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Perfekte Prothesen für Pflegebedürftige?

Prothesen für Menschen mit Pflegebedarf herzustellen, bringt bestimmte Herausforderungen mit sich.

Prothesen für Menschen mit Pflegebedarf herzustellen, bringt bestimmte Herausforderungen mit sich.

Auf dem Tisch des Zahntechniklabors der Praxis Weiss in Essen liegen zwei Prothesen. Selbst einem Laien fällt auf, dass sie sich deutlich unterscheiden. Eine ist mit Rillen und Furchen versehen, wodurch sie sehr natürlich wirkt. Die andere trägt den Namen eines Patienten und einen farbcodierten Punkt. Sie hat eine leicht künstliche Note, weil sie ultraglatt ist.

„Das ist durchaus beabsichtigt. Denn wenn die Senioren aus motorischen Gründen ihren Zahnersatz selbst nicht mehr so gründlich putzen können oder bei der Mundpflege auf die Hilfe Dritter angewiesen sind, sorgt ein möglichst glatter, pflegefähiger Zahnersatz für die geringsten Pro­bleme.  Speisereste und Bakterien bleiben hier kaum haften“, erklärt Andrea Bechmann. Sie und ihre drei Zahntechniker-Kolleginnen sind im Bereich Seniorenzahnmedizin in Kursen der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin von Prof. Ina Nitschke in Berlin speziell geschult worden. Davon profitieren jetzt die Patienten.

Zu glatte Oberflächen wirken unnatürlich, sind aber leichter zu reinigen.

Zu glatte Oberflächen wirken unnatürlich, sind aber leichter zu reinigen.

„Wir machen hier alle Arbeiten. Und natürlich haben wir den Anspruch, dass unsere Kronen, Brücken und Prothesen nicht nur gut sitzen, sondern auch so echt wie möglich aussehen. Lediglich bei den Arbeiten für Pflegebedürftige weichen wir bewusst aus funktionellen und hygienischen Gründen ein klein wenig von diesem ästhetischen Anspruch ab“, so die Zahntechnikerin.

Was der Seniorenschwerpunkt der Praxis sonst noch an Aufgaben bereithält, zeigt sie als Nächstes: „Wir fertigen häufig Wundverbandplatten an. Die sind wichtig, wenn bei multimorbiden Patienten Extraktionen vorgenommen werden müssen.“ Das durchsichtige Kunststoffteil, das optisch einer platten Knirscherschiene ähnelt, wird passgenau angefertigt. Zieht Dr. Michael Weiss im Seniorenheim einen oder mehrere Zähne, wird die Platte zur Blutstillung sofort auf der vernähten Extraktionswunde positioniert. Der Patient sollte sie zwei Tage tragen, bevor sie entfernt und entsorgt werden kann. Notwendig ist diese Vorgehensweise bei einem Großteil der Pflegebedürftigen, die herzkrank sind und deshalb blutverdünnende Medikamente einnehmen. Extraktionen kommen häufig wegen entzündlich veränderter Zähne oder Zahnwurzelreste vor. Sie sind auch notwendig, wenn die Zähne der Senioren sehr lose sind und die Gefahr besteht, dass die Patienten sie versehentlich verschlucken oder gar daran ersticken könnten.

 

Eine individuell angepasste Wundverbandplatte kommt häufig zum Einsatz, um die Blutung nach einer Extraktion zu stillen.

Eine individuell angepasste Wundverbandplatte kommt häufig zum Einsatz, um die Blutung nach einer Extraktion zu stillen.

Wenn schließlich alles verheilt ist, ist wieder das handwerkliche Geschick von An­drea Bechmann, Bettina Möller und ihren Kolleginnen gefragt. „Wir kümmern uns um die Optimierung alter vorhandener Prothesen, Umbauarbeiten oder Reparaturen, Erweiterungen und Neuanfertigungen. Dabei haben wir immer die restliche verbliebene prothetische Belastbarkeit des Patienten im Auge.“

Wenn die alte Prothese aus dem Heim bei den Zahntechnikerinnen ankommt, wird sie erst einmal gründlich gereinigt: in einer speziellen Mikrowelle und einem wirksamen Desinfektions- und Reinigungsbad. Doch schon im Heim, wenn sie quasi aus dem Mund des Patienten genommen wird, erfolgt die erste Desinfektion. Die Kolleginnen behandeln die Teil- oder Vollprothesen mit einem Desinfektionsspray, bevor sie im beschrifteten Plastikbeutel landen. Verwechslungen und Keime oder Bakterien haben so keine Chance.

Andrea Bechmann: „Wir als Zahntechniker haben gelernt, dass die Adaptionsfähigkeit an Veränderungen im Mund bei älteren und besonders dementen Patienten deutlich nachlässt, sodass wir häufig nach einem individuell-funktionellem Optimum streben, das sich manchmal deutlich von unserem gewohnten handwerklichen Optimum unterscheidet. In Grenzfällen begleiten wir unseren Chef auch ins Heim, um die individuelle Lage besser einschätzen zu können.“


Dieser Artikel ist Teil unseres Schwerpunktes "Patienten mit Beeinträchtigungen".