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Schmerzmanagement: Ibuprofen und Paracetamol sind Standard

Oralmedizin kompakt – Empfehlungen: US-amerikanische Leitlinien zur Medikation nach Extraktion, bei Pulpitis und Parodontitis apicalis

Zwei im September 2023 und Februar 2024 im Auftrag der American Dental Association (ADA) erstellte „Clinical Practice Guidelines“ liefern Empfehlungen zum pharmakologischen Schmerz-Management bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen [1, 2]. Sie beziehen sich ausschließlich auf postoperative Schmerzen nach einfachen oder chirurgischen Extraktionen und auf akute pulpitische oder periapikale Beschwerden. Die Gabe von Schmerzmitteln ist als alleinige Maßnahme ausdrücklich nur für den Fall angezeigt, dass eine ursachenbezogene Behandlung „nicht sofort möglich“ ist. 

    Kurz und klar

    • Zwei US-amerikanische Leitlinien geben Empfehlungen zum medikamentösen Schmerzmanagement nach Extraktionen und bei akuter Pulpitis oder Parodontitis periapicalis.
    • Nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAR/NSAID) allein oder in Kombination mit Acetaminophen (Paracetamol) haben die beste Wirksamkeit und die geringsten Nebenwirkungen.
    • Das gilt auch im Vergleich zu Opioid-Präparaten, bei nur geringer oder sehr geringer Evidenzstärke.
    • Für die Behandlung von Pulpitis und periapikaler Entzündung gibt es kaum vergleichende Daten, es gelten die Empfehlungen für Extraktionsschmerzen.
    • Opioide sind bei Kindern unter 12 Jahren kontraindiziert; vor allem Jugendliche haben ein hohes Risiko für lebensgefährliche Abhängigkeit.

    Empfehlungen für Kinder

    Nach Extraktionen wurde für Ein- bis 16-Jährige ein Anteil von rund 16 Prozent mit mäßigen bis starken Schmerzen am Tag des Eingriffs oder an einem der beiden folgenden Tage ermittelt. Bei Kindern unter zwölf Jahren mit Schmerzen aufgrund der oben genannten Befunde sind zunächst eine Schmerzbewertung anhand altersgerechter Indizes und eine sorgfältige pharmakologische Anamnese angezeigt [1].

    Das gilt auch für Beschwerden aufgrund parodontaler Furkationsbeteiligung und Abszessbildung. In Bezug auf diese Befunde und eine symptomatische Pulpitis existieren keine aussagekräftigen Daten, mit denen die Wirksamkeit der Medikamente verglichen werden kann. Daher gelten dieselben Empfehlungen wie für Beschwerden nach Extraktionen:

    • Nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAR) wie Ibuprofen oder Naproxen (jeweils als Suspension oder Tablette) sind für alle genannten Indikationen erste Wahl.
    • Bei nicht ausreichender Wirkung von NSAR kann zusätzlich Acetaminophen (Paracetamol, auch als Kapsel oder Zäpfchen) gegeben werden.
    • Bei Kontraindikation gegen NSAR wird ein Acetaminophen-Präparat empfohlen.
    • Opioide wie Tramadol oder Kodein sind kontraindiziert.
    • Von topischem Lokalanästhetikum mit dem Wirkstoff Benzocain wird bei Kleinkindern ebenfalls abgeraten. 

    Dosierschema aus der US-amerikanischen Empfehlung zum pharmakologischen Schmerzmanagement bei Kindern (nationale rechtliche und produktbezogene Besonderheiten sind zu beachten) [4].

      Jugendliche und Erwachsene

      Die Leitlinie für über zwölfjährige Patienten bezieht sich auf dieselben Indikationsgruppen wie diejenige für Kinder, jedoch mit Differenzierung nach einfachen und chirurgischen Extraktionen [2]. Ärzte sollten Patienten darüber aufklären, dass eine gewisse postoperative Schmerzempfindung zu erwarten ist und diese durch die Medikamente erträglich gemacht werden soll.

      Die medikamentenbezogene Anamnese sollte sehr sorgfältig erhoben werden. Um Nebenwirkungen zu minimieren, ist zudem die niedrigste wirksame Dosis anzustreben. Schließlich muss bei Verschreiben von Opioiden auf eine sorgfältige Lagerung und Entsorgung geachtet und ein möglicher Missbrauch in der Vorgeschichte abgeklärt werden. Jugendliche können bereits nach einer einzigen Opioid-Medikation abhängig werden. Hier die Zusammenfassung der wichtigsten Medikationsempfehlungen:

      • Nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAR) allein oder in Kombination mit Acetaminophen sind für alle genannten Indikationen erste Wahl.
      • Bei nicht ausreichender Wirkung von NSAR und Acetaminophen kann bei chirurgischen Extraktionen zusätzlich eine niedrig dosierte Kombination von Acetaminophen und Opioid gegeben werden (Details siehe Leitlinie).
      • Bei NSAR-Kontraindikation wird ein voll dosiertes Acetaminophen-Präparat, nach chirurgischer Extraktion eine dosisangepasste Medikation mit Acetaminophen und Opioid empfohlen (Details siehe Leitlinie).
      • Für Patienten unter Opioid-Langzeitmedikation (zum Beispiel wegen chronischer Schmerzen) sollten Non-Opioide bevorzugt werden.
      • Zusätzlich wird bei postoperativen Schmerzen nach Extraktion vor der Entlassung die Injektion oder topische Anwendung eines Lokalanästhetikums empfohlen (Details siehe Leitlinie).
      • Bei Schmerzen aufgrund von akuter Pulpitis oder periapikaler Entzündung kann als Sofortmaßnahme vor definitiver Behandlung ein Lokalanästhetikum eingesetzt werden. 

      Dosierschema aus der US-amerikanischen Empfehlung zum pharmakologischen Schmerzmanagement bei Jugendlichen und Erwachsenen (nationale rechtliche und produktbezogene Besonderheiten sind zu beachten) [4].

      Diskussion

      Die Einnahme von Medikamenten zur Schmerzlinderung ist nur postoperativ als vorbeugende Maßnahme angezeigt, oder wenn andere schmerzlindernde Maßnahmen nicht zeitnah in einer Praxis oder Klinik erfolgen können. Dieser Fall ist in den USA strukturell bedingt wahrscheinlich häufiger als in Deutschland.

      Eine ausschließlich oder primär medikamentöse Therapie darf in der Praxis laut einer Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET) „auch bei größtem Zeitdruck nicht als Ersatz für die jeweils indizierte kausale Therapie“ erfolgen [3]. In Deutschland sind umfassende Empfehlungen zum Thema aktuell nicht verfügbar. Gültige Einzelempfehlungen sollten jedoch berücksichtigt werden.

      Die beiden US-Leitlinien wurden im Journal of the American Dental Association (JADA) publiziert, das etwa einer Kombination von „Zahnärztlichen Mitteilungen“ und „Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift“ entspricht [1, 2]. Sie sind mit 11 und 13 Seiten (ohne Literatur und Zusatzmaterial) noch überschaubar und enthalten übersichtliche Listen mit Kernaussagen.

      Die ADA liefert zudem im Internet Einzelseiten für die unterschiedlichen Indikationen, mit altersbezogenen Dosierschemata und vereinfachten Angaben zu Nebenwirkungen [4]. Zusätzlich sind dort für Patienten aufbereitete Informationen abrufbar. Hintergrund für die aufwendig publizierten Empfehlungen ist auch die in den USA nach wie vor häufige und hoch problematische Verschreibung von Opioiden [5].

      Dr. Jan H. Koch, Freising

      Der Autor erklärt, dass er in Verbindung mit diesem Beitrag keine Interessenkonflikte hat.

      Hinweis: Beiträge in der Rubrik Oralmedizin kompakt können nicht die klinische Einschätzung der Leser ersetzen. Sie sollen lediglich – auf der Basis aktueller Literatur und/oder von Experten-Empfehlungen – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung unterstützen.  

      Dr. Jan H. Koch

      Dr. med. dent. Jan H. Koch ist approbierter Zahnarzt mit mehreren Jahren Berufserfahrung in Praxis und Hochschule. Seit dem Jahr 2000 ist er als freier Fachjournalist und Berater tätig. Arbeitsschwerpunkte sind Falldarstellungen, Veranstaltungsberichte und Pressetexte, für Dentalindustrie, Medien und Verbände. Seit 2013 schreibt Dr. Koch als fester freier Mitarbeiter für die dzw und ihre Fachmagazine, unter anderem die Kolumne Oralmedizin kompakt.

      Mitglied seit

      7 Jahre 2 Monate

      Literatur

      [1] Carrasco-Labra A, Polk DE, Urquhart O, et al. Evidence-based clinical practice guideline for the pharmacologic management of acute dental pain in children: A report from the American Dental Association Science and Research Institute, the University of Pittsburgh School of Dental Medicine, and the Center for Integrative Global Oral Health at the University of Pennsylvania. J Am Dent Assoc. 2023;154(9):814-25 e2.   

      [2] Carrasco-Labra A, Polk DE, Urquhart O, et al. Evidence-based clinical practice guideline for the pharmacologic management of acute dental pain in adolescents, adults, and older adults: A report from the American Dental Association Science and Research Institute, the University of Pittsburgh, and the University of Pennsylvania. J Am Dent Assoc. 2024;155(2):102-17 e9. 

      [3] Deutsche Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie DGET. Die endodontische Schmerzbehandlung. 2021. 

      [4] American Dental Association ADA. Acute Dental Pain Management Guideline. 2023/2024.

      [5] Gupta N, Vujicic M, Blatz A. Opioid prescribing practices from 2010 through 2015 among dentists in the United States: What do claims data tell us? J Am Dent Assoc. 2018;149(4):237-45 e6. 

      Titelbild: joyfotoliakid – stock.adobe.com