Welcher Fehler beim Begründen am häufigsten begangen wird und wie Sie für Ihre Praxis einen individuellen Begründungskatalog erstellen, schildert unsere Abrechnungsexpertin Christine Baumeister-Henning.
Inhalt
- Der häufigste Fehler beim Begründen
- Anamnese des Patienten
- Besonderheiten des Patienten
- Auch Angstpatienten erfordern besondere Vorgehensweisen
- Leitfrage: „Was war anders?“
- Vom zahnärztlichen Sachverstand profitieren
- Beispiel
- Wichtiger Hinweis
- Die Autorin
Der Zahnarzt ist gemäß § 5 Abs. 2 GOZ verpflichtet, jede seiner Leistungen zu bemessen und in einem Gebührenrahmen von Faktor 1,0 bis 3,5 zu bewerten. Der 2,3fache Steigerungssatz bildet hierbei eine Leistung mit durchschnittlicher Schwierigkeit und durchschnittlichem Zeitaufwand ab. Bei der Bemessung der Gebühr sind die folgenden Bemessungskriterien heranzuziehen:
- Zeitaufwand der einzelnen Leistung
- Schwierigkeit der einzelnen Leistung
- Umstände bei der Ausführung der einzelnen Leistung
- Schwierigkeit des Krankheitsfalles
Der häufigste Fehler beim Begründen
Als Begründung oder Rechtfertigung wird die Darlegung von Gründen für eine These verstanden. Für die zahnärztliche Honorarforderung übersetzt bedeutet dies Folgendes: Der Zahnarzt behauptet mit seiner Honorarforderung, seine Leistung sei überdurchschnittlich zeitaufwändig oder schwierig gewesen. Mit der abgegebenen Begründung muss er den Beweis für die Berechtigung seiner Honorarforderung erbringen.
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Der häufigste Fehler, der aus Sicht der Autorin bei Begründungen anzutreffen ist: Es wird nicht begründet, sondern vielmehr ein Befund beschrieben (z.B. eingeschränkte Mundöffnung). Aus dieser Befundbeschreibung ergibt sich noch nicht, dass diese Tatsache den Zahnarzt in besonderem Maße gefordert hat. Vollständig könnte die Begründung lauten: „Durch die eingeschränkte Mundöffnung des Patienten war es erheblich erschwert, die Behandlungsinstrumente regelgerecht zu platzieren.“
Wichtig für die Beweisführung im Streitfall ist die zahnärztliche Dokumentation. Hier sind gerade die Behandlungsteams gefordert, die notwendigen Informationen aufzuzeichnen, damit bei der Rechnungserstellung die Gründe angeführt werden, die in der Sitzung oder durch den Patienten bedingt tatsächlich zu einer höheren Honorarforderung führten. Gründe, die zu einer vom Durchschnitt abweichenden Honorierung führen können, können
- in der Person des Patienten liegen
- durch Besonderheiten/Schwierigkeiten bei der aktuellen Behandlung liegen
- in der besonderen Ausführung der Behandlung liegen.
Anamnese des Patienten
Gründe für einen möglicherweise erhöhten Steigerungssatz lassen sich schon in der Anamnese erkennen und sollten im „Risikofenster“ des Patienten hinterlegt werden. Die Angaben „ASS100“, „Marcumar“ o.ä. sind dann von Nutzen, wenn chirurgische Eingriffe stattgefunden haben. In diesen Fällen kann als „Standardbegründung“ hinterlegt werden: „Besonderer zeitlicher Mehraufwand bei der intraoperativen Blutstillung bei zeitgleicher Antikoagulantienbehandlung.“
Wenn beim Patienten bekannt ist, dass er nicht liegend behandelt werden kann, sollte dies auch im „Risikofenster“ hinterlegt werden, denn mit dieser Besonderheit werden alle Eingriffe im Oberkiefer erheblich erschwert. Als Standardbegründung kann dann angeführt werden: „Besondere Schwierigkeiten bei der Behandlung im Oberkiefer, weil der Patient nicht behandlungsgerecht gelagert werden konnte.“
Ebenso ist es schwierig und erheblich vom Durchschnitt abweichend, Patienten im Rollstuhl oder mit besonderen Behinderungen zu behandeln. Manche Patienten haben Kiefergelenksprobleme und müssen häufiger den Mund schließen, um das Gelenk oder die Muskulatur zu entlasten. Wenn dies der Fall ist, kann ein erhöhter Faktor so begründet werden: „Deutlicher zeitlicher Mehraufwand: der Patient leidet unter Kiefergelenksbeschwerden und zur Entlastung der Muskulatur musste die Behandlung mehrfach unterbrochen werden.“
Besonderheiten des Patienten
Gerade die Stuhlassistenz nimmt oft schicksalsergeben Besonderheiten bei der Behandlung in Kauf, ohne sie in der Dokumentation zu vermerken. So gibt es Patienten, die mit Kraft gegen die Behandlungsinstrumente arbeiten, insbesondere mit ihrer Wangenmuskulatur gegen den Sauger drücken. Wenn dies dokumentiert ist, kann als Begründung angeführt werden: „Erheblich erschwerte Behandlung wegen des hohen Wangendrucks; die Arbeitsinstrumente mussten häufig neu positioniert und das Arbeitsfeld neu eingestellt werden.“
Wichtig ist es eben, nicht nur den „Befund“ „Hoher Wangenmuskeltonus“ als Begründung anzuführen, sondern auch, welche Folgen das für die zahnärztliche Behandlung hatte. Hat der Patient Mundwinkelrhaghaden oder Herpes, kann er den Mund nur eingeschränkt öffnen oder muss ihn ebenfalls häufiger wieder schließen. Diese Besonderheiten sollten ebenfalls in der Dokumentation aufgeführt werden.
