Sie denken dabei vielfach an eine richtige Narkose – dabei gibt es eine ganze Reihe von wesentlich weniger belastenden Verfahren, um nervösen oder ängstlichen Patienten eine entspannte Behandlung zu ermöglichen oder anstrengende Eingriffe wie in der Implantatchirurgie oder Prothetik besser zu bewältigen.
Vor allem die Lachgassedierung hat in Deutschland dank moderner Geräte in den Zahnarztpraxen eine Renaissance erlebt – in vielen anderen europäischen Ländern und in den USA wird sie schon seit langem in der Zahnmedizin erfolgreich eingesetzt. Entscheidend ist aber eine gute und fundierte Ausbildung des Zahnarztes und seines Teams. Dr. med. Frank D. Mathers, Facharzt für Anästhesiologie, ist einer der Spezialisten für die Sedierung in der Zahnarztpraxis, der sein Wissen in entsprechenden Kursen vermittelt, so zum Beispiel am 10. und 11. Juni 2016 in Herne (Haranni Academie) im Kurs „360 Grad Dentale Sedierung mit Lachgas und weiteren Sedativa“. Im folgenden Interview gibt er Auskunft zum aktuellen Stand der Lachgassedierung.
Die Lachgassedierung ist zurzeit ein hochaktuelles Thema. Wie spiegelt sich das in den Zahnarztpraxen wider?
Dr. Frank D. Mathers: Für viele Patienten stellt der Gang zum Zahnarzt eine emotionale Belastung dar. Das reicht von leichtem Unwohlsein bis hin zur Zahnarztphobie. Das bedeutet nicht nur für den Patienten eine Stresssituation, sondern auch für den Zahnarzt und sein Praxisteam. Ängstliche Patienten kosten Zeit und bringen den Praxisablauf durcheinander. Vollnarkosen sind teuer, aufwendig und risikoreich. Zudem wird es immer schwieriger, Anästhesisten zu finden, die Intubationsnarkosen in Zahnarztpraxen durchführen. Daher sehen immer mehr Zahnärzte in der leichten Sedierung mit Lachgas eine gute Alternative.
Lachgas bietet für Patient und Behandler viele Vorteile. Es ist eine sehr sichere Methode und sie ist gut steuerbar. Durch die schnell einsetzende und wieder abklingende Wirkung kann die Sedierung auch während der Behandlung auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden. Der Zeitaufwand ist sehr gering und kann problemlos in den laufenden Betrieb integriert werden. Behandlungen, die sonst gar nicht oder nur mit großem Aufwand möglich waren, können unter Lachgas ausgeführt werden. Außerdem ist das Angebot der Lachgassedierung natürlich auch ein Marketing-Vorteil gegenüber anderen Praxen. Als Alleinstellungsmerkmal dient es der Patientenbindung ebenso wie der Gewinnung von neuen Patienten.
Was sind die üblichen Anwendungsgebiete der Lachgasinhalation in der Zahnmedizin?
Mathers: Die dentale Sedierung mit Lachgas eignet sich durch seine entspannende Wirkung insbesondere für Patienten mit leichter bis moderat ausgeprägter Angst vor der Zahnbehandlung. Eine der positiven Eigenschaften ist das veränderte Zeitgefühl der Patienten, die die Behandlung als angenehm und vor allem viel kürzer wahrnehmen, als sie tatsächlich ist. So können komplexe Behandlungen in einer Sitzung absolviert werden, die man sonst auf verschiedene Termine aufteilen müsste. Tatsächlich werden mittlerweile sehr viele 8er-Extraktionen unter Lachgas durchgeführt.
Eine weitere positive Eigenschaft von Lachgas ist die Unterdrückung eines stark ausgeprägten Würgereizes. Da die Inhalation schnell wirkt und genauso schnell wieder nachlässt, ist sie auch eine gute Möglichkeit für kurzfristige Abdrücke.
Was sind die klassischen Indikationen beziehungsweise Kontraindikationen bei der Sedierung mit Lachgas?
Mathers: Das Tolle ist, dass es für die Anwendung von Lachgas nur wenige Einschränkungen gibt. Von Kindern bis hin zu älteren Menschen sind prinzipiell alle Patienten geeignet, die den ASA-Kategorien 1 und 2 angehören. Also gesunde Menschen oder Patienten mit leichten systemischen Erkrankungen, die gut eingestellt sind. Entscheidend für das Gelingen der Sedierung ist die Kooperationsfähigkeit des Patienten. Das gilt vor allem bei kleinen Kindern, aber auch bei dementen oder mental retardierten Personen.
Absolute Kontraindikationen gibt es tatsächlich nur wenige. Zum Beispiel bei einem Pneumothorax oder nach einer kürzlich stattgefundenen Vitrektomie, einer speziellen Augenoperation, darf nicht mit Lachgas gearbeitet werden. Auch Schwangere sollten sowohl als Patient als auch als Personal nicht der Lachgasinhalation ausgesetzt werden.
Was sollten Zahnärzte bei der Behandlung von Kindern im Zusammenhang mit der Sedierung mit Lachgas berücksichtigen?
Mathers: Kinder reagieren weniger empfindlich auf Lachgas als Erwachsene. Bei Erwachsenen titriert man die Dosierung langsam hoch, denn bei einer zu schnellen Steigerung kann es zu Übelkeit oder Unwohlsein kommen. Bei Kindern hingegen empfiehlt man sogar die „Blitzeinleitung“, bei der man gleich mit einer Konzentration von 50 Prozent startet. Das ist vor allem bei kleinen oder sehr unruhigen Kindern sinnvoll, bei denen die beruhigende Wirkung möglichst schnell einsetzen soll.
Ansonsten unterscheidet sich die Lachgassedierung von Kindern und Erwachsenen gar nicht so sehr. Bei Kindern hat sicherlich die Verhaltensführung einen höheren Stellenwert. Kinderzahnärzte haben da oft besondere Maßnahmen, die in der Kombination mit Lachgas hervorragend funktionieren.
Davon kann man viel auch für ältere Personen übernehmen, denn wir reden ja hier von ängstlichen oder unruhigen Patienten. Gezielte Ansprache, mit Anleihen aus der Verhaltensführung oder auch Hypnose, kann die Wirkung der Lachgassedierung unterstützen.
Was sind die Voraussetzungen — organisatorisch, personell, auf der kommunikativen Ebene –‚ um Lachgassedierung anwenden zu können?
Mathers: Die Lachgassedierung ist eigentlich in jede Praxis problemlos zu integrieren. Es ist kein Umbau nötig, da die modernen Lachgasgeräte sehr platzsparend gebaut sind und auch farblich schöne Akzente setzen können. Wichtig ist, dass die Absaugung gut funktioniert, damit die Raumluft für Behandler und Personal nicht zu stark kontaminiert wird. Dazu kann man die vorhandene Absauganlage verwenden.
Neben der Geräteanschaffung ist vor allem eine qualifizierte Ausbildung wichtig. Zahnärzte müssen nach deutschen und international gültigen Richtlinien eine mindestens zweitägige Fortbildung besuchen. Auch die Kursinhalte sind genau vorgegeben, so dass man sich im Vorfeld genau über die angebotenen Kurse informieren sollte. Hilfestellung gibt da die Deutsche Gesellschaft für dentale Sedierung (DGfdS).
Wir empfehlen im Übrigen, auch das Praxispersonal in der Fortbildung miteinzubinden. Die ZFA ist eine sehr wichtige Unterstützung in der täglichen Anwendung von Lachgas und erleichtert den Ablauf für den Zahnarzt, sowohl organisatorisch als auch in der Patientenkommunikation.