Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick
34 Jahre sind eine lange Zeit. Und doch gibt es eine real existierende Gebührenordnung für Zahnärzte, die mittlerweile seit mehr als 34 Jahren auf einem bis heute unveränderten Punktwert verharrt. Schuld daran ist nicht die Zahnärzteschaft, die ja sonst für alles mögliche herhalten muss. Nein, Schuld ist die Politik, die es in all den Jahren versäumt hat, den Zahnärzten ein offenes Ohr zu schenken beziehungsweise mit dem 11-Pfennig-Anachronismus – ja, der GOZ-Punktwert stammt noch aus D-Mark-Zeiten und wurde bei der Euro-Umstellung lediglich in einen Cent-Betrag umgerechnet – aufzuräumen und die Bewertung privater Leistungen auf ein zeitgemäßes Niveau zu heben.
Zeitgemäß angesichts der immensen Kostensteigerungen, die nach fast dreieinhalb Jahrzehnten überall zu spüren sind. Überall, also auch in den Zahnarztpraxen – ohne allerdings den Zahnärzten eine Kompensation der gestiegenen Kostenbelastung zuzugestehen.
Das Ohr der Politik zu erreichen hat sich nun eine Gruppe standespolitisch aktiver Zahnärzte um den Zahnarzt Dr. Rüdiger Schott aus Oberfranken auf die Fahne geschrieben, indem sie einen ungewöhnlichen Weg beschritten hat: Schott als Hauptpetent möchte mit einer Online-Petition den Bundestag dazu bringen, ihm Gehör zu gewähren. Sollte die Petition erfolgreich sein, führt für die Politik kein Weg daran vorbei, es muss eine offizielle Anhörung geben, der Petent muss sein Anliegen vorbringen dürfen.
Hört sich einfacher an, als es bei genauerem Hinsehen ist. Immerhin ist die erste Hürde genommen, die Petition wurde am 9. Juni eingereicht. Derzeit wird das Anliegen geprüft, was sicher noch ein Weilchen dauern wird – hoffentlich, kann man nur sagen. Denn eine Veröffentlichung der Petition zur Unterzeichnung wäre zum jetzigen Zeitpunkt, in der Sommerferienzeit in Deutschland, eher kontraproduktiv.
Denn die meisten Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland samt ihrer angestellten Fachkräfte dürften jetzt im wohlverdienten Urlaub sein, zumindest ein paar Wochen lang. Über Erfolg oder Misserfolg der Petition könnten diese „paar Wochen“ entscheiden: Um erfolgreich zu sein, müssen mindestens 50.000 Unterstützer gefunden werden, und es stehen nur 28 Tage Zeit zur Verfügung – danach geht nix mehr.
So wie eine erfolgreiche Petition ein Silberstreif am düsteren GOZ-Horizont sein könnte, so zieht mit den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an anderer Stelle möglicherweise ein Gewitter auf: Sein Entwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz setzt für die kommenden zwei Jahre auf Regelungen, die faktisch auf eine Vergütungskürzung vertragszahnärztlicher Leistungen (ohne Zahnersatz) hinauslaufen. Neben einer um 0,75 beziehungsweise 1,5 Prozent abgesenkten Grundlohnsummen-Rate sollen auch die Punktwerterhöhungen begrenzt werden. Ziel ist es, 2023 und 2024 insgesamt etwa 460 Millionen Euro einzusparen.
Für Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV, gibt es angesichts eines Anteils von nur 6,25 Prozent des zahnärztlichen Versorgungsbereichs an den GKV-Gesamtausgaben aber keinen Grund, „in die alten Muster der Kostendämpfungspolitik zurückzufallen“. Auf der einen Seite also ein zarter Hoffnungsschimmer, über den unkonventionellen Weg einer Petition Bewegung in den GOZ-Punktwertstillstand zu bringen, auf der anderen Seite die konkret drohende Gefahr, dass die Anpassung der GKV-Punktwerte gebremst wird. Im Sinne der Zahnärzteschaft, ihrer Praxisteams und der Patienten muss verhindert werden, dass der eine Punktwert weiterhin stagniert und der andere in die Stagnation geführt wird. Versorgungssicherheit und Budgetierung passen einfach nicht zusammen.