Gesundheitsausschuss: Expertenanhörung zu den geplanten Digitalgesetzen
Der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages hat sich ausführlich mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen befasst und über die aktuellen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung diskutiert. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) (20/9046) sowie das Digitalgesetz (DigiG) (20/9048) wurden in die Beratungen eingeführt.
Das GDNG hat zum Ziel, Gesundheitsdaten für gemeinwohlorientierte Zwecke einfacher und schneller nutzbar zu machen. Dazu wird eine dezentrale Gesundheitsdateninfrastruktur mit einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle aufgebaut.
Mit dem Digitalgesetz soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen über die Einführung verbindlicher Standards beschleunigt werden.
Experten fordern einfache Regelungen im Digitalgesetz
Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für ein Digitalgesetz wird von Experten im Grundsatz begrüßt. Jedoch werden einzelne Regelungen kritisch hinterfragt, vor allem die aus Sicht einiger Gesundheitsexperten zu kleinteiligen Vorgaben und zu kurzen Umsetzungsfristen, wie eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf (20/9048) ergeben hat. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung des Gesundheitsausschusses sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Die Bundesregierung will die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben. Anfang 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet werden, das elektronische Rezept (E-Rezept) wird 2024 verbindlich. Die Nutzung der ePA wird auf das Widerspruchsverfahren (Opt-out) umgestellt. Wer die Akte nicht nutzen möchte, kann widersprechen.
Nach Ansicht des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist die Opt-out-Regelung notwendig, um die ePA als zentrale Datendrehscheibe zu etablieren, die Autonomie der Patienten zu stärken und den Akteuren notwendige Informationen alltagsnah zur Verfügung zu stellen. Allerdings sei die Frist zur Bereitstellung der ePA zu kurz. Die Einführung eines unreifen ePA-Produkts würde zu einer mangelhaften Akzeptanz führen. Die Frist sollte daher auf den 1. Juli 2025 festgesetzt werden. Nach Ansicht der GKV ist die geplante Möglichkeit für Krankenkassen, auf Wunsch der Versicherten bis zu zehn Dokumente pro Jahr in die ePA einzustellen, aufwendig, teuer und datenschutzrechtlich kaum umsetzbar. Alternativ könnten Versicherte eigenständig Dokumente scannen und in die ePA einstellen.
Der Verband der Ersatzkassen (vdek) sprach sich dafür aus, auch die psychotherapeutische Sprechstunde und die probatorischen Sitzungen als Videobehandlung zu ermöglichen. Fraglich sei der Versorgungsnutzen bei der assistierten Telemedizin durch Apotheken. Hier seien Modellprojekte sinnvoller als eine flächendeckende Einführung.
Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßte die Opt-out-Regelung bei der ePA, kritisierte aber die Zugriffsverwaltung, die an manchen Stellen zu kleinteilig gestaltet sei. Der Gesetzentwurf sehe überdies Fristen vor, die überwiegend als unrealistisch einzuschätzen seien.
Nach Ansicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) kann die ePA der Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung große Impulse geben. Daher unterstützte der Verband ausnahmsweise das Opt-out-Verfahren. Erfolgsfaktor des Prinzips sei neben dem erlebbaren Nutzen das Vertrauen der Versicherten. Es müsse gewährleistet sein, dass die technische Infrastruktur für eine reibungslose Nutzung der ePA bereitstehe. Ein Widerspruch gegen die ePA müsse einfach, selbsterklärend und barrierefrei möglich sein. Versicherte, die der ePA widersprechen, müssten vor Diskriminierung im Versorgungsalltag geschützt werden.
Mehrere Sachverständige gingen in der Anhörung auf die Art der Befüllung der ePA ein und wiesen auf die Bedeutung strukturierter Daten hin. Unstrukturierte Daten seien am Ende für die Ärzte nicht hilfreich.
Der Einzelsachverständige Ferdinand Gerlach warnte, es wäre unverantwortlich, Daten aus der ePA löschen zu dürfen. Die unvollständige Akte wäre für Ärzte dann keine zuverlässige Grundlage. Das gelte auch für die Ausblendung von Daten. Möglich sei hingegen eine Verschattung von Informationen, wenn der Versicherte dies wolle. Gerlach sagte, mit der ePA bekämen Versicherte erstmals zu sehen, wo über sie Gesundheitsdaten gespeichert seien und wer darauf zugreife. So könne auch Missbrauch besser erkannt und verfolgt werden. Er forderte eine Aufklärungskampagne über die Risiken der Nichtnutzung der ePA.
