Die häufigste Indikation in der oralen Implantologie ist das Einzelzahnimplantat – mit steigender Tendenz. Denn in den nächsten Jahren wird das Einzelzahnimplantat die konventionelle Brückenlösung noch weiter verdrängen. So bot der 15. Internationale Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Orale Implantologie (DGOI) vom 20. bis 22. September 2018 in München die ideale Gelegenheit, sich umfassend über den State of the Art bei der Einzelzahnversorgung zu informieren.
Rund 220 Zahnärzte und Zahntechniker folgten den Vorträgen der mehr als 35 internationalen Experten aus Wissenschaft und Praxis sowie den vielen spannenden und teilweise auch kontrovers geführten Diskussionen. Dabei standen digitale Technologien für den chirurgischen sowie prothetischen Therapiepart im Fokus, ebenso gewebeschonende und -erhaltende Konzepte von der Planung bis zur definitiven Prothetik.
Was ist erprobt, was vielversprechend und welche neuen Entwicklungen setzen sich möglicherweise in den nächsten Jahren durch? „Wir haben die Einzelzahnversorgung genau unter den Fragestellungen vor dem aktuellsten wissenschaftlichen Hintergrund diskutiert, die uns Praktiker fit für die Zukunft machen“, so Dr. Fred Bergmann, Präsident der DGOI, und meinte weiter: „Wir freuen uns über das überaus positive Feedback der Teilnehmer, denen der Wissensaustausch in dieser globalen Expertenrunde zahlreiche Impulse für die Praxis vermittelt hat. Und: Wir haben die Implantologie mit Spaß und Leidenschaft erleben können.“
Ergänzend zum Mainpodium, das unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Paul Weigl, Referent für dentale Technologien im Vorstand der DGOI, und Dr. Henriette Lerner, Beisitzerin im Vorstand der DGOI, stand, fanden am Donnerstag noch 15 verschiedene Workshops in Zusammenarbeit mit den Industriepartnern der DGOI statt. Am Mittwoch hatte die Digital Dentistry Society (DDS), eine Partnergesellschaft der DGOI, zum Pre-Congress rund um das Thema digitale Zahnheilkunde eingeladen. Am Freitag und Samstag gab es mit dem ersten Kursblock des Curriculums Implantologische Fachassistenz „2+1“ noch ein Parallelprogramm für Zahnmedizinische Fachangestellte.
Die Referenten aus Deutschland, Europa, Asien, Afrika und den USA beleuchteten in insgesamt acht Sessions alle relevanten Aspekte rund um das Einzelzahnimplantat.
Sofortimplantation
Während vor einigen Jahren noch die Spätimplantation mit umfangreichen Maßnahmen für die Knochen- und Weichgeweberegeneration an der Tagesordnung war, wird heute mehr und mehr die inzisionsfreie Sofortimplantation bevorzugt. Zu den Vorteilen zählen weniger chirurgische Eingriffe, eine kürzere Behandlungszeit und eine bessere Weichgewebequalität. Die Sofortimplantation scheint eine sichere Behandlungsoption zu sein. Jedoch kommt es auf eine differenzierte Diagnose an. Die Sofortimplantation sollte nur in ausgewählten Ausgangssituationen von erfahrenen Behandlern umgesetzt werden.
Gewebe erhalten
Gewebeverlust verringern und diesem vorbeugen war ein großes Thema. Wichtig dafür ist eine atraumatische Zahnextraktion als erster Schritt zum Gewebeerhalt. Neben den konventionellen Techniken für den Knochenerhalt wurde mehrfach die Socket-Shield-Technik als Möglichkeit beschrieben, den Bündelknochen auf der bukkalen Seite des Implantats zu erhalten. Diese Methode wurde als vielversprechend eingestuft, jedoch müssten weitere Studienergebnisse abgewartet werden.
