Statt der Lastenteilung zwischen Zahnärzteschaft und Krankenkassen sollen die kompletten Hilfszahlungen als Darlehen ausgestaltet werden, so lautet, der „FAZ“ zufolge, eine Forderung der Bundesfinanzministerium. Darauf reagiert der FVDZ mit einem Offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Hier der Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Minister Spahn,
mit einiger Erleichterung hatten wir zur Kenntnis genommen, dass das Bundesgesundheitsministerium mit der Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung die Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland zusammen mit anderen medizinischen Berufsgruppen doch noch unter eine Art „Rettungsschirm“ nehmen will. Nun hören und lesen wir, dass das SPD-geführte Bundesfinanzministerium gegen diese Maßnahme sein Veto eingelegt haben soll – und die Zahnärzte, die seit Beginn der Corona-Pandemie an vorderster Stelle zur Patientenversorgung beigetragen haben, ihre Praxen trotz widriger Umstände geöffnet hielten und niemanden im Regen stehen ließen, nun selbst im Regen stehen gelassen werden sollen.
Sehr geehrter Herr Minister, es steht hier mehr auf dem Spiel als ein finanzieller Ausgleich für Einnahmeausfälle von Zahnärzten. Es steht auch mehr auf dem Spiel als die Arbeitsplätze von 350.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Zahnarztpraxen. In dieser Krise – und mit dem Aufspannen des Schutzschirms oder dem Zusammenklappen – geht es darum, für die Patientinnen und Patienten in diesem Land bewährte zahnärztliche Versorgungsstrukturen über den Tag hinaus zu erhalten.
Wir haben in Deutschland ein hervorragendes Gesundheitssystem, von dem Sie selbst nicht müde werden zu betonen, wie gut es funktioniert und wie wichtig es für die flächendeckende Versorgung der Patienten ist. Wir arbeiten seit Jahren unermüdlich daran, dieses System aufrechtzuerhalten, versuchen, junge Zahnärztinnen und Zahnärzte für die freiberufliche Niederlassung zu begeistern und zwar nicht nur in Metropolen, sondern auch in strukturschwachen Bereichen. Wir haben auch ohne Corona-Krise schon vor der größten Herausforderung für die ambulanten Versorgungsstrukturen gestanden, doch mit dieser Krise hat sich die Situation extrem verschärft.
Und nun klappen Sie den Schutzschirm ein, weil die parteipolitischen Interessen der SPD offenbar mehr wiegen als eine Facharztgruppe, die uneingeschränkt für ihre Patienten da ist und versucht, „den Laden am Laufen zu halten“? Eine Facharztgruppe, die bis heute nicht groß gejammert, sondern angepackt hat, die sich mit guten Ideen gegen den Mangel an Schutzausrüstung gewappnet hat, die eigenständig die zahnärztliche Versorgung von Corona-positiven Patienten organisiert hat. Ohne einen Schutzschirm wird der Erosion der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Zahnärzte blitzartig Vorschub geleistet. Ein Darlehen, das in den nächsten zwei Jahren zurückzuzahlen wäre, hilft da den wenigsten weiter.
- Jungen Praxen mit laufenden hohen Krediten droht mit den derzeitigen Umsatzeinbrüchen die Insolvenz, da die Kosten davonlaufen.
- Ältere Zahnärztinnen und Zahnärzte in eigener Praxis werden vorzeitig aufgeben und ihre Praxen vermutlich ohne Nachfolger schließen.
- Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte werden mit diesen Zukunftsaussichten noch weniger das Risiko einer Niederlassung eingehen.
Es entsteht ein Teufelskreis, der die zahnärztliche Versorgung erodiert und der den Investorengesteuerten MVZ das Feld überlässt. Die zunächst schleichende und jetzt immer weiter um sich greifende Übernahme durch MVZ-Ketten, die zum Teil in der Hand von Hedge-Fonds in Steueroasen sind, verbessert gerade nicht die Versorgung, sondern führt zu Konzentrationen in Ballungsräumen und zu Oligopolen – und wahrscheinlich zukünftig zu möglicherweise auszuspielender Marktmacht (etwa im Bereich Dialyse). Zu Beginn der COVID-19-Pandemie forderten Vertreter großer MVZ-Ketten als erste und am lautesten öffentlich die behördliche Schließung der Zahnarztpraxen und meldeten Kurzarbeit an. Es fiel ihnen offenbar leicht, denn hier bekommen auch die Zahnärzte Kurzarbeitergeld – bei den Niedergelassenen in Einzel- oder Gemeinschaftspraxen nicht. Am Ende der Pandemie wird die Versorgungslandschaft eine andere sein – und die Profiteure werden jene MVZ-Ketten sein, die nun durch finanzstarke Investoren im Hintergrund den längeren Atem haben.
Mit der Berücksichtigung der Zahnärzte in der Schutzverordnung wäre zumindest ein Schritt getan, um die Versorgungslandschaft zu erhalten. Es wäre auch ein Zeichen der Wertschätzung für die Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland, die wie andere ärztliche Fachgruppen für ihre Patienten da sind, dass sie in dieser beispiellosen Krise nicht vollständig vergessen wurden.
Sehr geehrter Herr Spahn, wenn Sie in sonnigen Zeiten die Zahnärzte als vorbildlich loben, dann vergessen Sie bitte nicht, ihnen bei Regen und Hagel den Schirm aufzuspannen.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Schrader
FVDZ-Bundesvorsitzender“