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Zahnersatz: Verformung des Unterkiefers berücksichtigen

Bei Mundöffnung und Protrusion wird der Unterkiefer um 0,1 bis zu 1 Millimeter verformt. Die kontrahierten lateralen Pterygoid-Muskeln stauchen den Unterkieferbogen mit der mandibulären Symphyse als Fixpunkt (siehe Abbildung). Diese dynamische Formveränderung wird bei der Planung von Zahnersatz und Implantationen häufig nicht oder nicht angemessen berücksichtigt.

Sie kann aber nach einer aktuellen Übersicht Prognose und Erfolg restaurativer Maßnahmen entscheidend beeinflussen, auch in Bezug auf das Parodont und die Osseointegration von Implantaten [1].

Abformen bei nahezu geschlossenem Mund

Um Folgen mandibulärer Verwindung so gering wie möglich zu halten, wird der Unterkiefer am besten bei nahezu geschlossenem Mund abgeformt. Die Mundöffnung sollte nicht mehr als 20 Millimeter betragen. Hierbei ist die Kaumuskulatur nur schwach aktiviert und reduziert die Unterkieferdeformation auf ein Minimum. Zudem rotieren die Unterkiefer-Seitenzähne in dieser Position kaum nach lingual, sodass der Zahnersatz nicht zu eng ausfällt [2].

Unterkieferdeformation an Modell visualisiert

Unterkiefer-Deformation äußert sich durch mediane Annäherung der Unterkieferäste und Lingual-Rotation vor allem der posterioren Zähne. Ausgangspunkt der Verwindung ist die Symphyse.

Weitspannige Brücken in Segmente teilen

Bei festsitzendem Zahnersatz kann durch auftretende Scherkräfte Keramik frakturieren und die Konstruktion gelockert werden. Auch können parodontale Spalträume vergrößert und Zähne gelockert werden [1]. Weitspannige Brücken auf gesunden Pfeilern sollten daher in Segmente geteilt und nach Möglichkeit durch Präzisionsgeschiebe verbunden werden [2]. Da sich der Unterkiefer im Bereich der Symphyse am stärksten verformt, sollten zahngetragene Restaurationen hier geteilt werden. Weiterhin sollten Pfeilerzähne für gute Retention ausreichend lang und möglichst parallel präpariert werden.

Die Empfehlung, Brücken zu teilen, gilt nicht für interforaminär eingebrachte Implantate, deren Osseointegration wegen der geringeren anterioren Verwindung in der Regel auch bei starrer Verbindung durch die Suprakonstruktion gelingt. Letztere passt am besten, wenn sie CAD/CAM-gefräst ist [3].

Intraorale Scanner: Kleinere Mundstücke wünschenswert

Werden für die Abformung intraorale Scanner mit großen Mundstücken verwendet, muss der Mund meist maximal geöffnet werden – besonders im Seitenzahnbereich. Die Entwicklung kleinerer Kameras könnte sich in Zukunft günstig auf die Implantatprognose auswirken [1]. Bei schlechter Passung können sowohl bei festsitzenden als auch herausnehmbaren Versorgungen Schraubenfraktur, Dezementierung und periimplantäre Resorption auftreten [4, 5].

Starke Muskulatur erhöht Grad der Deformation

Studiengruppen stellten fest, dass Bruxismus und eine starke Muskulatur im Kopf-Hals-Bereich die mandibuläre Deformation erhöhen [6, 7]. Weiterhin bestimmen anatomische Struktur und Morphologie, in welcher Weise sich der Unterkiefer verwindet. So verstärken eine niedrige Symphyse und ein langer Unterkiefer die Formveränderung. Das gilt auch für eine geringere Knochendichte, zum Beispiel infolge von Osteoporose. Ältere Frauen neigen daher zu einer höheren Deformation als Männer [8].

Literatur

[1] Sivaraman K, Chopra A, Venkatesh SB. Clinical importance of median mandibular flexure in oral rehabilitation: a review. Journal of Oral Rehabilitation 2016;43:215-25.

[2] Fischman B. The rotational aspect of mandibular flexure. The Journal of Prosthetic Dentistry 1990;64:483-5.

[3] Torsello F, di Torresanto VM, Ercoli C, Cordaro L. Evaluation of the marginal precision of one-piece complete arch titanium frameworks fabricated using five different methods for implant-supported restorations. Clinical Oral Implants Research 2008;19:772-9.

[4] Abdel-Latif HH, Hobkirk JA, Kelleway JP. Functional mandibular deformation in edentulous subjects treated with dental implants. The International Journal of Prosthodontics 2000;13:513-9.

[5] Law C, Bennani V, Lyons K, Swain M. Mandibular flexure and its significance on implant fixed prostheses: a review. Journal of Prosthodontics: official journal of the American College of Prosthodontists 2012;21:219-24.

[6] Canabarro Sde A, Shinkai RS. Medial mandibular flexure and maximum occlusal force in dentate adults. The International Journal of Prosthodontics 2006;19:177-82.

[7] Omar R, Wise MD. Mandibular flexure associated with muscle force applied in the retruded axis position. Journal of Oral Rehabilitation 1981;8:209-21.

[8] Chen DC, Lai YL, Chi LY, Lee SY. Contributing factors of mandibular deformation during mouth opening. Journal of Dentistry 2000;28:583-8.