Sowohl manuelle als auch maschinelle Feilensysteme erreichen nur rund ein Drittel der Wurzelkanaloberfläche, doch nicht entferntes Pulpagewebe verhindert in Kombination mit pathogenen Keimen, dass die Infektion abklingt. Hier sorgen Spülflüssigkeiten in Verbindung mit maschinellen Spülsystemen dafür, dass auch schwer zugängliche Wurzelkanalbereiche weitgehend von Keimen befreit werden. Der folgende Beitrag basiert auf der aktuellen DGZ-Stellungnahme, einer Übersicht von Prof. Benjamin Briseño Marroquin (Universität Mainz) und drei Literatur-Reviews von Dr. Tina Rödig (Universität Göttingen).
Spüllösungen zur Wurzelkanalspülung sollen desinfizierend und gewebeauflösend wirken, biologisch verträglich und einfach zu applizieren sein. Zudem haben sie die Aufgabe, die Schmierschicht zu entfernen, die bei mechanischer Bearbeitung der Wurzelkanalwände entsteht. Da jedoch keine Spülflüssigkeit all diese Eigenschaften in sich vereint, werden für eine verbesserte Prognose unterschiedliche Kombinationsprotokolle empfohlen.
Spüllösungen und Interaktionen
Natriumhypochlorit (NaOCl), Chlorhexidin (CHX) und Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) sind die derzeit am häufigsten verwendeten Substanzen. In der Regel werden zwei oder mehr Spüllösungen miteinander kombiniert. Dabei ist auf mögliche Wechselwirkungen und gegenseitige Neutralisierungen zu achten, die den reinigenden Effekt des Wurzelkanalsystems erheblich reduzieren können.
NaOCl ist die Spüllösung der ersten Wahl, da sie als einzige Substanz sowohl nekrotisches, als auch vitales Gewebe auflöst und sehr gut antimikrobiell wirkt, bei verhältnismäßig geringer Toxizität. Ihre praxisrelevante Konzentration liegt zwischen 0,5 bis 5 Prozent, empfohlen werden 3 Prozent. Die Anwendungszeit ist abhängig von der gewählten Konzentration. Um eine bessere Wirksamkeit zu erzielen, kann NaOCl kurz vor der Anwendung erwärmt werden. In Kombination mit Ultraschall lässt sich der Biofilm mit NaOCl leichter entfernen.
CHX wirkt nicht gewebeauflösend, ist aber biologisch verträglich und wie NaOCl gut antimikrobiell wirksam. In einer Konzentration von 0,2 bis 2 Prozent kann CHX als Zusatzspülung eingesetzt werden. Besonders effizient ist der Wirkstoff bei Revisionen, da hier Keime und Fungi auftreten, die gegen NaOCl resistent sein können.
EDTA eliminiert hauptsächlich die Schmierschicht (smear layer), die bei der mechanischen Aufbereitung der Kanalwände entsteht. Die Schmierschicht setzt sich vor allem aus Bakterien, Pulparesten und Dentin zusammen. Besonders bei komplexer Wurzelmorphologie ist sie ein Schlüsselproblem. Die Konzentration liegt üblicherweise bei 15 Prozent.
Zu vermeiden ist eine Mischung von NaOCl und CHX, da hierbei die krebserregende Substanz Parachloranillin (PCA) gebildet wird und sich die Lösung braun verfärbt. Zudem wird die Dichtigkeit der Wurzelkanalfüllung beeinträchtigt. Die Entstehung von PCA kann durch eine Zwischenspülung mit reinem Alkohol verhindert werden. Zeigt sich hier eine braune Lösung, wurde zu wenig gespült!
Nach EDTA-Applikation in den Wurzelkanal soll anschließend nicht mit NaOCl gespült werden, da EDTA die gewebeauflösende Wirkung des NaOCl fast vollständig aufhebt. Somit wird nach alleinigem Spülen mit NaOCl am Ende der Wurzelkanalaufbereitung EDTA empfohlen, um die entstandene Schmierschicht an den Kanalwänden als Endreinigung zu entfernen. Um die Kanäle vor der Wurzelfüllung zu trocknen, kann zum Schluss zusätzlich mit reinem Alkohol gespült werden.
EDTA und CHX verursachen zusammen eine weißliche Verfärbung, bilden jedoch kein PCA. Ob das EDTA-/CHX-Präzipitat sich negativ auf die Wurzelkanalfüllung auswirkt, bleibt noch ungeklärt.
