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eReady oder „Ich habe fertig“?

Jens Spahn sitzt an der Spree und lächelt

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat Tempo in die Digitaliserung gebracht. Doch wie sieht es bei der Umsetzung aus?

Gewohnt vollmundig verlautbart aktuell die Gematik: „Seit dem 1. Oktober 2021 sind alle 102 Krankenkassen in Deutschland ‚ready‘ für die Bearbeitung von elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, kurz eAU.“

Spahns Digitalisierungsprojekte in der Praxis

Wir erinnern uns, die Gematik wurde durch einen Handstreich von Nochbundesgesundheitsminister Jens Spahn mit 51 Prozent durch das BMG übernommen. Kurz danach inthronisierte Spahn seinen Spezi, Markus Leyck Dieken, an der Spitze der Gematik. Seit dem passt die Gematik nach außen hin zum forsch-dynamischen Erscheinungsbild von Spahn selbst. Doch stimmen Bild und Wirklichkeit überein?

Zuletzt wurden in atemloser Geschichte-wird-gemacht-Geschwindigkeit noch drei digitale Jens-Spahn-Denkmale angegangen: die elektronische Patientenakte (ePA), die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und das elektronische Rezept (E-Rezept).

Fangen wir mit der ePA an. Seit dem 1. Januar 2021 können alle gesetzlich Versicherten von ihren Krankenkassen eine ePA erhalten. Doch strauchelt dieses Projekt von Beginn an in schönster Unzulänglichkeit. Der erste Stolperstein hat schon den Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber (SPD) auf den Plan gerufen. Trotz blumiger Ankündigung können die Patienten nicht dokumentenspezifisch selbst bestimmen, welcher Arzt Einblick in welche Dokumente nehmen darf. Derzeit heißt es noch alles oder nichts. Kelber findet das nicht lustig, und vor allem nicht datenschutzkonform. Am BMG perlen derlei Peanuts ab. Stolperstein zwei: Wer kein mobiles Endgerät besitzt, kann seine ePA sowieso nicht selbst einsehen. Pech halt, wer nicht auf der digitalen Höhe der Zeit ist. Die ePA-Erfolgsgeschichte in Zahlen: In Deutschland nutzen 0,2 Prozent der gesetzlich Versicherten die ePA.

Zurück zum Anfang: Alle Krankenkassen seien „ready“ für den Empfang der eAU, die ab dem 1. Januar 2022 verpflichtend eingeführt wird. So ganz „ready“ sind die Kassen wohl nicht. Es berichtet der Hausärzteverband Rheinland-Pfalz, dass weniger als 10 Prozent der gesetzlichen Krankenkassen technisch imstande seien, die eAU elektronisch entgegenzunehmen. Eine Umfrage der KBV unter Praxen in vier verschiedenen Bundesländern ergab, dass nur 5 Prozent erfolgreich eine eAU an Krankenkassen übermitteln konnten. In Gematik-Jubel-Lyrik heißt es dazu, „dass es aktuell hier und da bei der eAU holpern könne, was charakteristisch für eine Einführungsphase und angesichts der Dimension des Unterfangens auch nicht verwunderlich sei.“ Und auch bei der eAU gibt es einen zweiten Pferdefuß: Die eAU wird über KIM – als Teil der TI zum sicheren Austausch von E-Mails und Daten –  übermittelt. KIM soll alle Nutzer im Gesundheitswesen über Einrichtungs-, System- und Sektorengrenzen hinweg verbinden. Stand heute: 37.000 angeschlossene „Betriebsstätten“, aber das BMG hält unerbittlich am verpflichtenden und sanktionsbewehrten Einführungsdatum fest. Wunsch und Wirklichkeit?

Beim E-Rezept scheint die Lage noch desolater. Gerade hat die Gematik hier die Testphase um zwei weitere Monate bis Ende November verlängert. Der bundesweite Test-Roll-out wurde vorerst gestoppt. Nach Informationen der „Apotheke adhoc“ habe bislang „kein einziges ‚echtes‘ E-Rezept den gesamten Zyklus von Ausstellung über Abgabe bis Abrechnung durchlaufen“ (bit.ly/3li6afY). An der Einführungspflicht ab dem ­­1. Januar 2022 soll aber weiterhin festgehalten werden.

Spahn ist es gelungen, Tempo in die Digitalisierung des Gesundheitssystems zu bringen. Der schneidige Spahn hätte nur bemerken müssen, dass zwischen ministeriellem Wollen und einem stabilen Betrieb in den Praxen eine solide Umsetzung gehört. Ankündigungen sind eben keine Taten.