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Den ­Praxiskaufvertrag richtig gestalten (Teil 4 von 7)

Junge Frau, Mann mit Schriftstück

Da es sich bei der vertraglichen Gestaltung der Praxisabgabe um ein Herzstück der Beratung handelt, zeigen wir in sieben Artikeln auf, welche vertraglichen Regelungen Sicherheit bieten.

Die wesentlichen Bestandteile einer zu veräußernden Zahnarztpraxis sind die materiellen sowie die immateriellen Vermögensgegenstände. Die immateriellen Vermögensgegenstände, der ‚Goodwill‘, wird in einer Zahnarztpraxis maßgeblich durch den Patientenstamm und die Patientenkartei geprägt.

Der Datenschutz

Dementsprechend finden sich in Praxisabgabeverträgen entsprechende Vereinbarungen zur Übergabe der Patientenkartei. In Anbetracht der seit dem 25. Mai 2018 geltenden europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) stellt sich die Frage, ob die bewährten Regelungen datenschutzrechtlich angepasst werden müssen.

Grundregel

Bei der Übergabe der Patientenkartei ist neben der therapeutischen Schweigepflicht auch der Datenschutz zu beachten. Weiterhin ist zu beachten, dass den Behandelnden hinsichtlich der Patientenakte grundsätzlich eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren trifft, vergleiche Paragraf 630f Absatz 3 BGB. Diese Pflicht bleibt auch bei einem Praxisverkauf bestehen.

Bisher ausreichend und bewährt: Das „Zwei-Schrank-Modell“

Einem Schweigepflichtverstoß entgeht der Praxisverkäufer nur, wenn er vor der Übergabe der Patientenkartei die Einwilligung des betroffenen Patienten einholt. In der Praxis wird dies seit Jahren durch das ‚Zwei-Schrank-Modell‘ sichergestellt. Es handelt sich dabei um ein praktikables und sicheres Modell zur Übergabe der Patientenkartei, das – verkürzt gesprochen – wie folgt funktioniert:
Wird die Patientenkartei analog verwaltet, bekommt der Praxiskäufer die Alt-Kartei des Praxisverkäufers verschlossen in einem zugriffssicheren Aktenschrank übergeben und führt eine zweite, eigene Kartei. Auf die Patientendaten in der Alt-Kartei darf der Praxiskäufer erst zugreifen, wenn er beim nächsten Besuch des Patienten dessen Einwilligung dazu einholt.
Bei einer EDV-geführten Kartei ist die Alt-Kartei technisch getrennt zu speichern und mit einer passwortverschlüsselten Zugriffssperre zu versehen.
Hinsichtlich der Aufbewahrung der Patientenakten schließen der Praxisverkäufer und -käufer einen Verwahrungsvertrag, der vorsieht, dass der Praxisverkäufer die Aufgabe der Aufbewahrung für den Praxisverkäufer übernimmt.

Und wie sieht es mit der DS-GVO aus?

Seit der Geltung der DS-GVO wird das bisherige Modell für nicht mehr ausreichend erachtet. Zum Hintergrund: Die Aufbewahrung der Patientenkartei wird als Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Artikel 4 Nr. 2 DS-GVO angesehen. Unter Verarbeitung fällt unter anderem auch das Speichern personenbezogener Daten, das im Rahmen der Aufbewahrung angenommen wird.

Auftragsverarbeitung?

