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Kein Ende der Debatte in Sicht: Rechtsgutachten und Stellungnahme zu MVZ

„Unüberwindbare verfassungs- und europarechtliche Grenzen“

Einer weiteren gesetzlichen Einschränkung für MVZ-Betreiber sind enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Martin Burgi, Ordinarius für Öffentliches Recht und Europarecht an der LMU München im Auftrag des Bundesverbandes der Betreiber medizinischer Versorgungszentren (BBMV). Mit Blick eine weitere Einschränkung von MVZ-Gruppen sieht Burgi „unüberwindbare verfassungs- und europarechtliche Grenzen“.

Das geht aus einem Rechtsgutachten zu den „verfassungs- und europarechtliche Grenzen verschärfter und neuer Verbote und Beschränkungen betreffend die Träger- und Inhaberstrukturen von Medizinischen Versorgungszentren“ hervor, das jetzt im Rahmen einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Betreiber medizinischer Versorgungszentren (BBMV) vorgestellt wurde.

Wie Burgi ausführte, ergeben sich die Grenzen aus den verschiedenen Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes und des Europarechts. Im Kern der Untersuchung steht die Frage, ob Zusammenhänge zwischen dem Wohl der Patientinnen und Patienten und bestimmten MVZ-Trägern existieren. Noch im Januar 2023 hatte das Bundesgesundheitsministerium auf eine Anfrage der Opposition dargelegt, dass ihr dazu keine ausreichenden Erkenntnisse vorliegen.

Wie der Rechtsprofessor erklärt, müssen bei weiteren Eingriffen und Beschränkungen in die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit der MVZ-Betreiber hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange bestehen sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Anhand dieser Voraussetzungen werden im Rechtsgutachten die Vorschläge von Bundesärztekammer und Bundesländer geprüft.

Vier Vorschläge verfassungsrechtlich unbedenklich

Von den insgesamt 10 geprüften Vorschlägen seien vier aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich, so der Rechtsexperte. So seien ein Verbot der Konzeptbewerbung und der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bei Nichtgewährung der ärztlichen Unabhängigkeit in medizinischen Fragen grundsätzlich grundgesetzkonform. Auch eine Überprüfung der Versorgungsaufträge und Transparenzvorgaben über die Eigentümerstrukturen verstoßen nicht gegen Verfassungs- und Europarecht.

Verfassungs- und europarechtliche Grenzen

Für die restlichen Vorschläge von Bundesärztekammer und Länder sieht Burgi unüberwindbare verfassungs- und europarechtliche Grenzen. Darunter zählen die Einschränkung der Gründungseigenschaften für Krankenhäuser auf einen 50-Kilometer-Radius, wie von Bayern in die Diskussion eingebracht. Auch ein Verbot fachgleicher MVZ, in dem sich Spezialisten aus einem Fachgebiet oder Hausärzte zusammenschließen, erfülle nicht die Voraussetzung hinreichend gewichtiger Gemeinwohlbelange zu dessen Begründung. Die Festsetzung von Versorgungsquoten verstößt aufgrund dessen gegen die in Artikel 12 des Grundgesetzes verbriefte Berufsfreiheit.

Verfassungsrecht ist Maßstab für Gesetzgeber

Die Vorsitzende des BBMV, Sibylle Stauch-Eckmann, sieht sich durch das Rechtsgutachten in der Auffassung des Verbandes bestätigt. In einer Stellungnahme zu den Regulierungsvorschlägen der Bundesärztekammer hatte der Verband bei einigen Punkten juristische Hürden gesehen.

„Durch das Rechtsgutachten sind die Grenzen des verfassungsrechtlich Machbaren nun klar aufgezeigt. Und daran werden wir einen Gesetzesvorschlag auch messen und weitere Schritte abhängig machen.“, betont die BBMV-Vorsitzende. Es werde deutlich, fährt sie fort, dass da, wo Regulierungsvorschläge nicht auf eine Verbesserung der Versorgungsituation für Patienten abzielen, sondern gezielt gegen eine bestimmte Versorgungsform gerichtet sind, diese schnell die Verfassungsmäßigkeit überschreiten.

„Transparenzvorschriften, Überprüfung der Versorgungsaufträge oder die Gewährleistung der ärztlichen Entscheidungsfreiheit für alle Leistungserbringer lassen sich laut dem Gutachten hingegen grundgesetzkonform ausgestalten. Protektionistische Vorschläge wie beispielsweise die Einschränkung der Gründungseigenschaften, ein Verbot fachgleicher MVZ oder eine Streichung des Paragrafen 103 Absatz 4a SGB V, wie etwa von den Ländern gefordert, allerdings nicht.“, fasst Stauch-Eckmann zusammen.

