.

Der Regress der Krankenkasse droht also demjenigen Praxisinhaber, der an dieser Stelle allzu vorschnell ein Berufsverbot gegenüber der Mitarbeiterin ausspricht, ohne die angesprochenen Möglichkeiten vorab und substanziell geprüft zu haben.

Aber auch für die stillende Arbeitnehmerin ist der Weg „Beschäftigungsverbot statt Elternzeit“ zumindest nicht ganz ohne Risiko, denn während sie während einer Elternzeit vor Kündigungen gesetzlich geschützt ist, so gilt der Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes in der Regel nur bis vier Monate nach der Entbindung (Paragraf 17 MuSchG). Ist die Angestellte aufgrund eines betrieblichen Beschäftigungsverbots von der Arbeit freigestellt, so unterfällt sie nach Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung dem besonderen Kündigungsschutz nicht mehr.

Pflichten von Praxisinhabern: Damit jeder Praxisinhaber die gewissenhafte Prüfung der Voraussetzungen eines Beschäftigungsverbots vornehmen kann, verpflichtet ihn das neue Mutterschutzgesetz bereits im Vorfeld, eine Gefahrenanalyse der Arbeitsbedingungen in der Praxis vorzunehmen und diese auch mit Unterlagen zu dokumentieren. Bereits in der Analyse sollen Überlegungen angestellt werden, wie im Falle einer Schwangerschaft der Mutterschutz am Arbeitsplatz sichergestellt werden kann.

Sobald der Arbeitgeber von der Schwangerschaft erfährt, hat er die Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen und die Schwangere durch Aushändigung der Gefährdungsbeurteilung der Praxis und durch ein beratendes Gespräch zu informieren. Die Aufsichtsbehörde hat jederzeit das Recht, die Gefährdungsbeurteilung der Praxis einzusehen, und kann sogar selbst Maßnahmen treffen, um den Mutterschutz effektiv sicherzustellen.

Ab dem 1. Januar 2019 tritt sodann der neue Bußgeldkatalog zum Mutterschutzgesetz in Kraft. Sollten die Praxisbetreiber bis dahin keine Gefährdungsbeurteilung ihrer Praxis im Hinblick auf den Mutterschutz durchgeführt haben, drohen Bußgelder durch die Aufsichtsbehörde. Darüber hinaus sind Arbeitgeber gehalten, das Mutterschutzgesetz ihren Arbeitnehmerinnen jederzeit zugänglich zu machen, sei es durch einen Aushang oder in digitaler Form.

Björn Stäwen, LL.M., Münster

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