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Aufsuchende Betreuung in Alten- und Pflegeheimen

Tipps, was im häuslichen Umfeld bei Menschen mit Demenz zu beachten ist.

Tipps, was im häuslichen Umfeld bei Menschen mit Demenz zu beachten ist.

Nach wie vor besteht für die Mundgesundheit von Pflegebedürftigen erheblicher Verbesserungsbedarf. Dies ist sowohl dem Gesetzgeber wie auch dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GB-A) bewusst. Am 19. Oktober 2017 wurde der Beschluss des G-BA zur „Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen“ veröffentlicht. Dieser Beschluss zur Erfassung der Richtlinien nach Paragraf 22a SGB V wird dem Bundesministerium zur Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger am 1. Juli 2018 in Kraft. Dieser Beschluss des G-BA ist eine Ergänzung des Paragrafen 22a SGB V.

Teil 1: Ein Erfahrungsbericht von Dr. Nadine Strafela-Bastendorf und Dr. Klaus-Dieter Bastendorf

Den zweiten Teil des Erfahrungsberichts finden Sie hier.

In einer Richtlinie soll das Nähere zu Art und Umfang dieser Leistungen geregelt werden [1]. Neben den Defiziten bei der Mundhygiene besteht in Alten- und Pflegeheimen auch ein erheblicher Bedarf an kurativer Behandlung. Unser Erfahrungsbericht nach mehr als sechsjähriger Tätigkeit soll Kollegen ermutigen, sich für eine „Auf­suchende Betreuung“ in Alten- und Pflegeheimen zu engagieren. Gleichzeitig soll der
Bericht eine Hilfestellung für die Or­ga­ni­sation der „Aufsuchenden Betreuung“ sein.
 


Aufruf

Kolleginnen und Kollegen, die an der praktischen Umsetzung des Paragrafen 22a SGB V und der Gründung einer Aktionsgemeinschaft zahnmedizinische Prävention in der Pflege (AZPIP) interessiert sind, werden gebeten, sich bei der Redaktion der DZW – Die ZahnarztWoche unter pflege@dzw.de oder per Fax unter (0228) 28 92 16-20 zu melden.
Als unabhängige Wochenzeitung für die Dentalbranche wird die DZW-Redaktion die Arbeitsgemeinschaft bis zu ihrer Gründung organisatorisch begleiten und über ihre Arbeitsergebnisse berichten.


Problemstellung

Deutschlandweit gibt es rund 12.500 Alten- und Pflegeheime mit etwa 900.000 Plätzen. Jährlich kommen etwa 12.000 neue Betreuungsplätze dazu. Insgesamt haben 3,1 Millionen Pflegebedürftige jetzt einen festgeschriebenen Anspruch auf zahnmedizini­sche Prävention [2]. Das macht uns Zahnärz­ten zu schaffen, denn eine Metastudie von 2010 aller deutschen Studien zur zahnärztlichen Versorgung in Pflegeheimen fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen [3]: „Die Hälf­te der Pflegeheime hatte im vergangenen Jahr keine oder nur wenige Besuche eines Zahnarztes.“ Dennoch gibt es einen Hoffnungsschimmer, denn die entsprechenden Abrechnungspositionen (Bema) für die Besu­che von Zahnärzten im statio­nä­ren Pflegebereich – „Auf­su­chen­de Betreuung“ – haben sich erfreulicherweise deutlich von 650.000 im Jahr 2012 auf 790.000 im Jahr 2014 gesteigert. Dieser Hoffnungsschimmer darf allerdings die Realität nicht verwischen: Im Augenblick haben wir eine bundesweite Quote von 16,5 Prozent der Abdeckung der stationären Pflegeeinrichtungen in Deutschland durch „Aufsuchende Versorgung“.
Diese Zahlen zeigen, dass ein Missverhältnis zwischen Behandslungs­bedarf in Alters- und Pflegeheimen und dem Engagement der Zahnärzte besteht.  Nur etwa 5 Prozent der Kollegenschaft will aufgrund der Belastung durch Konfrontation mit dem Altern und dem Tod in Alten- und Pflegehei­men tätig werden [4]. Auch die eingeschränkten tech­nischen Behandlungsmöglichkeiten, der erhöhte organisatorische Aufwand und die rechtliche Unsicherheit spielen eine Rolle für das geringe Engagement der Zahnärzteschaft. Im Jahr 2007 wurde in Baden-Würt­temberg ein flächendeckendes Betreuungskonzept für den Bereich Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege initiiert (AKABeBW). Heute engagieren sich in Baden-Württemberg ca. 41 Senioren- und Behindertenbeauftragte und ungefähr 900 Betreuungszahnärzte.

