Klinische Untersuchung und Zahnfilme erlauben nur eine vorläufige Prognose und Behandlungsplanung [1]. Frakturen, Dentinrisse, akzessorische Kanäle, degenerative Veränderungen und Perforationen lassen sich auf diese Weise meist nicht entdecken. Auch im DVT sind zum Beispiel vertikale Frakturen oder Obliterationen nicht sicher erkennbar. Hierfür muss das (ehemalige) Pulpenkavum sorgfältig mit vergrößernden Sehhilfen untersucht werden. Gegebenenfalls kommen Färbelösungen oder Transillumination zum Einsatz [1].
Nach Präparation der primären Zugangskavität mit geeigneten Instrumenten (Tabelle) wird die endodontische Landkarte, also die Hartgewebsoberfläche nach Abtragen des Pulpakammerdachs, sorgfältig studiert [2]. Dafür eignen sich Lupenbrillen mit 4- bis 16-facher Vergrößerung. Eine feuchte Oberfläche zeigt obliterierte Wurzelkanaleingänge, eine trockene mit Debris gefüllte Hohlräume als ehemalige Position der Kanäle [1].
Häufig ist die Orientierung erschwert (Abb. 1 und 2): Sekundärdentin hebt sich weißlich vom gelben bis braunen Primärdentin ab. Peripher erscheinen obliterierte Wurzelkanäle dunkel, was auf fehlendes Licht im subkrestalen Bereich zurückzuführen ist. Der zentrale Anteil zeigt sich dagegen meist weißlich-opak. Tertiärdentin hat eine orangefarbene bis dunkelbraune Färbung. Bei nicht fachgerechter Suche nach Wurzelkanaleingängen wird die weitere Aufbereitung bereits im Ansatz vereitelt. Die Zahnhartsubstanz kann geschwächt werden oder es können Perforationen auftreten.
Darstellen und initial eröffnen
Bereits bei Präparation der Zugangskavität werden Dentinüberhänge entfernt, die sich bei Frontzähnen meist lingual, bei Molaren zervikal über dem Eingangsbereich der Wurzelkanäle befinden (Abb. 2). Unabhängig vom bevorzugten Instrument muss innerhalb der Zahnkrone die Drehzahl reduziert werden. Grazile, substanzschonende Formen sind angezeigt. Bei Frontzähnen eignen sich auch langschäftige Instrumente, im Seitenzahngebiet entscheidet die Mundöffnung über die adäquate Länge.
Endodontische Rundbohrer (Rosenbohrer) bieten durch ihren schlanken Hals eine gute Übersicht. Sie erlauben formbedingt, Überhänge am Pulpakammerdach zu ertasten und gezielt abzutragen. Rundbohrer schneiden sowohl stirnseitig als auch seitlich, so dass je nach Situation die gesamte Kavität präpariert werden kann. Schließlich lässt sich mit sehr kleinen Durchmessern effizient in die Tiefe präparieren. Bei seitlichem Druck können die Instrumente jedoch leicht brechen. Zudem produzieren sie unebene seitliche Flächen, was den Zugang für Aufbereitungsinstrumente erschwert.
Ultraschallinstrumente erlauben ebenfalls eine sehr gute Sicht. Sie präparieren relativ effizient in horizontaler Richtung und erzeugen glatte seitliche Flächen. Nachteile sind die begrenzte Wirksamkeit in vertikaler Richtung und die geringe Standzeit abrasiver Beschichtungen. Für eine gute Sicht muss ohne Wasserkühlung trocken präpariert werden. Dadurch sind zeitraubende Abkühlpausen notwendig. Schließlich erzeugen spitze Ultraschall-Aufsätze einen unebenen Boden, so dass Lichtreflexe Kanaleingänge vortäuschen können.
Die Vorteile von Hartmetall-Rundbohrern und Ultraschallsystemen vereinen spezielle rotierende, konisch geformte Hartmetallinstrumente (SS White Dental, Vertrieb: atec Dental) (Abb. 3) [3]. Diese basieren auf speziellen Bohrern für die minimal-invasive Fissurenerweiterung. Aufgrund ihrer Form arbeiten sie effizient in die Tiefe und erzeugen glatte Seitenflächen. Auch der Kavitätenboden bleibt glatt und kann weiterhin gut „gelesen“ werden (Abb. 2). Überhänge des Kammerdaches lassen sich dagegen nicht ertasten, so dass die Kontrolle mit einer geeigneten Sonde erforderlich ist.
Gleitpfad präparieren
Sind die Eingänge eröffnet, kann der koronale Wurzelkanalabschnitt ganz oder teilweise durch Sekundärdentin oder Dentikel verlegt sein. Um den Kanal bis zum Apex aufbereiten zu können, muss er daher nach dem Crown-down-Prinzip gängig gemacht werden. Dadurch lassen sich zudem Kanalbegradigungen und Instrumentenbrüche vermeiden. Für diesen Schritt eignen sich neben den oben erwähnten Instrumenten die traditionellen Gates-Glidden-Bohrer [4]. Am sichersten funktioniert Nr. 2, während größere GG-Instrumente den Zahn tendenziell schwächen und in gut 7 Prozent zu Perforationen führen können (Nr. 4).
Eine weitere Option für diesen Arbeitsschritt sind maschinell betriebene Nickel-Titan-Feilen mit großer Konizität, sogenannte Bohrer oder Erweiterer (Abb. 4). Rotierend und aus Nickel-Titan hergestellt sind auch spezielle Gleitpfadfeilen, die für die initiale Erweiterung bis zum Apex dienen. Während dieser Arbeitsschritte kann eine sogenannte intrakanaläre Diagnostik notwendig sein [1]. Ziel ist, zum Beispiel Isthmen, Seitenkanäle, tiefe Aufteilungen oder Konfluenzen zu entdecken. Hierfür ist bis zum mittleren Drittel ein Dentalmikroskop (8- bis 30-fache Vergrößerung) hilfreich, unterstützt durch Mikro-Öffner (Micro-Opener) zum Abtasten der Kanlwände. Im apikalen Drittel sind Guttapercha-Abformungen oder klassische Papierspitzen indiziert [1].
Fazit: Erfolgreiche Endodontie setzt sorgfältige Diagnostik und differenziertes Vorgehen voraus, auch beim Darstellen und initialen Erweitern der Wurzelkanäle. Im Zweifel kann es sinnvoll sein, Patienten zu Spezialisten zu überweisen, die über ein Mikroskop und größere Erfahrung in schwierigen Fällen verfügen.
Literatur
[1] Arnold M, Friedrichs C, et al. Intrakoronale und intrakanaläre endodontische Diagnostik (IKD). Endodontie 2013;22:9-21.
[2] Friedrichs C. Die endodontische Landkarte. Orientierungshilfen zur Präparation der Zugangskavität und der Darstellung der Kanalsysteme – Teil 1. Endodontie 2010;19:355-363.
[3] Huhn C, Koch JH. Darstellung und initiale Erweiterung der Wurzelkanäle. Endodontie 2012;21:131-138.
[4] Zargaran G, Hülsmann M. Der Gates-Glidden-Bohrer in der Endodontie. Geometrie, Einsatzbereiche, Probleme. Endodontie 2014;23:275-283.