Dr. Dirk Bleiel aus Rheinbreitbach bei Bonn ist Spezialist für Seniorenzahnmedizin und Vorstandsmitglied der DGAZ (Deutsche Gesellschaft für Alterszahnmedizin). Er verriet der DZW, worauf Zahnärzte, ZFAs und Pfleger bei älteren mobilen, aber auch pflegebedürftigen Patienten achten sollten.
Tipp 1: Vanillepudding oder Bier
Demente Patienten sind häufig nur schwer dazu zu bewegen, den Mund zu öffnen. Es klappt in den meisten Fällen, wenn man das Lippenrot mit einem Getränk oder einer Speise befeuchtet, die der Patient gerne mag. Was das sein könnte, wissen meistens die Angehörigen oder Pfleger. Bei manchen Personen ist es Vanillepudding, bei anderen Bier – das ist ganz individuell. Damit reibt man die zusammengepressten Lippen vorsichtig ein und merkt meistens nach kurzer Zeit, wie sie sich lockern. Sobald dies geschieht, kann der Behandler behutsam einen Finger und dann auch zwei Finger ins Vestibulum schieben. Werden die Finger nun gespreizt, öffnet sich in aller Regel auch der Mund. Der geöffnete Mund sollte bei dementen Patienten mit einer Aufbisshilfe stabilisiert werden. Sie schützt den Behandler davor, versehentlich gebissen zu werden und sorgt zudem dafür, dass während der Behandlung der Mund offen bleibt.
Tipp 2: Spüli und Nagelbürste
Die professionelle Reinigung von Prothesen sollte im Idealfall zweimal pro Jahr im Labor erfolgen. Die tägliche Reinigung können fitte Patienten selbst oder die Angehörigen und Pfleger mit Flüssigseife oder Spülmittel und einer weichen Nagelbürste vornehmen. Dies muss einmal am Tag gründlich erfolgen. Spüli eignet sich zur Reinigung besser als Zahnpasta, weil diese aufgrund der Schmirgelstoffe zu erhöhter Abrasivität bei den weichen Kunststoffen der Prothese führt. In fast allen Fällen ist es sinnvoll, die Prothese nachts nicht zu tragen, damit sich die Schleimhäute erholen können. Eine Ausnahme bildet die Teleskopprothese, hier können sich die Pfeilerzähne bei nächtlicher Prothesenkarenz verschieben.
Tipp 3: Elektrische Zahnbürsten
Viele Senioren bevorzugen Handzahnbürsten, weil sie sie „von früher“ gewohnt sind. Wenn die Kraft und Motorik nachlässt, ist eine elektrische Zahnbürste aber die bessere Wahl. Das gilt auch, wenn andere Menschen – etwa Pfleger im Altenheim – die Senioren bei der Zahnpflege unterstützen oder diese ganz übernehmen.
Tipp 4: 3-D-Zahnbürsten mit Chlorhexamed-Gel und Duraphat im Wechsel
In manchen Fällen ist eine 3-D-Zahnbürste, bei der die Borsten nicht nur von oben, sondern gleichzeitig schräg von außen die Zähne umschließen, das Mittel der Wahl – etwa bei dementen Patienten. Diese Zahnbürsten können gut von Pflegern verwendet werden. Bei Patienten mit sehr schlechter Mundhygiene kann man dabei Chlorhexamed-Gel und Colgate Duraphat 5000 mg im täglichen Wechsel zum Putzen verwenden.
Tipp 5: Spülungen bei Mundtrockenheit
Rund 400 Medikamente haben als Nebenwirkung Mundtrockenheit. Gerade Senioren sind davon betroffen. In der Apotheke erhältliche speichelstimulierende Gele und Lösungen schaffen Linderung. Empfehlenswert ist beispielsweise Saliva natura (speichelanregend) oder Glandosane (künstlicher Speichel) oder Natrium Sulfuricum (D6 oder D8, 6 Wochen 3 × 15 Tropfen täglich).
