Die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Dentalhygieniker/Innen e. V. (DGDH) und die ZFZ-Sommerakademie fanden im Juli wieder zusammen als „Sommerfest 2023“ im Forum Ludwigsburg statt. Mehr als 500 Teilnehmer kamen zur Präsenzveranstaltung nach Ludwigsburg zum Thema „Schmerzpatienten in der Zahnarztpraxis“, weitere 150 schalteten sich online hinzu. In gewohnt entspannter Atmosphäre ließen sich teils ganze Praxisteams von Experten aus Zahn-, Allgemein- und Notfallmedizin über die häufigsten Diagnosen und ihre Behandlung in Vorträgen und Workshops informieren. Neben der Vermittlung von Fachwissen standen viele praktische Tipps im Fokus und natürlich der persönliche Austausch – ob in der Dentalausstellung oder beim abendlichen Barbecue.
Den Auftakt der dreitägigen Veranstaltung machte die Jahrestagung der DGDH, die dieses Jahr unter dem Motto „Dentalhygiene Spezial – Herausforderungen und Risiken managen!“ stand. „Das war eine der besten Tagungen, die wir je hatten“, schwärmt Sylvia Fresmann, 1. Vorsitzende der DGDH. Die Themen und Vorträge der Referenten hätten sich wunderbar ergänzt. Es ging um Risikofaktoren wie Rauchen und Diabetes, um die Bedeutung unerwünschter Arzneimittelwirkungen in der Zahnmedizin sowie von Bestrahlung, Chemotherapie und Operationen bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich.
Zudem stellten Prof. Dr. Annett Horn, Leiterin des Fachbereichs Gesundheit an der FH Münster, und Dr. Elmar Ludwig, Zahnarzt und Mitglied im Ausschuss für Alterszahnmedizin der Bundeszahnärztekammer, das Projekt „DGDH goes Pflege“ vor. „Mit dem Expertenstandard Mundgesundheit wird erstmals die Bedeutung der Mundgesundheit in den Fokus des pflegerischen Handelns gerückt“, erklärt Fresmann. „Das bedeutet, dass hier ein erhöhter Schulungsbedarf seitens der Pflegefachkräfte notwendig wird. Und hier sind wir gefragt!“
Pflege und Zahnmedizin im Dialog
Im Vortrag „Pflege und Zahnmedizin im Dialog – Expertenstandard Mundgesundheit“ präsentieren Horn und Ludwig Zahlen, um zu verdeutlichen, wie stark die Anzahl von Pflegebedürftigen in den vergangenen Jahren angestiegen ist und dass zu den heute etwa fünf Millionen bis 2050 mit noch einmal zwei Millionen Pflegebedürftigen mehr zu rechnen sei. „Die meisten Pflegebedürftigen leben zu Hause“, sagt Annett Horn. Ein Großteil – 63 Prozent – wird durch Angehörige versorgt, 21 Prozent von ambulanten Pflegediens-ten und nur 16 Prozent vollstationär in Heimen. Die Mundgesundheit kommt bei vielen älteren Menschen zu kurz.
Horn und Ludwig legten den Dentalhygienikerinnen den Expertenstandard zur „Förderung der Mundgesundheit in der Pflege“ ans Herz mit Empfehlungen für die Praxis sowie die (kostenlose) Lernplattform Mundpflege für alle, die professionell mit den Themen Mundgesundheit und Pflege befasst sind. 3-D-Animationen, Videos und Bilder veranschaulichen hier unterschiedliche Pflegesituationen. Um einen Kompetenz- und Wissenschaftsaustausch zwischen DHs und Pflegefachkräften voranzutreiben, gibt es gemeinsame Workshops, in diesem Jahr noch im Oktober in Münster und im Dezember in Ulm (Infos und Anmeldung auf fh.ms/wb.gesundheit).
Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen
Den Vortragsteil der ZFZ-Sommerakademie eröffnete Dr. Christian Bittner am Freitag zum Thema „Der etwas andere Schmerzpatient – oder: Auf was muss ich in der Kommunikation achten?“. Menschen, die mit starken Schmerzen in die Zahnarztpraxis kommen, seien häufig Patienten, die aus Angst einen Besuch beim Zahnarzt hinausgeschoben hätten. „16 Prozent sind Angstpatienten – das sind etwa 14 Millionen Menschen“, erklärt der Zahnarzt und Hypnotherapeut. Und die Hälfte davon glaube sich damit völlig allein. „Wir müssen es schaffen, das Vertrauen zurückzugewinnen – und Vertrauensbildung geht
nicht zeitfrei“, sagt Bittner.
Neben Empfehlungen zur Frage Anästhesie bei Angstpatienten, ja oder nein, und zu Therapieunterstützung mit und ohne Medikamente lautet sein Credo: „Der Angstpatient ist kein schwieriger, sondern ein interessanter Patient“.
Im Anschluss betrachtete Prof. Dr. David Sonntag den Schmerzpatienten aus endodontischer Sicht („Deutsche Zahnärzte verschreiben gerne Antibiotika, wenn sie nicht wissen, was es ist. Aber die Diagnose ,Antibiotikum hilft‘ gibt es nicht!“), und Prof. Dr. Marco Kesting präsentierte interessante Fallbeispiele aus dem chirurgischen Notdienst.
Zum Abschluss des Präsenztages sprach Dr. Jens Reichel über „Notfälle in der Zahnarztpraxis – von A wie Aspiration bis Z wie Zyanose“. Der Notfallmediziner vom Universitätsklinikum Jena gab eine kleine Auffrischung in Sachen Erste Hilfe, und gab Tipps für den Praxisalltag. Er erinnerte daran, im Team festzulegen, wer für die Wartung des Notfallkoffers verantwortlich ist, und wer wann wie hilft. Was die Ausrüstung für den Notfall betrifft, lautet sein Rat: „Legt euch das zu, was ihr beherrscht“. Vor allem aber gelte: alle Sinne einschalten bei der Beurteilung des Patienten.
Der zweite Teil des Fortbildungsprogramms fand am Samstag rein virtuell statt. Prof. Dr. Henrik Dommisch, Präsident der DG Paro, präsentierte Fallbeispiele von Abszessen, die zu den meisten parodontalen Notfällen führen, über endodontisch-parodontale Läsionen (ohne und mit Wurzelschädigung), bis hin zu Fällen von Nekrosen, den schwerwiegendsten entzündlichen Parodontalerkrankungen, die mit ausgeprägten Schmerzen einhergehen. Eine immunologische Inkompetenz sei hier ein wichtiger Faktor, viele seien HIV-/AIDS-Patienten.
Aus dem Vortrag „Notfall und Schmerzpatienten aus Sicht der Kieferorthopädie“ konnten die Teilnehmer wertvolle Tipps unter anderem zu Patienten mit festsitzenden oder herausnehmbaren Apparaturen mitnehmen. Dr. Christoph-Ludwig Hennig von der Poliklinik Kieferorthopädie der Uniklinik Jena beschrieb die häufigsten Gründe für Schmerzen bei Patienten und wie man sie teils rasch beheben kann – inklusive Abrechnungsmöglichkeiten.
Ebenfalls sehr praxisnah ging Prof. Dr. Katrin Bekes ihr Thema „Der kindliche Schmerzpatient oder Schmerzfälle in der Kinderzahnheilkunde“ an. Schmerzen, insbesondere bei Kindern, seien häufig mit Ängstlichkeiten verbunden sowie mit einer eingeschränkten Kooperationsfähigkeit. Im Schmerz- beziehungsweise Notdienst käme hinzu, das es sich hier um eine Erstkontaktsituation mit dem Kind, aber auch den Eltern handele. Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) empfiehlt ein kindgerechtes Ambiente, das Abdecken der Instrumente, aber auch ganz einfache Mittel wie eine Puppe oder ein Stofftier sowie ein positive Sprache.
Die Hauptklientel in der Kindernotambulanz machten Vier- bis Sechsjährige aus mit Schmerzen, die durch nicht behandelte Karies entstehen. „Nur jedes zweite Kind, das in die Schule kommt, ist kariesfrei“, betont Bekes. Die Eltern unterschätzten häufig die Auswirkungen auf die Sprachentwicklung, die Allgemeingesundheit und auch auf die Lebensqualität der Kinder.
Annette Schröder