Mittwoch, 29. Mai, Düngenheim. Die Sonne scheint, die Stimmung ist ausgelassen. Und das, obwohl heute der Zahnarzt kommt. Vor dem, sagt Markus Wagener, Einrichtungsleiter in St. Martin, haben die meisten seiner Bewohner Angst. „Bei uns wohnen viele Menschen mit primären geistigen Behinderungen. Sie verstehen oft nicht, was der Zahnarzt so macht oder haben schlechte Erinnerungen an eine Behandlung. Aber“, er lacht, „vermutlich ist der Zahnarztbesuch für die meisten Menschen erst einmal mit Angst behaftet.“
Seit Mai 2019 gehört das Bildungs- und Pflegeheim St. Martin in Düngenheim zu den Einrichtungen, die das Zahnmobil von Dr. Blum, Fachzahnarzt für Oralchirurgie, regelmäßig aufsucht. Mit der mobilen Zweigpraxis macht er halt vor dem Haus und behandelt die Bewohner. Darunter sind viele Menschen mit Behinderungen, aber auch einige Senioren. Markus Wagener, der Leiter der Einrichtung, ist froh über das neue Angebot. Es erhöht die Lebensqualität der Bewohner, von denen einige schon seit Gründung der Einrichtung vor 53 Jahren dort wohnen.
Das neue Angebot von Dr. Blum ist in Düngenheim auch deshalb so willkommen, weil es die Abläufe in der Einrichtung erleichtert. Oft müssen die Behandlungen der schwerstmehrfachbehinderten Patienten unter Anästhesie durchgeführt werden, und der Anfahrtsweg zur Zahnklinik, die das anbietet, ist weit. Das fremde Umfeld und die Fahrt bedeuten wiederum einen hohen Aufwand für die Betreuer und massiven Stress für die Patienten. „Seit vielen Jahren kommt ein Zahnarzt aus der Nähe zu uns, der vieles für unsere Bewohner leistet. Über ihn kam für Zahnbehandlungen in Narkose der Kontakt mit Dr. Blum zustande“, erzählt der Einrichtungsleiter.
Die Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftige Senioren, die auf einem Campus in Wohngruppen wohnen, können mit ihren Betreuern jetzt zu Fuß zum Zahnarzt, sprich Zahnmobil, das auf dem Gelände parkt. Installiert hat Dr. Blum darin eine vollausgestattete Zweigpraxis inklusive mobilem Röntgengerät. Auch ein erfahrener Anästhesist gehört zum Behandlungsteam. „Ich weiß, einige Leute werden jetzt sagen, Menschen mit Behinderungen sollen gleichbehandelt werden, sie sollen auch die Möglichkeit haben, in einer Praxis untersucht zu werden. Aber die gewohnte Umgebung zu verlassen, die ihnen ein Gefühl von Sicherheit gibt, bedeutet Stress. Und lange Fahrten sind für sie nicht nur mental, sondern auch körperlich anstrengend.“
Dass es unterschiedliche Abrechnungsmöglichkeiten für Zahnärzte gibt, je nachdem, ob sie in einem Altenheim einen pflegebedürftigen Senior oder in einer Einrichtung für Behinderte einen pflegebedürftigen jüngeren Menschen mit Behinderung behandeln, kann Wagener nicht nachvollziehen. „Das ist eine Ungleichbehandlung. Vor allem, weil wir hier Menschen betreuen, die kognitiv zum Teil wie Kinder sind, aber oft wegen ihrer schweren Behinderungen einen Körper wie ein Senior haben. Deshalb sollte bei ähnlichen Voraussetzungen, sprich, der Behandlung Pflegebedürftiger, das Alter eigentlich keine Rolle spielen.“
Einige Bewohner in St. Martin sind in der Lage, sich selbst die Zähne zu putzen. Bei den meisten müssen aber die Betreuer helfen. Sie versuchen immer, je nach Einschränkung, die Zahnpflege individuell durchzuführen. Oft wird dies mit Ritualen, etwa festen Zeiten, im Tagesablauf integriert. Doch selbst dabei sind den Heilerziehungspflegern, die sich um die Bewohner kümmern, manchmal Grenzen gesetzt. Denn einige ihrer Schützlinge sind durch schwerstmehrfache Beeinträchtigungen gar nicht in der Lage, den Mund entsprechend weit zu öffnen, damit man ihnen die Zähne putzen kann. Manche Körperteile sind stark verkrampft, die Hände verdreht, zum Teil auch die Wirbelsäule, weshalb ein aufrechtes Sitzen im Zahnarztstuhl unmöglich ist. „Dass im Zahnmobil ein Anästhesist mitarbeitet, ist für unsere Bewohner ein Segen, weil sich unter der Narkose der Körper entspannt. Oft ist dadurch überhaupt erst die Behandlung möglich“, erklärt Wagener.
Er meint, „auch wenn die Anästhesie eine körperliche Belastung ist, ist das, was während der Behandlung passiert, langfristig besser, als im schlimmsten Fall in mehreren Jahren eine massive Operation durchleben zu müssen, bei der dann vielleicht ein Großteil der Zähne gezogen werden muss. Mal abgesehen davon, dass durch Zahnprobleme auch andere Erkrankungen auftreten können“.
Die Zusammenarbeit mit Dr. Blum und seinem Zahnmobil soll eine regelmäßige Basis bekommen. „Ich bin sehr froh, dass
wir ihn gewinnen konnten. Das Modell des Zahnmobils ist auf der Höhe der Zeit, und durch eine langfristige Zusammenarbeit können unsere Bewohner ein Vertrauensverhältnis zu ihrem neuen Zahnarzt aufbauen. Wie ich heute sehen konnte, ist Dr. Blum durch seine Art genau der Richtige für diese Aufgabe.“