Ergebnisse der Mundgesundheitsstudie

Die Ergebnisse der Fünften Deutschen Mund­gesundheitsstudie von 2016 (DMS V) zeigen eine deutliche Verbesserung in der zahnmedizinischen Gesundheitsversorgung. Die Krankheitslasten verschieben sich zunehmend ins höhere Lebensalter. Das bedeutet mehr mundgesunde Lebensjahre. So ist nur noch jeder Achte zwischen 65 und 74 Jahren zahnlos. 1997 war noch jeder Vierte der jüngeren Senioren zahnlos [5]. Das heißt, dass das System aus häuslicher und professioneller Mundhygiene auch mit zunehmendem Alter Früchte trägt [6]. Dazu kommt, dass viele Senioren ihren Lebensstil geändert haben und so die eigene Gesundheit und den natürlichen Alterungsprozess positiv beeinflussen [7]. Die DMS-V-Studie zeigt aber auch, dass die Probleme der Mundgesundheit nicht gelöst sind. Durch den demografischen Wandel mit einer zunehmenden Alterung der Gesellschaft verschieben sich die Mundgesundheitsprobleme ins höhere Lebensalter und vor allem auf Pflegebedürftige. Neben der DMS-V-Studie zeigen einige andere Arbei­ten, dass die Erfolge der Prophylaxe nicht bei pflegebedürftigen Menschen angekommen sind. Die Mundhygiene dieser Bevölkerungsgruppe ist unbefriedigend. So zeigte zum Beispiel die Untersuchung von 131 Pflegebedürftigen in drei Frankfurter Pflegeeinrichtungen, dass zwei Drittel aller Pflegebedürftigen zahnärztlich behandlungs- und pflegebedürftig waren [8]. Es ist folglich nicht verwunderlich, dass eine Verlaufsbeobachtung in fünf Seniorenheimen im Raum Heidelberg zeigte, dass innerhalb von 14 Monaten eine deutliche Verschlechterung der parodontalen Parameter bei den Seniorenheimbewohnern festgestellt wurde [9].

Vorbehalte abbauen

Nicht nur in der Zahnärzteschaft, auch beim Pflegepersonal gilt es, weit verbreitete Vorbehalte zur zahnärztlichen Betreuung abzubauen und die Ausbildung im Bereich betreuende häusliche Mundhygiene zu verbessern. Das Pflegepersonal sieht durch das zahn­ärztliche Engagement noch mehr Bürokratie und zusätzliche Pflegeleis­tungen und Pflegekontrollen auf sich zukommen. Ein weiterer Mangel ist die nicht ausreichende Verankerung der Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege in der Ausbildung der Pflegekräfte (ca. sechs Stunden in drei Aus­bildungsjahren). Da auch in umfangreichen Nach­schlage­wer­ken für Pflegekräfte nur wenig über die Zahn-, Mund- und Prothesenpflege zu finden ist [10], entsteht eine große Diskrepanz zwischen der Ausbildung und den Anforderungen hin­sicht­lich der Pflege im Bereich der Mund­höhle. Ein weiteres Problem sind der generelle Mangel an ausgebildeten Pflegekräften und der große Anteil angelernter Pflegekräfte.

Problem Multimorbidität

Die Multimorbidität ist ebenfalls ein Problem in Alten- und Pflegeheimen. Dennoch haben sich Erkenntnisse, die zwischen Allgemeingesundheit und Mundgesundheit sowie umgekehrt bestehen, noch nicht durchgesetzt. Obwohl diese Zusammenhänge im Besonderen für ältere Bevölkerungsgruppen eine große Rolle spielen. So ist die „Nursing-Home-Associated Pneumonia (NHAP)“ der häufigste Grund für eine Krankenhaus­einweisung. Mit 13 bis 48 Prozent zählt diese Infektion zu den häufigsten Erkrankun­gen bei älteren Bevölkerungsgruppen [11]. Parodontitispatienten weisen ein fünffach höheres Pneumonie-Risi­ko auf [12]. Andere Erkrankungen wie Gastri­tis, Endokarditis, kardio- beziehungsweise zere­brovaskuläre Störungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Diabetes stehen eben­falls mit Parodontitis im Zusammenhang [13, 14, 15].