Einige Stimmen gehen davon aus, dass zusätzlich zu den bestehenden Regelungen ein ‚Auftragsverarbeitungs-Vertrag‘ im Sinne des Artikel 28 DS-GVO geschlossen werden muss.
Ein Auftragsverarbeiter ist unter anderem eine natürliche Person, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet, vergleiche Artikel 4 Nr. 8 DS-GVO. Der Auftragsverarbeiter (der Praxiskäufer) verarbeitet (speichert) die personenbezogenen Daten gemäß den Weisungen des datenschutzrechtlich Verantwortlichen (des Praxisverkäufers) auf Grundlage des geschlossenen Auftragsverarbeitungsvertrags. Charakteristisch ist also, dass die Verarbeitung ausschließlich im Auftrag des Verantwortlichen erfolgt. Ein weisungsgebundenes Handeln des Praxiskäufers im Auftrag des Praxisverkäufers könnte bis zur Übernahme der Patientenakte in die eigene, neue Kartei dahingehend gesehen werden, dass der Praxiskäufer die Patientenkartei im Auftrag des Praxisverkäufers verwahrt beziehungsweise speichert.

Gemeinsame Verantwortlichkeit?

Auf der anderen Seite könnten Praxisverkäufer und -käufer auch als gemeinsame Verantwortliche im Sinne des Artikel 26 DS-GVO angesehen werden.
Für eine gemeinsame Verantwortlichkeit ist charakteristisch, dass die beiden Verantwortlichen Zwecke und Mittel zur Verarbeitung gemeinsam festlegen. Insbesondere mit Blick auf die Speicherung der Patientenkartei könnte ein eigenes Interesse und eine gemeinsame Verantwortung beider Parteien angenommen werden. Seitens des Praxisverkäufers wird in der Regel das „Ob“ der Datenverarbeitung, die Speicherung an sich, vorgegeben. Der Praxiskäufer hat allerdings häufig Entscheidungsspielraum dahingehend, auf welche Art und Weise die Verwahrung der Patientenkartei erfolgt. Auch gemeinsam Verantwortliche müssen eine Vereinbarung treffen und innerhalb dieser festlegen, wer welche datenschutzrechtlichen Pflichten zu erfüllen hat.

Achtung bei der Vertragsgestaltung

Die rechtlichen Vorgaben sind im Rahmen der Vertragsgestaltung exakt zu beachten. Denn im Zweifel droht ein Verschwiegenheitsverstoß sowie ein Datenschutzverstoß, der Bußgelder (Artikel 83 DS-GVO) zur Folge haben kann. Im worst case kann einzelne Regelung im Praxisabgabevertrag (oder der gesamte Vertrag), bei dem die genannten Erfordernisse der Einwilligung missachtet werden, leistungsgestört oder im Zweifel nichtig sein.

Praxistipp

Die bisherigen, bewährten Regelungen zur Übergabe der Patientenkartei sollten im Rahmen der Gestaltung des Praxiskaufvertrags unbedingt geprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden, da anderenfalls eine Strafbarkeit und ein Bußgeld nach DS-GVO droht.

Sie könnten wie folgt vorgehen

Zunächst einmal müssen die (altbewährten) Grundsätze des Zwei-Schrank-Modells gründlich herausgearbeitet und geregelt werden. Darüber hinaus sind aufgrund der besonders sensiblen und schützenswerten Gesundheitsdaten die datenschutzrechtlichen Vorgaben der DS-GVO zu beachten. Aus unserer Sicht ist der Abschluss eines gesonderten Vertrags über eine gemeinsame Verantwortlichkeit vorzugswürdig, der im Praxisabgabevertrag angesprochen und als Vertragsanlage beizufügen ist.

RA Christian Erbacher, LL.M., Fachanwalt für Medizinrecht, Bad Homburg

Über den Autor

Rechtsanwalt Christian Erbacher, LL.M., ist Fachanwalt für Medizinrecht und Partner der Kanzlei Lyck+Pätzold.healthcare.recht. Sein Schwerpunkt der Beratung liegt in regulatorischen Fragestellungen, der Begleitung von M&A-Prozessen und MVZ-Gründungen sowie dem Gesellschafts-, Arbeits- und dem Medizinprodukterecht. Außerdem berät er aufgrund seiner Leidenschaft für digitale Prozesse in allen Fragen zu E-Health.

(wird fortgesetzt)