Von der Politik erwarte der Verband nun eine sachliche und evidenzbasierte Beschäftigung mit den Herausforderungen in der ambulanten Versorgung und der Rolle von MVZ ungeachtet der Trägerschaft. Wenn das der Ansatz ist, dann müssen sich Bund und Länder sicherlich auch keine Sorgen über die Verfassungsmäßigkeit ihrer Vorschläge machen, ist sich die BBMV-Vorsitzende sicher.

„MVZ-Regulierung rechtlich möglich und dringend geboten“

„Eine gesetzliche Regulierung von investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) ist rechtlich möglich und aus Versorgungsgesichtspunkten dringend geboten. Eine solche Regulierung würde mit dazu beitragen, MVZ als sinnvolles Versorgungsangebot vor negativen Folgen einer auf Rendite ausgerichteten Patientenversorgung zu schützen.“ So kommentiert Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt die Ergebnisse eines nun von einem MVZ-Interessenverband initiierten Gutachtens zur Rechtmäßigkeit einer stärkeren Regulierung von investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren.

Reinhardt verweist auf die von der Bundesärztekammer im Januar 2023 vorgelegten Regulierungsvorschläge für iMVZ. Sie sollen gewährleisten, dass das Patientenwohl immer Vorrang hat vor kommerziellen Interessen. Einen Antrag mit gleicher Zielrichtung hatten unlängst die Länder Bayern, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz in den Bundesrat eingebracht. „Die in dem BÄK-Papier sowie in dem Bundesrats-Antrag enthaltenen Vorschläge dienen dem Gemeinwohl und sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt“, stellt der BÄK-Präsident klar.

Unmittelbare ärztliche Verantwortlichkeit

Aus Sicht der Bundesärztekammer muss für Medizinische Versorgungszentren das Gleiche gelten, was auch für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie für Apotheken gilt. So ist für die Tätigkeit von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts notwendig, dass diese gegenüber ihren Patientinnen und Patienten sowohl im Bereich der eigentlichen Behandlungstätigkeit als auch im tatsächlichen und rechtlichen Umfeld dieser Behandlung in vollem Umfang unmittelbar verantwortlich sind. Das setzt zwingend voraus, dass Vertragsärztinnen und -ärzte Inhalt und Umfang ihrer ärztlichen Tätigkeit und den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen und persönlichen Mittel selbst bestimmen und insoweit keiner maßgeblichen Einflussnahme durch andere unterliegen.

Das Apothekengesetz verbietet Beteiligungen an einer Apotheke in Form einer Stillen Gesellschaft und Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Apotheker gewährte Darlehen oder überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet sind. Für Medizinische Versorgungszentren kann aus Sicht der Bundesärztekammer nichts anderes gelten. Das Vertragsarztrecht bestimmt, dass für Medizinische Versorgungszentren die für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte geltenden Regelungen entsprechend gelten.

Handlungsbedarf bei Renditemaximierung

Reinhardt fordert deshalb gesetzliche Klarstellungen: „Die Einschränkung des Gründerkreises für Medizinische Versorgungszentren darf nicht weiter dadurch unterlaufen werden, dass ein Krankenhaus nur mit dem Zweck betrieben wird, eine Kette von Medizinischen Versorgungszentren zu gründen und an der stationären Versorgung eigentlich gar kein Interesse hat.“

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssten die qualitativ hochwertige und zugewandte Patientenversorgung in MVZ sicherstellen. Trete die Maximierung der Rendite als Ziel in den Vordergrund, bestehe Handlungsbedarf. „Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und deren Finanzierung im Rahmen unseres Solidarsystems kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang zu. Dem tragen die Regulierungsvorschläge der Bundesärztekammer Rechnung. Mit ihnen können die Rahmenbedingungen so ausgerichtet werden, dass Medizinische Versorgungszentren ihre Patientinnen und Patienten weiterhin medizinisch vernünftig versorgen und ihre Behandlungen nicht primär an der Rendite orientieren“, so Reinhardt.

EIn Haufen silberner Paragrafenzeichen

Die BÄK sieht die „MVZ-Regulierung rechtlich möglich und dringend geboten“ während der BBMV darin „Unüberwindbare verfassungs- und europarechtliche Grenzen“ erkennt.