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Großes Potenzial von Telemedizin und Apps

Schmerzpatienten, die unzureichend therapiert werden, beanspruchen später das Gesundheitssystem erheblich häufiger und verursachen hohe Behandlungskosten.

Schmerzpatienten, die unzureichend therapiert werden, beanspruchen später das Gesundheitssystem erheblich häufiger und verursachen hohe Behandlungskosten.

 

Telemedizin und Apps bildeten einen wichtigen Aspekt beim diesjährigen Deutschen Schmerzkongress in Mannheim. Experten sehen in ihnen ein großes Potenzial, um die Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen zu verbessern. Es brauche jedoch nicht nur mehr Forschungsprojekte, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Gesundheits- und Medizin-Apps zu bewerten, sondern auch Standards zum Datenschutz und zur Datensouveränität sowie zur Steuerung von Risiken dieser neuen Anwendungen.

Telemedizinische Lösungen und mobile Apps bieten die Chance, therapeutische Beratung und Behandlung über die Grenzen spezialisierter Schmerzzentren hinweg auszuweiten. „Die Schmerztherapie nutzt vorwiegend kommunikative und medikamentöse Wirkfaktoren. Einige Projekte belegen, dass sich Telemedizin, eHealth und Apps besonders in der Schmerztherapie gut einsetzen lassen“, sagt Professor Dr. med. Carla Nau, Kongresspräsidentin des Deutschen Schmerzkongresses 2018 und Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Campus Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein.

Die Expertin verweist auf einige Pain-Apps mit Store-and-Forward-Applikationen, mit denen der Patient und/oder sein Arzt Daten elektronisch speichern und zu einem späteren Zeitpunkt sichten und auswerten können. Dazu gehören die Erfassung der Schmerzstärke und -lokalisation in einem Schmerztagebuch, die Auswertungen von Schmerztests, das Erlernen von Selbstmanagementstrategien und das Teilen von Informationen mit Dritten, beispielsweise mit dem behandelnden Arzt oder anderen Betroffenen. Einige Untersuchungen zeigten, dass die Zufriedenheit der Patienten bei denjenigen höher war, die die App häufiger nutzten. „Allerdings hatte die Häufigkeit der Anwendung keinen Effekt auf die Stärke der Schmerzen oder die Aktivität des Patienten“, räumt Nau ein.

Store-and-Forward-Methoden sind in der Schmerzmedizin weit verbreitet, leicht zugänglich und kostengünstig. „Über die Qualität und Wirksamkeit dieser Smartphone-Apps wissen wir leider noch nicht genug. Es fehlen regulatorische Vorgaben und eine wissenschaftlich fundierte Auswertung“, gibt Privatdozent Dr. med. Tim Jürgens, Kongresspräsident des Deutschen Schmerzkongresses 2018 und Ärztlicher Leiter des Kopfschmerzzentrums Nord-Ost, Universitätsmedizin Rostock, zu bedenken. E-Health-Anwendungen, Telemedizin und Apps müssen seiner Meinung nach eine wissenschaftliche Evidenz haben, bevor sie in den Behandlungsalltag eingehen können. Erfüllen sie diese Voraussetzung, könnten sie ergänzend zur konventionellen schmerztherapeutischen Behandlung einen wichtigen Stellenwert einnehmen.

Abhilfe schaffen möglicherweise die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geförderten Forschungsprojekte. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. begleitet derzeit zwei solche E-Health-Projekte. Mithilfe von SMARTGEM – Smartphone-gestützter Migränetherapie - können Patienten ihre Kopfschmerzen dokumentieren und mögliche auslösende Faktoren identifizieren. Ein integriertes Therapiemodul unterstützt sie bei Entspannungsübungen oder Ausdauersport und schult in Bezug auf individuelle verhaltenstherapeutische Ansätze. Die Kommunikation zwischen Patient und Arzt wird zudem durch ärztlich moderierte Foren und Expertenchats intensiviert.

MOMO (Modules on migraine onset, früher Child*M*FIRST) richtet sich an Kinder mit Migräne. Diese multimodale, interdisziplinäre Frühintervention hat das Ziel, die Lebensqualität und Langzeitprognose für diese Kinder zu verbessern. Hierzu tragen als Kernelemente eine standardisierte Migränediagnostik durch den Kinder- und Jugendarzt sowie eine interdisziplinäre Frühtherapie bei. Beide Versorgungsformen werden mittels einer kontrollierten Studie untersucht.

Thomas Isenberg, Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V., empfiehlt den Patienten, Schmerz-Apps im Vorfeld genau zu prüfen. Dabei kann es hilfreich sein nachzusehen, wer der Herausgeber ist, ob es ein Siegel oder ein Zertifikat gibt, wie die App finanziert wird (Sponsoren/Fördergelder) und wie mit dem Datenschutz umgegangen wird. Für die Nutzung von Gesundheits-Apps hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit eine Checkliste entwickelt.