Seit etwa einem Jahr sind Apotheken in ganz Deutschland in der Lage, E-Rezepte einzulösen und mit den Krankenkassen abzurechnen. Ab Januar 2024 sollen diese verpflichtend werden. Allerdings wird der digitale Weg bislang kaum genutzt und die rosa Zettelwirtschaft hat weiterhin Hochkonjunktur.
Neben den üblichen Bedenken, die die Umstellung einer lieb gewonnenen Gewohnheit immer mit sich bringt, klagen nicht zuletzt Ärzte über einen Mehraufwand. Ein Argument, das immer wieder vorgetragen wird, ist die Unsicherheit und Umständlichkeit bei der digitalen Unterschrift, kurz: der elektronischen Signatur.
Auf dem Papier sei die eigenhändige Unterschrift innerhalb von einer Sekunde getan, bei der digitalen Variante könne dieser Vorgang bis zu einer Minute Zeit in Anspruch nehmen. Statt Entbürokratisierung und Arbeitserleichterung also Frust wegen des höheren Zeitaufwands. Doch das könnte sich bald ändern. Denn eine technische Innovation wird auch dieses Problem lösen. So hat Zahnarzt Dr. Oliver Schäfer aus Tambach-Dietharz im Thüringer Wald gemeinsam mit dem PVS-Hersteller Teemer eine App für die Apple-Watch entwickelt, die die qualifizierte elektronische Signatur genauso schnell macht, wie ihr handschriftliches Pendant.
Zweifach qualifiziert
Schäfer ist Zahnarzt aus Leidenschaft, seit 2013 ist er mit seinem Bruder Dr. Attila Schäfer in der eigenen Praxis tätig, die die Eltern nach der Wende gegründet hatten. Mit sechs Mitarbeitern bieten sie das gesamte zahnmedizinische Behandlungsspektrum mit Ausnahme der Kieferorthopädie an. Viele Patienten wurden schon von den Eltern behandelt, und das Vertrauen der Patienten wird auch von den Söhnen nicht enttäuscht. Dr. Oliver Schäfer ist aber nicht nur Zahnmediziner, sondern er ist auch Softwareentwickler. Beste Voraussetzungen also, um die Ideen und Anforderungen zur Digitalisierung in der eigenen Praxis kritisch zu beleuchten und bestmöglich umzusetzen. Selbstredend, dass jede digitale Anwendung in der Praxis der Brüder vorab dem kritischen Blick des IT-Fachmanns standhalten muss.
So rückte in den zurückliegenden Jahren das Praxisverwaltungssystem (PVS) in den Fokus der Aufmerksamkeit. „Der Markt für die zahnärztlichen PVS ist überschaubar. Es gibt rund zwanzig Systeme, aus denen der Zahnarzt auswählen kann. Wobei es ein paar Große gibt, die aber in die Jahre gekommen sind und sich schwertun, Schritt zu halten mit den neuen Anforderungen“, erklärt Schäfer. Denn nicht nur die Anwenderoberfläche stamme teilweise aus den 1990er-Jahren, sondern auch die zugrunde liegende technische Basis. „Wir hatten eins dieser Systeme und haben über die Jahre beobachtet, wie es immer aufgeblasener wurde. Wir wollten einen Wechsel, weil unser PVS stetig langsamer, unübersichtlicher und weiter weg von dem rückte, was wir benötigen, um unsere Arbeit reibungslos erledigen zu können.“
PVS mit moderner technischer Basis
Nach einer intensiven Marktforschung und einem Jahr Vorbereitung auf die Umstellung nutzt die Praxis in Tambach-Dietharz seit Anfang dieses Jahres das PVS von Teemer. „Wir wollten ein technisch neues System, aber auch nicht Kunde Nummer eins mit allen Kinderkrankheiten sein. Da fiel die Wahl sehr schnell auf teemer, weil es diese Anforderungen erfüllt“, schildert der Zahnarzt. Dabei hat Schäfer die Möglichkeit genutzt, seine Expertise mit einzubringen. „Wir haben uns Zeit gelassen, unsere Prozesse zu analysieren und zu überlegen, was geht und was geht noch nicht? Wo müssen wir an mancher Stelle bei der Entwicklung helfen, indem wir laut sagen, was wir haben möchten.“
So habe Teemer eine App, Teemer Docs, in der alle Dokumente verwaltet werden von der Anamnese über Röntgenbilder bis hin zu den Aufklärungsbögen. Neu dazugekommen ist die Möglichkeit, alles was ein Patient unterschreiben muss, elektronisch zu leisten, wie man es auch beim Paketboten macht. „Hierbei konnten wir einen Anstoß geben und am Ende bin ich tatsächlich mit in die Entwicklung eingebunden worden. Das Erkennen der Praxisnotwendigkeiten ist an mancher Stelle das Schwierigste. Aber es ist keineswegs selbstverständlich, dass ich als Zahnarzt so weit in das Innere des Programms schauen und mich einbringen darf. Das wurde nicht nur toleriert, sondern von allen Seiten gefördert, wofür ich Teemer sehr dankbar bin.“
Digitale Signatur, die Schwachstelle beim E-Rezept
Doch damit nicht genug der Zusammenarbeit, denn bei der gerade viel diskutierten Einführung des flächendeckenden E-Rezepts zum 1. Januar 2024 hat Schäfer gemeinsam mit Teemer ein neues Projekt, besser gesagt, eine neue App in der Pipeline. Zur Ausstellung eines E-Rezepts ist die qualifizierte elektronische Signatur mit PIN für die Ärzte erforderlich. Diese Signatur sorgt gerade für Unruhe in der Ärzteschaft, denn sie dauert in der Regel länger als die Unterschrift auf dem Papier und wird daher immer wieder infrage gestellt.
