Der seitenungleiche Durchbruch des rechten oberen Eckzahns bei einem zwölf Jahre alten Mädchen war Anlass und Begründung für eine Panorama-Übersichtsaufnahme, die den Verdacht einer Eckzahnverlagerung bestätigte (Abb. oben).
Zur Vorbereitung der Freilegung und Einordnung des Zahns 13 wurden die Zähne 15, 14, 23, 24, 25 mit Brackets versehen und Bänder auf 16 und 26 angepasst, um einen laborgefertigten Transpalatinalbogen (TPA) aus TMA-Draht anzufertigen (Abb. 2).
Danach folgte die Überweisung zum Kieferchirurgen mit der Bitte um Extraktion des persistierenden Milcheckzahns und Freilegung des verlagerten Eckzahns 13 und das gleichzeitige Anbringen einer Zugvorrichtung (Knöpfchen mit Kettchen).
Die Patientin kam nach einigen Tagen in unsere Praxis, um den TPA mit der palatinal liegenden Zugvorrichtung zu verbinden, von der eine geringe extrusive Kraft (etwa 60 Gramm) auf den noch nicht sichtbaren Zahn ausgeübt wurde.
Beim nachfolgenden Kontrolltermin stellten wir fest, dass die Zugvorrichtung nicht mehr fest saß, sodass sie unter oberflächlicher Betäubung entfernt wurde. Es erfolgte eine Wiedervorstellung beim Kieferchirurgen. Nach erneuter Freilegung und Anbringung eines Knöpfchens lag diesmal das Kettchen vestibulär, da es nach Aussage des Kieferchirurgen ursprünglich schwer gewesen sei, den Zahn blutungsfrei zu halten, und eine enge Lagebeziehung zur Wurzel von Zahn 12 vorgelegen habe. Zur Einordnung des Zahns wurde ein 17×25 TMA-Teilbogen eingesetzt. Der Teilbogen wurde nach kaudal-vestibulär aktiviert. Zur Verankerung wurde ein umlaufender Bogen in Kombination mit dem bereits in situ befindlichen TPA verwendet. Dazu wurde auch die Front mit Brackets beklebt mit Ausnahme von Zahn 12, um Interferenzen während der Einordnung zu vermeiden (Abb. 3 bis 5).
Beim Kontrolltermin sechs Wochen später lag die Wurzelspitze des 12 mit ca. der Hälfte der Wurzel palatinal frei (Abb. 6). Wir konnten noch Reste von Kleber an der Wurzel erkennen. Bei der ersten Freilegung wurde also anstatt Zahn 13 die Wurzel von 12 beklebt. Durch den schlechten Haftverbund auf Wurzelzement löste sich das Kettchen so schnell.
Warum sich der Zahn nachträglich so extrem aus dem Gaumen bewegte, lässt sich nur vermuten. Eine Möglichkeit wären entzündliche Reaktionen in Kombination mit Ausweichbewegungen von Zahn 12 während der Einordnung von Zahn 13.
Für uns stellte sich die Frage nach der Zahnerhaltung des Zahns 12, dessen Wurzelspitze palatinal völlig frei lag, zumal der Eckzahn noch nicht eingeordnet war. Wir entschieden uns für den Versuch, Zahn 12 wieder in den Knochen zu bewegen und bei Erfolg endodontisch behandeln zu lassen.
Dazu wurde auch Zahn 12 zur Aufnahme einer Burston-Torquefeder mit einem Bracket versehen, um die nach palatinal bewegte Wurzel des Zahnes wieder nach vestibulär, das heißt in den Alveolarknochen, zu bewegen. Die Möglichkeit einer Wurzelschädigung des 12 während der Torquebewegung wie auch durch einen Kontakt zu dem noch nicht eingeordneten 13 wurde hier in Kauf genommen (Abb. 7 und 8).
Durch die Torquefeder konnte eine rasche Bewegung des 12 erreicht werden. In fünfeinhalb Monaten war die Wurzel wieder komplett im Knochen verschwunden. Zunächst war sie noch von entzündlichem Granulationsgewebe mit gelegentlichem Eiteraustritt bedeckt (Abb. 9).
Nachdem die Wurzel wieder komplett in den Kieferknochen hineinbewegt war, erfolgten eine Wurzelfüllung und Wurzelspitzenresektion. Danach besserten sich die entzündlichen Verhältnisse. Auch der Eiteraustritt verschwand. Der Zahn ist bis heute fest und beschwerdefrei (Abb. 10 und 11).
Die Einordnung des Zahns 13 konnte auch erfolgreich abgeschlossen werden. Auch die OPG-Kontrolle sieben Monate später zeigt keine apikalen Veränderungen und den inzwischen eingeordneten Eckzahn (Abb. 12).
Der Befund nach MB Ex. Eine weitere Achsenkorrektur der Zähne12 und 13 lehnte die Patientin ab. Sie war mit dem Ergebnis zufrieden. Die Oberkiefer-Front wurde mit einem Lingualretainer versorgt (Abb. 13 und 14).
Bei der Kontrolle nach 15 Monaten war Zahn 12 nach wie vor fest und komplett beschwerdefrei (Abb. 15).
Fazit: Bei nicht eindeutigen Zahnverlagerungen wird zur Anwendung eines dreidimensionalen bildgebenden Verfahrens (DVT) geraten. Dies sichert die Lagebestimmung des Zahns und hilft bei der Wahl der Zugrichtung.
Zahnarzt Uwe Schumann, Essen-Kettwig