„Als mir deutlich wurde, dass es so einfach nicht mehr weitergeht, ich quasi gezwungen war, Hilfe in Form betriebswirtschaftlicher Beratung anzunehmen, war das wirklich schwer für mich. Ich reagierte ,bockig‘ sowohl meiner Umgebung als auch den Menschen gegenüber, die mir helfen wollten. Um die Krise bewältigen zu können, brauchte es auch innerlich eine Veränderung.
Vom Alleinentscheider zum Teamplayer
Bisher hatte ich immer alles allein entschieden. Niemand, wirklich niemand, hatte mir reinreden dürfen – und plötzlich musste ich sozusagen ,teamfähig‘ werden. Die Bank betreute mich engmaschig. Und das nicht etwa, weil ich so ein toller Kunde war, sondern aus Sorge um ihre Investition. Ich fühlte mich massiv unter Druck gesetzt und dachte, es kann doch nicht sein, dass ich mir nach 15 Jahren Niederlassung eingestehen muss, ich hätte es irgendwie nicht drauf.
Die Dinge beim Namen nennen – auch wenn’s schwer fällt
Es waren die Berater von Kock + Voeste, die auf Empfehlung der Bank involviert wurden, und die sehr professionell und wertschätzend mit mir umgingen. Das tat mir gut, denn dadurch verstand ich allmählich, dass ich mich nicht mehr verteidigen oder verstecken musste.
Gleich im unserem ersten Gespräch nannte die Unternehmensberaterin die Dinge einfach beim Namen und machte deutlich, dass das Ziel eine gemeinsam zu erarbeitende Lösung und nicht die Schuldsuche war. Allmählich trat wieder so etwas wie Klarheit in mein Leben. Ich war ja in einer Situation, in der ich selbst noch gar nicht verstand, warum ich plötzlich Probleme hatte. Ich war doch immer ein erfolgreicher Zahnarzt mit vielen zufriedenen Patienten gewesen …
Buchtipp für Gründer und Praxisinhaber
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Die Autoren zeigen auf, anhand welcher Indikatoren Fehlentwicklungen in der Arzt- oder Zahnarztpraxis und im Medizinischen Versorgungszentrum frühzeitig erkannt und behandelt werden können. Praxisnah und anschaulich wird erläutert, wie Praxiskrisen entstehen, welchen Verlauf sie nehmen und welche Maßnahmen möglich sind, um wieder auf Erfolgskurs zu kommen. Dabei werden die Ursachen genauso beleuchtet wie geeignete Frühwarnsysteme. Checklisten und Kennzahlen unterstützen die Selbstdiagnose: Wie fit ist die Praxis und was ist zu tun, um nachhaltig für eine stabile Zukunft zu sorgen?
„Management für die Arzt- und Zahnarztpraxis – Wege aus der Krise“, Stephan F. Kock (Hrsg.), erschienen im Finanz Colloquium Heidelberg, Taschenbuch, 242 Seiten, 69 Euro brutto, ISBN: 978-3-95725-046-9.
Keine Chance ohne Veränderung
Im Laufe der Beratung habe ich nach und nach gelernt, wie die Zahlen zustande kommen und wie sie voneinander abhängen. Man kann die Dinge einfach nicht getrennt voneinander betrachten. Zusammenhänge muss man erkennen und daraus die richtigen Schlüsse ableiten. Dazu braucht es einen wirklichen Veränderungsprozess – innen wie außen –, und da war ich glücklicherweise in besten Händen.
Durch klare Vorgaben wird man nicht zum Kontrollfreak
Inzwischen habe ich auch verstanden, wie wichtig es ist, mit Vorgaben zu arbeiten und nicht nur „irgendwie vor sich hin“. Es gehört zu meinen Aufgaben als Praxischef, zeitliche und inhaltliche Vorgaben zu definieren und diese auch nachzuhalten. Das bedeutet nicht, dass man zum Kontrollfreak werden und jedes Stück verbrauchte Zahnseide messen muss.
Es geht vielmehr darum, dass man für eine grundsätzliche Einhaltung des Rahmens sorgt, sodass die wirtschaftlich notwendige Stabilität der Praxis erhalten bleibt – Controlling eben.
Kostenseite und Patientenzahlen passten nicht zueinander
Im Zuge der Fortführungsprognose wurde analysiert, dass meine Patientenzahlen zwar sehr gut waren und sich dementsprechend auch die Umsatzzahlen sehen lassen konnten, aber dass die Kostenseite viel zu ausgeprägt war. Einen wesentlichen Anteil dabei hatten die Personalkosten. Im Vergleich zu meinen Kollegen, so stellte sich heraus, hatte ich mehr und deutlich besser bezahlte Angestellte. Personal war mir immer wichtig und ist es auch heute noch. Ein gutes Miteinander trägt wesentlich zum Erfolg einer Praxis bei. Aber wenn die Kosten höher als die Einnahmen sind, passt das nicht zueinander und nutzt am Ende niemandem. Auch das musste ich lernen.
Die Mitarbeiterinnen sollten wissen, wo die Praxis steht
Lange habe ich versucht, am Personal festzuhalten. Das heißt, ich habe niemandem gekündigt. Meine Mitarbeiter machen alle einen guten Job, und das wollte ich immer auch finanziell anerkennen. Es ist nicht leicht, den Menschen, mit denen man seit Jahren vertrauensvoll zusammenarbeitet, gegenüberzutreten und Gehaltskürzungen oder Kündigungen auszusprechen.
