Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat beschlossen, dass die befristete Ausnahmeregelung zur telefonischen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit bei leichten Atemwegsbeschwerden am 19. April 2020 nicht verlängert wird. Damit gilt ab dem 20. April 2020 wieder, dass für die ärztliche Beurteilung, ob eine Versicherte oder ein Versicherter arbeitsunfähig ist und eine entsprechende Krankschreibung erhält, eine körperliche Untersuchung notwendig ist.
Dazu erklärte Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses: „Die befristete Ausnahmeregelung, dass eine Arbeitsunfähigkeit auch nach einer telefonischen Befundaufnahme von der Ärztin oder dem Arzt bescheinigt werden kann, diente angesichts der dynamischen und nicht abschätzbaren Entwicklungen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie dazu, Vertragsarztpraxen ad hoc zu entlasten und die Gefahr der Ausbreitung des Virus zu verringern. Die Dynamik der Neuinfektionen konnte zwischenzeitlich durch die strikten Abstands- und Hygieneregeln in allen Bereichen des täglichen Lebens – aber natürlich vor allem auch in den Arztpraxen – deutlich verlangsamt werden. Die Behelfsregelung kann deshalb ohne Gefahr einer Erhöhung des Infektionsrisikos für Patientinnen und Patienten oder Ärztinnen und Ärzte zum vorgesehenen Termin auslaufen – dies entspricht den behutsamen und strukturierten Schritten der Lockerung, die Bund und Länder jüngst beschlossen haben. Die persönliche und unmittelbare Anamnese muss nun wieder zwingend erfolgen, um eine Krankschreibung zu erhalten. Das ist vor allem dann wichtig, wenn es um Erkrankungen geht, die nur durch persönliche ärztliche Untersuchung umfassend und präzise erkannt werden können. Unbenommen davon gilt auch weiterhin, dass Versicherte bei typischen COVID-19-Symptomen, nach Kontakt zu COVID-19-Patienten und bei unklaren Symptomen von Infektionen der oberen Atemwege vor dem Arztbesuch telefonisch Kontakt zur Praxis aufnehmen und das weitere Vorgehen besprechen.“
KBV und Lauterbach reagieren mit Unverständnis
„Das ist weder für die Praxen noch für die Patienten gut“, kommentierten Dr. Andreas Gassen und Dr. Stephan Hofmeister vom Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die Regelung zur AU-Bescheinigung per Telefon nicht zu verlängern. Sie läuft damit am 19. April, aus.
„Mit Erstaunen und Unverständnis“ reagierte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender, auf die Entscheidung. „Wir hatten uns im G-BA für eine Verlängerung bis 3. Mai eingesetzt. Dies wäre deckungsgleich gewesen mit der von der Bundesregierung ausgesprochenen Fortführung der Kontaktsperre. Leider sind wir im Gremium überstimmt worden. Offenbar hat hierbei auch der große Druck der Arbeitgeberseite eine entscheidende Rolle gespielt“, sagte Hofmeister. Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, erklärte: „Nun müssen alle Patientinnen und Patienten wieder wegen einer möglichen AU in die Praxen kommen. Der abrupte Stopp durch den G-BA ist ein Problem für Praxisteams und Patienten gleichermaßen.“
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie konnten Ärzte seit März ihren Patienten mit einer leichten Erkrankung der oberen Atemwege telefonisch eine AU-Bescheinigung bis maximal 14 Tage ausstellen. Damit sollten Praxen entlastet und gleichzeitig das Risiko für eine vermeidbare Ausbreitung von Infektionskrankheiten der oberen Atemwege über die Wartezimmer reduziert werden.
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Dr. Karl Lauterbach bezieht auf Twitter klar Stellung gegen die Entscheidung des G-BA.
Scharfe Kritik der Freien Ärzteschaft
Auch die Freie Ärzteschaft (FÄ) kritisiert diese Entscheidung scharf. „Das ist unverantwortlich. Diese Patienten könnten eine harmlose Erkältung haben, aber auch an Covid-19 erkrankt sein und damit Ärzte, Praxispersonal sowie andere Patienten mit teilweise schweren Erkrankungen anstecken“, sagte FÄ-Vorsitzender Wieland Dietrich. „Es ist empörend, wie der dringend gebotene ärztliche Sachverstand hier missachtet wird.“