Auch Angstpatienten erfordern besondere Vorgehensweisen
Die Besonderheiten des Patienten können permanent sein. Dann ist es für die Rechnungslegung sehr einfach, wenn dieses Merkmal in den Stammdaten gespeichert wird. Es steht dann stets für die Rechnungslegung zur Verfügung und kann dann schnell verwendet werden. Beispiel: Die intraorale Tätigkeit des Zahnarztes bei einem Morbus-Parkinson-Patienten gestaltet sich durch die motorische Unruhe erheblich schwieriger als bei einem vergleichsweise ruhig sitzenden Patienten.
Auch Angstpatienten fordern besondere Vorgehensweisen. Eine mögliche Begründung könnte sein: „Erhöhter Zeitaufwand: Die Behandlung musste häufig unterbrochen werden, um durch zusätzliche Erklärungen der jeweiligen Behandlungsschritte die Kooperationsfähigkeit des Patienten aufrecht zu erhalten.“
Zusätzlichen Dokumentationsaufwand erfordern die Besonderheiten des Patienten, die nur zeitweise auftreten, etwa eine starke Erkältung, die Behandlungsunterbrechungen erfordert, damit der Patient Naser putzen oder Luft holen kann. Gleiches gilt für die bekannte „Sommerbegründung“: „Aufgrund der wetterbedingten Kreislauflabilität bei extrem hohen Außentemperaturen musste die Behandlung sehr häufig unterbrochen werden und erforderte einen hohen zeitlichen Mehraufwand.“
Leitfrage: „Was war anders?“
Die Behandlung selbst kann natürlich auch einen veränderten Steigerungsfaktor erfordern. Ich habe mir angewöhnt, nicht mehr zu fragen, was so schwierig war, sondern frage jetzt: „Was war anders?“ Dann wird die (veränderte) Vorgehensweise in bestimmten Situationen von den Behandlern geschildert und aus dieser Schilderung lässt sich prima eine Begründung für einen erhöhten Faktor formulieren.
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Ein Beispiel: Nach einer Wurzelkanalbehandlung wird die Kavität wieder mit Komposit verschlossen. Diese Kavität ist aber im Vergleich zu vielen anderen Kavitäten an kariösen Zähnen erheblich tiefer, denn schließlich musste ja bis an den Eingang der Wurzelkanäle präpariert und wieder verschlossen werden. Klar also, dass eine Füllung nach einer Wurzelkanalbehandlung einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand erfordert.
Vom zahnärztlichen Sachverstand profitieren
In den Workshops der Autorin „Begründen – aber richtig!“ ist vor dem Hintergrund der offensichtlich immer wieder auftretenden Schwierigkeiten bei der Formulierung zutreffender Begründungen ein „Begründungskatalog“ mit zahnärztlichem Sachverstand entstanden, der bereits von über 1000 Praxen mit Erfolg angewendet wird. Er kann online hier bezogen werden.
Wenn Sie für Ihre Praxis einen individuellen Begründungskatalog erstellen wollen, gehen Sie folgendermaßen vor:
1. Schritt: Sammeln Sie die Besonderheiten, die Ihnen die Behandlung regelmäßig erschweren oder einen erhöhten Zeitaufwand erfordern. Binden Sie das gesamte Team in diese Arbeit ein. Es genügen zunächst Stichworte.
2. Schritt: Beschreiben Sie, welche Folgen die jeweilige Besonderheit für Ihre Behandlung hat. Dieser Schritt ist wichtig, denn aus dieser Beschreibung ergibt sich der (für den Patienten nachvollziehbare Grund) für Ihren erhöhten Steigerungsfaktor.
Beispiel
Sie stellen fest, dass die Kavitätenpräparation bei der Entfernung von Kompositmaterial länger dauert als bei der Präparation eines bis dato ungefüllten oder eines mit einer Amalgamfüllung versorgten Zahnes. Der Grund dafür: Sie müssen die Präparation häufiger unterbrechen und das weitere Vorgehen prüfen, weil der farbliche Unterschied zwischen gesunder Zahnsubstanz und Kompositmaterial schwieriger feststellbar ist. Daraus wird nun die folgende Begründung: „Deutlicher zeitlicher Mehraufwand bei der Kavitätenpräparation: Die Entfernung alten Kompositmaterials erfolgte mit mehrfacher Unterbrechung, um den Übergang zwischen Zahnhartsubstanz und Kompositmaterial darzustellen. Nur so konnte eine substanzschonende Arbeit gewährleistet werden.“
Wichtiger Hinweis
Vermeiden Sie in Ihrer Begründung Begriffe wie „besonders schonend“, „präzise“, „sorgfältig“ oder „genaues Arbeiten“. Kostenerstatter drehen diese Begriffe gern um und teilen Ihrem Patienten mit, sorgfältiges Arbeiten sei selbstverständlich oder sie fragen, ob für Faktor 2,3 ungenaues, unpräzises oder weniger sorgfältiges Arbeiten erfolgt.
Die Autorin
Christine Baumeister-Henning
ZMV+
zmv-dienstleistung.de
Tel: 08034 90978 10