Auf Anraten meiner Beraterin habe ich mich aber dazu entschlossen, mein Personal über die wirtschaftlich schwierige Lage zu informieren. Im Nachhinein muss ich sagen, das war gut so. Vieles ging danach leichter. Eigentlich hatte ich fast den Eindruck, dass ich ihnen nicht so viel Neues offenbart hatte, sondern dass Puzzlestücke nun sinnvoll ineinander passten ... Die gelben Briefe (die mit den Mahnbescheiden) in der Post, Investitionen, auch wenn es kleine waren, die ich mit wenig überzeugenden Argumenten abgelehnt hatte, meine Stimmung, die sicherlich nicht immer die beste war, und so weiter.
Vor jeder Neubesetzung den Wirtschaftlichkeits-Check machen
Gestrichen habe ich das Weihnachtsgeld und, wenn eine Mitarbeiterin beispielsweise im Zuge von Elternzeit über eine längere Phase hinweg ausfiel, habe ich diese Stelle nicht (wie ich es vorher getan hatte) sofort neu besetzt. Ich habe angefangen, genau zu überprüfen, wann eine Stelle wirklich sinnvoll ist und ob beziehungsweise unter welchen Prämissen sich diese rechnet.
Die Patienten haben nichts bemerkt
Man muss sich auch bewusst darüber werden, dass man nicht immer weiter die Patientenzahlen steigern kann – das funktioniert auf Dauer nicht. Kurzzeitig vielleicht, aber doch nicht die nächsten 20 oder mehr Jahre. Vielleicht hat man Familie und möchte auch Zeit mit seinen Kindern verbringen. Man kann nicht nur immer mehr und mehr machen. Da muss man auch ehrlich zu sich selbst sein. Die Patienten haben übrigens gar nichts gemerkt. Das war sicherlich auch besser so. Ich bin in diesem Zusammenhang auch sehr froh, dass seitens der Berater alle offen und gleichzeitig so vertrauensvoll mit mir und meiner Situation umgegangen sind.
Fachkompetenz allein ist zu wenig
Heute kommt man als Niedergelassener nicht drumherum: Man muss auch Unternehmer sein. Man braucht betriebswirtschaftliche Kompetenz und ein solides Praxiscontrolling. Man muss wissen, wie sich die Kosten und Einnahmen zusammensetzen, welche Leistungen wie oft nachgefragt werden, was erwirtschaftet werden muss und so weiter.
Fakt ist: Der wirtschaftliche Aspekt einer Praxis ist ein zentraler Punkt. Wenn der nicht stimmt, kann kein Zahnarzt gut arbeiten – egal wie ausgeprägt die Fachkompetenz ist. Und am Ende geht es ja darum, die Arbeit am Patienten, die Behandlung, so optimal wie möglich zu leisten.
Warum nicht selbst das Auto reparieren oder die Praxis putzen?
Meinen Kollegen kann ich nur raten, sich frühzeitig und umfänglich mit den betriebswirtschaftlichen Parametern zu beschäftigen. Manchmal ist es so absurd: Sein Auto bringt man bei Problemen auch in die Werkstatt und versucht nicht, selbst Hand anzulegen. Oder wir bezahlen ganz selbstverständlich Menschen, die uns beim Putzen oder im Garten helfen.
Aber für Beratung in betriebswirtschaftlichen und damit existenzsichernden Fragestellungen ist uns die Investition zu hoch. Selbst als ich in die Spezialkundenbetreuung der Bank übernommen wurde, ich mir also meinen Bankberater nicht mehr selbst aussuchen durfte, war ich zunächst noch uneinsichtig und wollte kein Geld für betriebswirtschaftliche Beratung ausgeben und lieber alles selbst machen. Aus heutiger Sicht ist das kaum mehr nachvollziehbar.
Schluss mit Bauchentscheidungen
Wenn ich heute so darüber nachdenke, war das Schwerste in der Krise für mich persönlich eigentlich, dass ich plötzlich feststellen musste, dass ich nicht mehr einfach so alles aus dem Bauch heraus entscheiden konnte. Ich war mit der Situation konfrontiert, dass nach 15 Jahren Praxischef, in denen ich – um es mit den Worten meines fünfjährigen Sohnes zu sagen – „der Bestimmer“ gewesen war, von mir plötzlich „Teamfähigkeit“ verlangt wurde. Die Bank und andere Gläubiger wollten auf einmal mitreden und sogar Entscheidungen mittreffen. Dieser Verlust an Autonomie war erst kaum zu ertragen. Heute bin ich froh, dass sich meine Praxis wieder im wirtschaftlichen Gleichgewicht befindet.
Heute kann ich endlich wieder ruhig arbeiten – und das ist es ja eigentlich, was man will: in Ruhe arbeiten – eben Zahnarzt sein und das tun, was man am liebsten tut: „zahnarzten“. Und wenn man ruhig ist, strahlt das natürlich auch aus – auf die Patienten, auf die Mitarbeiter, auf die Familie und zahlt damit positiv aufs Image ein – was will man mehr?