MIH: „Der typische Fall ist der weiße Fleck am Frontzahn“
Hier stellte Prof. Katrin Bekes (Universitätsklinik Wien) in ihrem Vortrag zur Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) zunächst deren Krankheitsbild vor: systemisch bedingte Hypomineralisation der ersten bleibenden Molaren und Frontzähne. Die Defekte zeichnen sich klinisch durch eine Veränderung in der Transluzenz des Schmelzes aus, die Zähne haben weiße, cremefarbene, gelbe oder braune Flecken. Aber: „Der typische Fall ist der weiße Fleck am Frontzahn“, betonte sie.
Bekes stellte unter anderem eine Studie aus dem Jahr 2012 vor, in der 2.390 Kinder im Alter von 8 bis knapp 9 Jahren in vier deutschen Städten verglichen wurden: Waren in Düsseldorf 14,6 Prozent und in Hamburg 14 Prozent der Kinder von MIH betroffen, waren es in Heidelberg nur 6 Prozent und in Greifswald sogar nur 4,3 Prozent. Die Ursache dieser regionalen Unterschiede ist bisher unklar. Außerdem gebe es bisher viel zu wenige praktische Studien zu diesem Thema. Zum Vergleich: Mit 28,7 Prozent ist die Erkrankung bei 12-Jährigen inzwischen weiter verbreitet als Karies (18,7 Prozent).
Eine besondere Herausforderung sei auch die hohe Schmerzempfindlichkeit der betroffenen Zähne, was unter anderem zu einem mangelhaften Hygieneverhalten führt, so Bekes. Als Therapie empfiehlt sie – je nach Schweregrad und Schmerzsymptomatik – neben dem zweimal täglichen Putzen mit fluoridierter Zahnpasta die wöchentliche Intensivfluoridierung (zum Beispiel mit Elmex Gelée) und mehrmals im Jahr den Auftrag eines hochkonzentrierten Fluoridlacks. Zur Linderung der Schmerzsymptomatik biete die Behandlung mit der Elmex Sensitive Professional Desensibilisierungspaste einen neuen Ansatz.
Im Rahmen einer erst kürzlich veröffentlichten klinischen Studie führe die einmalige Applikation der Desensibilisierungspaste, verbunden mit der häuslichen Anwendung der Elmex Sensitive Professional Zahnpasta zur sofortigen Schmerzlinderung, die über acht Wochen anhalte (alle genannten Produkte von CP Gaba).
Zahnmedizinische Versorgung von Migranten
„,Migrantenmedizin‘ rückt zunehmend in den Fokus“, so Prof. Dr. Dr. Dr. Dominik Groß (Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Aachen). Migranten seien schlechter über Prophylaxe informiert und würden daher eine erhöhte Kariesprävalenz aufweisen. Diese kämen dann oft erst als Notfall in die Praxis. Hier käme es oft zu Verständigungsschwierigkeiten, was zu Fehldiagnosen und falschen Therapien führen könnte; daher würden dieser Patientengruppe auch überdurchschnittlich mehr Medikamente verordnet.
Zur besseren Verständigung empfahl er den Praxen, diesen Patienten eine „Schmerzskala“ auszuhändigen, auf der diese dann zeigen können, wie groß ihr Schmerz ist. Auch gab er zu bedenken, dass Krankheit nicht für alle Patienten organbezogen sei – in manchen Kulturen werde Krankheit als Schicksal gesehen.
Um Missverständnisse, die oft auch auf Vorurteilen beruhen, zu vermeiden, ermutigte Groß die Teilnehmer, bei Unsicherheit den Patienten einfach zu fragen. Hierfür sei gerade für kleine zahnärztliche Praxen zum einen ein regionales Netzwerk für Unterstützungsdienste (zum Beispiel Übersetzungen) wünschenswert, zum anderen aber auch Mediatoren für Migranten – „das heißt ,Schlüsselpersonen‘ aus den Migrantengemeinschaften, die Hilfestellungen bei der Behandlung von Migranten anbieten“.
In diesem Zusammenhang empfahl er das MiMi-Mediatorinnenkonzept des Ethno-Medizinischen Zentrums in Hannover: Bikulturelle Schlüsselpersonen mit guten Kenntnissen werden in den beiden relevanten Sprachen zu Oralprophylaxe-Mediatoren fortgebildet und im Rahmen spezifischer Kampagnen eingesetzt. Weitere Informationen auf der Website des Ethno-Medizinischen Zentrums.
Steigender Bedarf bei Behandlung von Parodontalerkrankungen
PD Dr. Dirk Ziebolz (MSc, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie Universität Leipzig) ging in seinem Vortrag auf die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie und die dort erhobenen Daten zur Kariesprävalenz ein. „Ich glaube nicht, dass wir ein Kariesproblem haben“, sagte er, denn gemäß DMS V habe sich die Karieslast in allen Altersgruppen und über alle sozialen Schichten hinweg verringert. Allerdings betonte er, dass man viele Patienten im Alter von 18 bis 35 „verlieren“ würde: „Da passiert was, und es wäre interessant, zu wissen, was hier passiert.“
Auch Prof. Dr. Dr. Thomas Hoffmann (Universitätsklinikum der TU Dresden) bezog sich auf die DMS V, die er begleitet hat: Zwar nehme die Zahl der Menschen mit Parodontalerkrankungen ab, allerdings sei davon auszugehen, dass die Prävalenz aufgrund der Art der Befunderhebung an Indexzähnen im Gegensatz zur Untersuchung aller Zähne deutlich unterschätzt werde. Darüber hinaus sei aufgrund der demografischen Entwicklung und der zunehmenden Erkrankungshäufigkeit im höheren Lebensalter für die Zukunft mit einem steigenden parodontalen Behandlungsbedarf zu rechnen. Laut Hoffmann bedarf es deshalb einer individualisierten Zahnmedizin sowie einer besseren parodontologischen Ausbildung an den deutschen Universitäten unter Berücksichtigung der „Alterszahnheilkunde“.
Prof. Dr. Nicole Arweiler (Universitätsklinikum Gießen und Marburg) informierte über die chemische Plaquekontrolle sowie den Beitrag der Mundspüllösungen in der häuslichen Mundhygiene.
Das neue Meet-&-Talk-Format gab den Teilnehmern die Gelegenheit, an vier interaktiven Stationen in direkten Kontakt mit den Experten zu treten und konkrete Fragen zu den jeweiligen Themen zu diskutieren. Insgesamt wurden vier Themenblöcke angeboten:
- „Abbau von Berührungsängsten bei Menschen mit Behinderung“ (Prof. Dr. Roswitha Heinrich-Weltzien, Zahnärztin Heide Klatt, beide Universität Jena)
- „Produkt-, Indikations- und patientengerechte Anwendung bei der Intensivfluoridierung“, (PD Dirk Ziebolz, Dentalhygienikerin Sabrina Dogan);
- „Dentale Erosionen“ (Dr. Philipp Kanzow, MBA, Universitätsmedizin Göttingen) sowie
- „MIH-Patienten“ (Prof. Bekes, Prophylaxe-Assistentin Susanne Kugler)
Birgit Strunk