„Du bist viel unempfindlicher gegen Schmerzen als andere!“ Wer das versichert bekommt, hält Schmerzen danach besser aus. Wie stark sich Erwartungen auswirken können, wurde am Institut für Psychologie der Universität Würzburg erforscht.
Placebos wirken
Erwartungen haben große Macht über den Menschen. Das zeigt sich sehr schön am Placebo-Effekt: Einem Patienten werden Pillen verabreicht, die gar keinen Wirkstoff enthalten. Der Patient weiß das aber nicht. Er glaubt fest daran, dass er ein wirksames Medikament bekommt – daraufhin bessert sich seine Krankheit tatsächlich. Verantwortlich dafür war allein seine Erwartungshaltung.
„Der Placebo-Effekt funktioniert bei der Behandlung von Schmerzen und Depressionen oft sehr gut“, sagt Dr. Katharina Schwarz vom Institut für Psychologie der Uni Würzburg. Die pure Erwartung, ein Medikament zu bekommen, kann Symptome lindern und das Befinden verbessern: „Und das ist nicht nur eine subjektive Empfindung des Patienten, sondern auch physiologisch messbar.“
Verändertes Schmerzempfinden
Schwarz beschäftigt sich generell damit, welchen Einfluss Erwartungen auf die Wahrnehmung und das Verhalten haben. In ihrer Doktorarbeit, die sie 2015 am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf abgeschlossen hat, spielten Schmerzen ebenfalls eine Rolle. Ein Ergebnis daraus: Wenn man Männern zu verstehen gibt, dass sie empfindlicher beziehungsweise unempfindlicher als Frauen sind, dann verändert sich ihr Schmerzempfinden.
Experiment mit Männern und Frauen
Das Experiment: Bei den Versuchsteilnehmern wurden mit einem Umschnallband am Unterarm verschiedene Hitzereize gesetzt. Den dabei jeweils empfundenen Schmerz mussten sie auf einer Skala von „kein Schmerz“ bis „unerträglich“ bewerten. Am nächsten Versuchstag ließ man die Männer auf einem Infoblatt eher beiläufig wissen, dass sie entweder weniger empfindlich oder empfindlicher gegen Schmerzen seien als Frauen. Begründet wurde das jeweils evolutionspsychologisch: Eine Versuchsgruppe erhielt die Information, dass Männer beispielsweise als Jäger besonders gut an Schmerzen gewöhnt seien. Die andere Gruppe bekam zu lesen, dass Frauen durch die Schmerzen der Geburt besonders abgehärtet seien.
Danach wurde das Experiment wiederholt. Jetzt bewerteten die Probanden, die Männer für weniger empfindlich hielten, den Schmerz als deutlich schwächer als am Tag davor. Wer dagegen von der höheren Schmerztoleranz der Frauen gelesen hatte, stufte sich jetzt als schmerzempfindlicher ein als zuvor.
Erforschung nicht-expliziter Erwartungsprozesse
Wie weit der Einfluss von Erwartungen auf den Menschen gehen kann, das zeigt Katharina Schwarz in einem Übersichtsartikel in der Fachzeitschrift „Trends in Cognitive Sciences“ auf. Dabei stellt sie erstmals Beispiele aus verschiedenen Fachgebieten in einen Zusammenhang: „Mit Erwartungen und ihren Auswirkungen beschäftigen sich die Neurowissenschaften, die Psychologie oder auch die Pädagogik. Aber die einzelnen Disziplinen tauschen sich untereinander kaum aus, und das möchte ich gern ändern.“
Ihr Ziel: „Ich möchte vor allem auch bei den Studierenden das Bewusstsein für diese Mechanismen erhöhen, vor allem für solche, die sich negativ auf Menschen auswirken.“ Praktisch bedeutsam sei das nicht nur für Therapien, sondern auch in der psychologischen Forschung: „Auch Wissenschaftler haben bei ihrer Arbeit gewisse Erwartungen. Falls sie die ins Versuchsdesign einfließen lassen und die Probanden – ganz ohne böse Absicht – entsprechend beeinflussen, kann das Ergebnisse verfälschen.“
An der Uni Würzburg hat Schwarz sich verstärkt auch mit nicht-expliziten Erwartungsprozessen befasst – damit sind Erwartungen gemeint, die der Mensch zwar hat, die ihm aber nicht bewusst sind [Schwarz KA, Pfister R, Büchel C. (in press). Rethinking explicit expectations: Connecting placebos, social cognition, and contextual perception. Trends in Cognitive Sciences. doi: 10.1016/j.tics.2016.04.001].