Keine signifikante Überlegenheit neu eingeführter Spüllösungen
Neu eingeführte Spüllösungen wie MTAD (Markenname BioPure: Mischung aus Tetracyclin, Zitronensäure und Detergenz: Markenname Tween 80) reduzieren mithilfe des Detergenz die Oberflächenspannung der Flüssigkeit, sodass die Schmierschicht effektiver entfernt werden kann. Da diesen Produkten jedoch die essenzielle gewebeauflösende Komponente fehlt, sind sie nur als Zusatz nach der letzten NaOCl-Spülung zu verwenden. Eine signifikante Überlegenheit gegenüber den gängigen Substanzen konnte bisher nicht gezeigt werden.
Applikationsmenge, Applikationsdauer, Konzentration und Temperatur der Lösung beeinflussen die antimikrobielle Wirksamkeit. Des Weiteren ist eine effektive Spülwirkung nur gegeben, wenn die Wurzelkanäle ausreichend weit aufbereitet werden. Anderenfalls können die empfohlenen dünnen Kanülen mit einem Durchmesser von 0,3 bis 0,4 Millimeter (mm) nicht friktionslos bis zur notwendigen Distanz von 4 bis 5 mm vor den Aufbereitungspunkt eingebracht werden. Genaue Angaben zum notwendigen ISO-Durchmesser der zuletzt verwendeten Feile fehlen in der aufgezeigten Literatur.
Bei unzureichend aufbereiteten Kanälen besteht zusätzlich die Gefahr, dass die Kanüle klemmt. In diesem Fall ist eine Überpressung von Spüllösung über den Apex hinaus wahrscheinlich. Gewebezerstörungen und starke Schmerzen sind oft die Folge, besonders bei Verwendung von NaOCl. Um den angewandten Spülungsdruck besser zu kontrollieren, ist die Verwendung von 1- bis -5-Milliliter-Spritzen ratsam. Ebenfalls zu empfehlen sind seitliche Kanülenöffnungen, da hierbei ein Überpressen minimiert wird.
Spülsysteme mit Schall und Ultraschall
Da die konventionelle Handspülung nicht alle Verzweigungen des Wurzelkanalsystems erreicht, sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Hilfsmittel auf den Markt gekommen, die die Applikation der Spüllösung optimieren oder die Flüssigkeit mechanisch aktivieren.
Schall- und Ultraschallsysteme führen durch hydrodynamische Aktivierung zu einer hohen Strömungsgeschwindigkeit innerhalb der Spülflüssigkeit. Ultraschallgeräte erzeugen aufgrund der höheren Frequenz eine ausgeprägtere Mikrozirkulation als Schall. Folglich werden Biofilm und Debris im Wurzelkanal erfolgreicher entfernt. Bessere Ergebnisse als Ultraschall erzielen laut In-vitro-Studien laseraktivierte Spülflüssigkeiten bei kurzer Einwirkzeit. Jedoch kann das Entstehen verschieden großer Gasbläschen abhängig von der Einstellung der Laserfaser zu einer Überpressung der Lösung führen. Ein Abstand des Faserendes zur Arbeitsläng von 5 mm wird empfohlen.
Das EndoVac-System appliziert die Spülflüssigkeit durch Unterdruck in den Wurzelkanal, sodass ein Überpressen der Lösung nahezu ausgeschlossen ist. Des Weiteren wird die Spülung bis auf Arbeitslänge transportiert. Aktivierung und Applikation der Spülflüssigkeit vereint das RinsEndo-System. Möglich macht dies eine spezielle Saug-Druck-Technologie. Hier wird die Spülkanüle nur bis in das koronale Drittel des Wurzelkanals gebracht. Aufgrund der uneinheitlichen Studienlage lässt sich bisher keine eindeutige Aussage treffen, ob die untersuchten Spülsysteme verglichen zur Handspülung eine bessere antimikrobielle Wirksamkeit und Reinigungswirkung besitzen.
Schlussfolgerung: Die Wurzelkanalspülung ist eine unverzichtbare Ergänzung zur mechanischen Wurzelkanalaufbereitung. Laut Briseño Marroquin ist NaOCl das Mittel der Wahl, ergänzt durch eine EDTA-Endspülung, in den Konzentrationen drei (NaOCl) und 15 Prozent (EDTA). Wahlweise ist eine zusätzliche abschließende Alkoholspülung zu empfehlen, um die aufbereiteten Wurzelkanäle zu trocknen. Unterstützend kann versucht werden, die Reinigungswirkung mit Ultraschall oder mechanischen Systemen zu verbessern. Im Fall von Revisionen bei Verdacht auf Enteroccocus faecalis ist es sinnvoll, NaOCl mit CHX zu kombinieren. Man beachte hierbei die obligatorische Zwischenspülung mit reinem Alkohol.