Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick
Es ist amtlich: Das EU-weite Verbot von Amalgam (mit nur wenigen, durch den Zahnarzt zu begründenden Ausnahmen) ist nicht mehr abzuwenden und wird ab Januar 2025 gelten.
Vertreter der Kommission, des Rats und das Europäische Parlament haben am 8. Februar beschlossen, die seit den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts bewährte, aber auch umstrittene Materialgruppe der Zahnamalgame nicht länger zuzulassen. Seit Jahren schon ist der Anteil von Amalgamen stark rückläufig, in Deutschland bestehen nur noch 2,4 Prozent aller Füllungen aus Amalgam.
Quecksilber – das "Aus" gilt nicht nur in der Zahnmedizin
Der Grund für das Amalgamverbot ist allerdings kein vordergründig medizinischer, sondern ein umwelttechnischer. Es ist die Verarbeitung von Quecksilber, die die Umwelt belastet und so indirekt auch die Gesundheit der Bürger gefährdet. Die Produktion und die Weiterverarbeitung – auch zu dentalen Füllungswerkstoffen wie Amalgam – ist damit schon bald Geschichte.
Ja, Quecksilber ist giftig. Diesem Umstand fiel schon vor Jahren das klassische Fieberthermometer zum Opfer. Es enthielt, eingekapselt in ein relativ bruchempfindliches Glasröhrchen, Hg in Reinform, teilweise mit einem Thallium-Zusatz für einen erweiterten Messbereich. Seit 2009 ist der Vertrieb von Quecksilberthermometern außer für wissenschaftliche und medizinische Bereiche EU-weit verboten. Seit 2014 ist auch der Vertrieb von Quecksilberthermometern für gewerbliche und industrielle Verwendungen verboten. Auch Amalgam enthält Hg, wenn auch als Legierungsbestandteil.
Die Vorzüge von Amalgamfüllungen
Als Füllungswerkstoff bietet Amalgam durchaus Vorteile. Positiv sind...
- geringer Preis
- wenig techniksensitive und schnelle Verarbeitbarkeit
- lange Haltbarkeit.
Die Haltbarkeit wurde bislang von keinem anderen plastischen Füllungsmaterial erreicht. Gut gelegte Amalgamfüllungen, im Idealfall zahnanalog „geschnitzt“, können jahrzehntelang in Funktion bleiben – und sind durch das ebenfalls enthaltene Silber in gewissem Maße sogar karieshemmend.
Amalgam hat aber auch Nachteile, vor allem ästhetische:
- die dunkle Farbe der „Plomben“
- das unschöne Phänomen Amalgamtätowierung
- wenn Legierungsbestandteile in die Weichgewebe wandern
- Neigung zur (geschmacksbeeinträchtigenden) Bimetall-Korrosion, wenn sich Restaurationen aus anderen Metallen im selben Mund befinden.
Die Alternativen
Aber auch ohne Amalgam steht die Zahnmedizin in Zukunft nicht ohne Alternativen da. Neben Gold für langlebige und aufwendige Füllungen können Glasionomerzemente, Kompomere und Komposite unterschiedlichster Viskositäten verwendet werden.
Letztere sind schon heute nach den Bema-Nummern 13 e–h für Patienten bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres, bei Schwangeren, Stillenden und Patienten mit nachgewiesener Amalgamallergie oder Niereninsuffizienz als Amalgam-Alternative vorgesehen. So weit, so gut.
Kompomere und Komposite sind im Vergleich zu Amalgamfüllungen jedoch deutlich techniksensitiver und zeitaufwendiger in der Lege-artis-Verarbeitung. Die Frage ist, wer die Kosten der „kostenfreien“ Alternativen nach den Bema-Nummern 13 a–d am Ende tragen wird. Werden die Zusatzkosten in Form von Zuzahlungen auf die Patienten umgelegt?
Werden sich Vertragszahnärzte und Patienten die Mehrkosten oder zumindest den Differenzbetrag zum Kassenanteil für Füllungen im „kaudrucktragenden Seitenzahnbereich“ teilen?