Tipp 6: Wechselwirkungen mit Medikamenten
In der Natur der Dinge liegt es, dass alte und sehr alte Patienten regelmäßig viele Medikamente einnehmen, die dem Behandler oft unbekannt oder für ihn nicht einschätzbar sind. Ein interdisziplinärer Kontakt insbesondere mit dem Hausarzt ist sinnvoll; hat er doch in aller Regel den Überblick über die verordneten Medikamente. Eine Checkliste per Fax als Konsil ergibt schnell, fast immer am Folgetag und ohne Wartezeiten am Telefon, einen ersten Überblick.
Sehr hilfreich, gerade zur Einschätzung der Wechselwirkung der Medikamente und Berücksichtigung der zahnärztlichen Therapie hat sich das von Kollegen Pauls speziell für Zahnärzte entwickelte Programm MIZ bewiesen: Zusammenfassend kann hier eine Beurteilung der Medikation vor dem zahnärztlichen Therapiebeginn vorgenommen werden (www.mizdental.de).
Tipp 7: Arztkoffer aus Plastik
Wer als Zahnarzt auf Hausbesuch geht, sollte sich einen Koffer anschaffen, der innen und außen desinfiziert werden kann. Ein Arztkoffer aus Leder oder Modelle, die innen gefüttert sind, eignen sich nicht. Gut geeignet sind hingegen Systeme aus Kunststoff, bei denen sich einzelne Koffer stapeln und per Klick-Verschluss miteinander verbinden lassen. Es macht Sinn, einen leeren Koffer mitzunehmen, in dem die benutzten Geräte aufbewahrt werden (zum Beispiel T-Loc von Tanos).
Tipp 8: Zahnersatz, der Sinn macht
Wer Zahnersatz für Patienten mit eingeschränkter Motorik anfertigt, sollte immer Strukturen anwenden, die gut zu erweitern, einfach zu reinigen sowie leicht herauszunehmen und einzusetzen sind. Bei Patienten, für die eine Vorsorgevollmacht besteht, muss der Betreuer bei jeder Therapie und immer mit ins Boot geholt werden. Wer das versäumt, kann möglicherweise wegen Körperverletzung belangt werden.
Tipp 9: Angehörige und Pfleger einbeziehen
Bisher wurde in der Ausbildung für Altenpfleger die Zahn- und Mundpflege eher stiefmütterlich behandelt. Oft besteht hier ein mangelndes Problembewusstsein. Bei der Fülle der Aufgaben und der Belastung gerade bei schwerwiegenden Pflegefällen erscheint die Mundhygiene verständlicherweise marginal. Zusammenhänge zur Allgemeingesundheit sind aufzuzeigen, aber auch der deutliche Benefit an konkreten Beispielen: Bei gesundem Zahnfleisch und einer schmerzfreien Mundhöhle lässt sich schneller die Nahrung anreichen, sodass sogar Zeit in der Pflege gewonnen werden kann. Oder mit welchen Handgriffen und welchen Hilfsmitteln wird die Mundhygiene bei demenziell veränderten Pflegebedürftigen machbar? Denn oft wird die Machbarkeit bestritten und ein Versuch mit „Gewalt in der Pflege“ betitelt, sodass hier einfühlsam, aber bestimmt Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Zur besseren Umsetzung gibt es gute Unterstützung durch die Schulungs-CD „Mundpflege in der Pflege“ (www.dgaz.org).
Tipp 10: Wertvolle Tipps für Angehörige und Pfleger
Die Bundeszahnärztekammer und das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) haben zwölf sehr anschauliche Kurzfilme mit guten Tipps für die Zahnpflege bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung veröffentlicht.
Tipp 11: Interesse an Seniorenzahnmedizin
Wenn Sie bis hier gelesen haben, sind Sie interessiert an Seniorenzahnmedizin. Schauen Sie auf die Website der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin unter www.dgaz.org, lesen Sie die Zeitschrift für Seniorenzahnmedizin, werden Sie Mitglied der DGAZ und tauschen sich mit Gleichgesinnten aus.