Experten begrüßen Nutzung der Gesundheitsdaten
Die von der Bundesregierung geplante systematische Auswertung von Gesundheitsdaten für gemeinwohlorientierte Zwecke wird von Experten begrüßt. Die Neuregelungen können nach Ansicht der Sachverständigen dazu beitragen, die Versorgung zu verbessern und die Forschung zu stärken. Allerdings wiesen die Fachleute in einer Anhörung über das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) (20/9046) auf die Notwendigkeit hin, die sensiblen Gesundheitsdaten zu schützen und die Versicherten über deren Verwendung selbst entscheiden zu lassen. Von Ärzten kritisch gesehen wird die Auswertung von Versichertendaten der Kranken- und Pflegekassen mit Hinweisen an die Versicherten. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Dem Gesetzentwurf zufolge soll eine dezentrale Gesundheitsdateninfrastruktur mit einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle aufgebaut werden. Hierzu wird eine unabhängige Stelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingerichtet. Den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen soll die stärkere Nutzung ihrer Daten ermöglicht werden, wenn dies der besseren Versorgung diene, etwa der Arzneimitteltherapiesicherheit oder der Erkennung von Krebserkrankungen oder seltenen Erkrankungen.
Nach Ansicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) ist die datengestützte Verbesserung der Versorgungsqualität grundsätzlich im Interesse der Bürger. Entscheidend seien angemessene Vorkehrungen für den Datenschutz. Ferner müsse Verbrauchern zu jedem Zeitpunkt die souveräne Entscheidung ermöglicht werden, für welche Zwecke ihre Daten zur Verfügung gestellt werden.
Die Bundesärztekammer (BÄK) kritisierte die den Kranken- und Pflegekassen eingeräumte Möglichkeit, auf Basis von Leistungsdaten individuelle Auswertungen vorzunehmen. Die BÄK warnte vor einer Verunsicherung von Patienten und Ärzten und schlug vor, zunächst in Pilotprojekten zu prüfen, ob diese Datenauswertung sinnvoll sei.
Auch die Psychotherapeutenkammer (BPtK) forderte, es müsse sichergestellt werden, dass Gesundheitsdaten nicht für Eingriffe in die heilkundliche Versorgung verwendet würden. Eine Leistungsempfehlung der Kranken- und Pflegekassen stelle einen systemfremden und fachlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Kompetenz von Psychotherapeuten und Ärzten dar. Ablehnend äußerte sich in der Anhörung auch ein Vertreter der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA).
Der AOK-Bundesverband hingegen begrüßte ausdrücklich die Möglichkeit der Krankenkassen für datengestützte Auswertungen zum individuellen Gesundheitsschutz der Versicherten. Auch andere Kassenvertreter warben in der Anhörung nachdrücklich für die Auswertung der Abrechnungsdaten und die Kontaktmöglichkeit zu den Versicherten. Als Beispiele wurden unvollständige Impfungen angeführt oder wichtige Hinweise für Schwangere oder Diabetiker. In manchen Fällen ließe sich so auch viel Leid verhindern.
Der Deutsche Caritasverband forderte, die Widerspruchsrechte müssten differenziert nach den Maßnahmen ausgestaltet werden, über die Krankenkassen ihre Versicherten informieren könnten. Sinnvoll wäre es zudem, das Risiko von Pflegebedürftigkeit einzubeziehen und entsprechende Daten der Pflegekassen zu nutzen, um Präventionspotenziale auszuschöpfen. Auch sollte den Versicherten ermöglicht werden, Widerspruchsrechte für die Übermittlung von individuellen Daten aus der elektronischen Patientenakte (ePA) auch auf analogem Weg geltend zu machen.
Der Einzelsachverständige Christian Karagiannidis vom Präsidium der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sprach sich dafür aus, neben dem Krebsregister auch andere qualitativ hochwertige Register in die Datenauswertung einzubeziehen, etwa das Traumaregister, das Reanimationsregister und das DIVI-Intensivregister.