„Ich war mir mit teemer schnell einig, dass man erstens vor der Notwendigkeit der elektronischen Unterschriften nicht weglaufen kann und dass man zweitens einen digitalen Weg finden muss, der die Schnelligkeit der handschriftlichen Unterschrift von einer Sekunde wiederbringt“, schildert Schäfer den Grundgedanken. „Und so haben wir gemeinsam eine App für die Apple-Watch entwickelt, die die Signaturerstellung optimiert. Diese funktioniert wie folgt: In dem Moment, in dem eine ZFA ein Rezept vorbereitet hat, erhält der Behandler auf der Uhr am Handgelenk ein akustisches Signal. Und mit nur einem kurzen Tippen kann er die qualifizierte elektronische Signatur – innerhalb einer Sekunde – erbringen“, so der Entwickler.
Damit passt Teemer Watch sehr schön zum neuen Einlöseweg für das E-Rezept, der seit Juli in der Anwendung ist. Der Patient erhält ein verordnetes Medikament allein mit seiner elektronischen Gesundheitskarte, ohne dass man einen QR-Code ausdrucken oder der Patient eine E-Rezept-App haben müsse. Denn mit der elektronischen Signatur des Arztes wird das Rezept an den E-Rezept-Fachdienst übermittelt und abgespeichert. In der Apotheke kann dieses Rezept nach dem Einlesen der „Chipkarte“ aufgerufen und das Medikament ausgehändigt werden. Auf diese Weise, so die Hoffnung, können ab dem kommenden Jahr bis zu 450 Millionen Papierrezepte, die derzeit jährlich per Hand verarbeitet werden, eingespart werden.
Während die Politik noch über den Nutzen des E-Rezepts streitet – Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach sieht darin „eine bessere Versorgung bei Entbürokratisierung“, KBV-Chef Dr. Andreas Gassen hingegen „einen Mehraufwand für die Ärzte in der dysfunktionalen digitalen Landschaft“ –, spürt Schäfer bereits jetzt in der Erprobungsphase von Teemer Watch einen echten Nutzen für seine Praxis. „Das Ausstellen des E-Rezepts braucht in unserer Praxis weniger Zeit als das Rezept auf Papier. Mit der entwickelten App haben wir den vorgegebenen digitalen Prozess, um etwas sehr Schönes ergänzt. Wir starten jetzt in die Betaphase.“
Vorreiter in Sachen Sicherheit und Schnelligkeit
Nach dem Einarbeiten der Rückmeldungen der testenden Kollegen soll die Teemer-Watch-App für alle Nutzer von Teemer freigeschaltet werden. Die Voraussetzung für die Anwendung ist allerdings eine Apple-Watch. Denn die App ist nur für iOS erhältlich, aus Sicherheitsgründen. Genauso wie Teemer sieht Schäfer in puncto Verschlüsselung, Datensicherheit und Speicherung das iOS-System weiterhin als die unangefochtene Nummer eins an. In der kleinteiligen Android-Welt mit den unterschiedlichen Handyherstellern könne nicht sichergestellt werde, dass immer die neuesten Updates vorhanden sind. „Teemer hat sich schon vor langem für iOS entschieden, und deswegen machen wir auch damit weiter.“ Die neue App zur digitalen Signatur von teemer sei die erste Lösung im Rahmen der Telematikinfrastruktur, die schon für einiges Aufsehen gesorgt habe.
„Wir sind sehr froh, dass wir das entwickelt haben, es ist ein Lehrstück, wie Teemer mit Herausforderungen umgeht. Die Gematik macht ja nur Vorgaben technischer Art, wie Prozesse in der TI funktionieren sollen. Die Ausgestaltung der Anwendung aber, wo und wie oft ich im System klicken muss, das entwickelt jedes PVS für sich. Und bei Teemer hat immer der Gedanke Vorrang, wie man es für den Anwender am praktikabelsten machen kann. An solchen Neuerungen hängt jedoch kein extra Preisschild für die Kunden, sondern es ist mit dem monatlichen Abo abgegolten“, freut sich Schäfer. So habe der Nutzer eine gute Planungssicherheit. Und die Updates funktionierten automatisch über Nacht ohne Wartezeit und Techniker im Haus. Man müsse keine Angst vor Neuerungen haben, von denen man nicht wisse, ob man sie brauche, die aber auf jeden Fall mehr Geld kosten würden.