Anzeige

Premium Article

Premium Article
0

Advertorial

Advertorial
0

Die Maschen müssen noch deutlich enger werden

Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Niemand käme auf die Idee zu behaupten, dass Deutschland ein Problem mit zahnmedizinischer Unterversorgung hat. Alle Statistiken und Übersichten weisen einen erfreulich hohen Grad der Versorgung aus, das Kariesaufkommen ist auf einem niedrigen Stand, der Bedeutung der Volkskrankheit Parodontitis wurde zuletzt durch die Aufnahme ins Spektrum der Kassenleistungen Rechnung getragen und und und. Viele positive Nachrichten zum Stand und zur Qualität der zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland.

Kooperationsverträge mit Pflegeeinrichtungen

Und doch muss man gleichzeitig feststellen, dass Deutschland zahnmedizinisch unterversorgt ist. Klingt paradox, leuchtet aber ein, wenn man den Blick auf die Bereiche der Statistiken richtet, die den Grad der Versorgung Pflegebedürftiger ausweisen. Ein Gradmesser ist die Zahl der Kooperationsverträge, die von niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzten mit Pflegeeinrichtungen geschlossen wurden und werden. Hier ist die Entwicklung sehr positiv, denn mittlerweile liegt die Abdeckung mit Kooperationsverträgen im Bundesdurchschnitt bei rund 40 Prozent – wenn auch mit deutlichen regionalen Unterschieden, hieß es auf der 31. Jahrestagung der DGAZ in Königstein. Da sei bei allen Erfolgen also noch deutlich „Luft nach oben“, so der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Martin Hendges in seinem Überblick über die Entwicklung in der aufsuchenden Betreuung.

Die Entwicklung schreitet also trotz einer gewissen „Delle“ durch die Corona-Pandemie erfreulich voran. Aber die durchschnittlich 40-prozentige Abdeckung duch Kooperationsverträge täuscht leicht darüber hinweg, dass der weit überwiegende Teil der Pflegebedürftigen in Deutschland nicht zahnmedizinisch betreut wird: die Gruppe derer, die nicht in Pflegeeinrichtungen betreut wird, sondern zu Hause von Angehörigen. Deren Zahl ist schon heute groß, sie wird aber noch weiter und noch schneller wachsen. 

Enormer zeitlicher und organisatorischer Aufwand

Das Dilemma: Bedeuten schon Kooperationsverträge für Zahnärztinnen und Zahnärzte enormen zeitlichen und organisatorischen Aufwand, dürfte er bei aufsuchender Betreuung von zu Hause versorgten Menschen noch höher sein. Die Fähigkeiten von pflegenden Angehörigen und Mitarbeitern ambulanter Pflegedienste sind wahrscheinlich in den meisten Fällen eher begrenzt, sie können im besten Fall eine rudimentäre Grundbetreuung leisten. Pflegebedürftigkeit bedeutet allerdings nicht in allen Fällen gleichzeitig Immobilität, ein Besuch in der Praxis „beim Hauszahnarzt“ wird also in vielen Fällen möglich sein – mit Unterstützung von Angehörigen oder durch die Inanspruchnahme von Fahrdiensten. Wie groß dieser „mobile“ Teil der Pflegebedürftigen in häuslicher Betreuung ist, wäre interessant zu wissen, um den wahren Bedarf an aufsuchender Betreuung durch Zahnärztinnen und Zahnärzte und ihren Teams besser abschätzen zu können.

Fachkräftemangel sowohl in den Praxen als auch in der Pflege

Nicht nur Zahnarztpraxen leiden unter zunehmendem Fachkräftemangel, auch bei den Pflegekräften ist die Situation nicht rosig. Trotzdem wird kein Weg daran vorbeiführen, Pflegepersonal der ambulanten wie stationären Betreuung mit zahnmedizinischem Basiswissen – Mundhygiene, Prothesenreinigung etc. – auszustatten. Dies jedoch, ohne den „Zahnarzt light“ oder zusätzliche Berufe einzuführen, wie BZÄK-Präsident Christoph Benz beim DGAZ-Symposium in Köln zu bedenken gab. Was er ebenfalls sagte: „Häusliche Pflege-Zahnmedizin ist kein Hexenwerk, absolut zukunftsfest und einer unserer ganz wenigen Wachstumsbereiche, die der Berufsstand wahrnehmen sollte.“

Die Herausforderung ist riesig, Ressourcen wie Zeit und Personal sind vergleichsweise knapp. Es gibt viel zu tun, um die Maschen der zahnmedizinischen Versorgung enger zu gestalten, damit wirklich ­alle Patienten betreut werden können.