Eine aktuelle Studie der Agentur Associated Press (AP) lässt Zweifel am Nutzen von Zahnseide aufkommen – BZÄK hält weitere Studien für sinnvoll
„Zahnseide total wirkungslos“ – Mit dieser und ähnlichen Schlagzeilen schafft es die Zahnseide erneut in deutschsprachige Medien und sorgt im diesjährigen Sommerloch für heftige Diskussionen in der Fachwelt. Wie es zu diesem erstaunlichen Ergebnis kam und was Zahnärzte jetzt wissen sollten.
Seit Jahren propagieren Zahnärzte, dass die Verwendung von Zahnseide zur Reinigung der Zahnzwischenräume ein absolutes Muss für eine gute Mundhygiene ist. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie wecken allerdings erhebliche Zweifel an dieser Empfehlung. Ist die Wirksamkeit von Zahnseide wirklich erwiesen? Laut einem Studienbericht der Nachrichten- und Presseagentur Associated Press (AP) zum Wirkungsgrad von Zahnseide lautet die Antwort nein. Demnach seien die positiven Effekte regelmäßiger Verwendung von Zahnseide als Bestandteil der täglichen Mundhygiene wissenschaftlich weder bewiesen, noch haltbar.
Metastudie wertet 25 Einzelstudien aus
Die Agentur Associated Press hatte beim US-Ministerium für Gesundheitspflege und Soziale Dienste bereits im vergangenen Jahr wissenschaftliches Beweismaterial angefordert, das die Wirksamkeit von Zahnseide belegen könne. Statt der wissenschaftlichen Unterlagen erhielt die Agentur ein offizielles Schreiben, in dem die Existenz wissenschaftlicher Belege für den Nutzen der regelmäßigen Verwendung von Zahnseide verneint wurde. Auch aus der aktuellsten US-Ernährungsleitlinie des US-Gesundheitsministeriums verschwand die Empfehlung.
Wissenschaftliche Belege „schwach und unzuverlässig“
Eigene Nachforschungen von AP, für die 25 Studien untersucht wurden, die allesamt einen Vergleich zwischen der Zahnpflege mit und ohne Zahnseide anstellten, konnten keinen Beweis für die Nützlichkeit erbringen. Die wissenschaftlichen Belege seien insgesamt „schwach und unzuverlässig“, wiesen nur eine „geringe Qualität“ auf und zeigten ein „moderates bis großes Potenzial für eine systematische Messabweichung“.
Studien zeigen nur geringe oder gar keine Evidenz
AP kritisiert in ihrem eigenen Bericht „veraltete Untersuchungsmethoden“ und eine nur „geringe Repräsentativität dieser Studien“, weil zum Beispiel mit viel zu geringen Teilnehmerzahlen gearbeitet wurde. Die großen Konzerne, die Zahnseide in den USA vertreiben, verwiesen auf Anfrage entweder auf unglaubwürdige Studien oder gaben erst gar keine Stellungnahme ab. Das Geschäft mit der Zahnseide ist immerhin jährlich rund zwei Milliarden Dollar schwer.
BZÄK bekennt sich auch weiterhin zur Zahnseide
„Zahnseide bleibt ein wichtiges Hilfsmittel, um Interdentalräume zu reinigen“ – so lautet im Kern ein Statement der Bundeszahnärztekammer zu der angeblich erwiesenen Unwirksamkeit von Zahnseide.
„Aktuell wird über die Studienlage zum Nutzen von Zahnseide diskutiert. Die Kritik dabei bezieht sich hauptsächlich auf die Qualität der Studienlagen selbst. Diese sei unbefriedigend, die Wirksamkeit von Zahnseide nicht ausreichend durch Studien bewiesen – allerdings auch nicht widerlegt“, heißt es im BZÄK-Statement. Aus der Zusammenfassung der derzeitigen Studiensituation solle nicht abgeleitet werden, dass eine weniger gründliche Zahnpflege ausreiche.
Zahnbürste allein nicht ausreichend
Vielmehr zeige sich im Praxisalltag, dass Zahnseide ein brauchbares Hilfsmittel für die Reinigung der Zahnzwischenräume sei. Denn die Zahnbürste reinige nur etwa 70 Prozent der Zahnoberfläche. Karies und Parodontitis entstünden bei Erwachsenen aber auch im Zahnzwischenraum.
Zahnzwischenraumbürsten oder Zahnseide – eine Frage des Platzes
„Deswegen sollten auch die Interdentalräume einmal täglich gründlich von Speiseresten und bakteriellem Biofilm gereinigt werden. Denn Plaque bzw. bakterieller Biofilm sind ursächlich mitverantwortlich für die Haupterkrankungen der Mundhöhle: Parodontitis und Karies.“
Aus praktischen Erwägungen heraus seien Zahnseide und Zahnzwischenraumbürsten gut geeignet, um Beläge zu entfernen. Zahnzwischenraumbürsten seien bei offenen Zahnzwischenräumen und parodontalen Erkrankungen empfehlenswert, Zahnseide bei engen Zwischenräumen.
Grundsätzlich befürworte die Bundeszahnärztekammer jedoch weitere Studien, um eine abschließende wissenschaftliche Einordnung der Praxiserfahrungen zu dokumentieren.