Digitaler Workflow
Die Zahnheilkunde wird digital, daran ließen die Referenten keinen Zweifel. Mit einzelnen digitalen Lösungen für unterschiedliche Bereiche wird bereits gearbeitet. Vorgestellt wurden auch komplett digitale Arbeitsabläufe, beginnend mit einem Digital Smile Design, gefolgt von der korrekten Planung der Implantatposition mit navigierter Insertion und Sofortversorgung mit präoperativ hergestelltem Abutment und CAD/CAM-gefertigter Krone. Zudem wurden unterschiedliche Intraoralscanner verglichen und neue Scan-Technologien vorgestellt.
Die Referenten führten in allen Vorträgen die richtige Implantatposition als entscheidendes Kriterium für den Behandlungserfolg an – auch die Vorteile einer Sofortimplantation hängen von der richtigen Implantatpositionierung ab. Nachweislich genauer als eine Freihandimplantation ist das kontrollierte Einbringen des Implantats mit einer virtuell geplanten und präoperativ gefertigten Bohrschablone.
Häufig diskutiert wurde das One-Abutment-One-Time-Konzept, bei dem das finale Abutment sofort nach Insertion eingesetzt wird, um Knochen und Weichgewebe zu schonen. Sensibilisiert wurde für das Thema Abutment-Hygiene, da eine saubere Abutment-Oberfläche, Zirkon sowie Titan, positiv die Weichgewebeanhaftung beeinflusst.
Die Entscheidung, an welchen Positionen der Behandler digital arbeiten will, muss individuell unter Einbeziehung der persönlichen Fähigkeiten und Erfahrungen getroffen werden, zudem wirtschaftlich sowie medizinisch sinnvoll sein. Einig waren sich die Referenten in diesem Punkt: Man benötigt nach wie vor das analoge Wissen als Basis.
Implantat-Hardware
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Periimplantitis und dem verwendeten Titanimplantat-Typ? Dass es bisher – unabhängig vom Verbindungstyp – keine zu 100 Prozent bakteriendichte Implantat-Abutment-Verbindung gibt, zeigen Studien. Mikropartikel können nach außen wandern und möglicherweise ein Katalysator für Periimplantitis sein. Jedoch seien periimplantäre Erkrankungen eher ein multifunktionales Problem. Befürworter von Keramikimplantaten sahen bei Titanimplantaten in der Korrosion einen möglichen Auslöser für entzündliche Prozesse und plädierten daher für den Einsatz von Zirkoniumdioxidimplantaten.
Periimplantitis
Mit GalvoSurge wurde ein komplett neuer Therapieansatz für die schonende Entfernung des Biofilms von Titanimplantaten vorgestellt. Erste Ergebnisse sind vielversprechend, klinisch relevante Daten werden mit Spannung erwartet.
Pre-Congress der Digital Dentistry Society (DDS)
Um die Möglichkeiten der digitalen Zahnheilkunde ging es am 19. September 2018. Dr. Henriette Lerner, Präsidentin der DDS, und Uli Hauschild, Vizepräsident der DDS, hatten hochkarätige Referenten eingeladen. Ihre Themen waren zum Beispiel Digital Smile Design, digitale KfO, navigierte Implantologie, virtuell geplanter Knochenaufbau und digitales Teamwork. Was verändert sich mit zunehmender Digitalisierung? Die Sitzungen und Behandlungszeiten am Patienten reduzieren sich. Der Fokus liegt in der virtuellen Planung. Behandlungsergebnisse können noch vorhersagbarer erzielt und Risiken reduziert werden. Und: In Zukunft erfolgt Dentistry 4.0 am virtuellen Patienten, ähnlich wie das Fliegen in einem Flugsimulator.
Fazit
Es kommt vor allem auf ein patientenindividuelles Planungskonzept für die Chirurgie und Prothetik an. State of the Art sind minimal-invasive Eingriffe mit dem Ziel, die Gewebestrukturen zu erhalten. Auch die patientenindividuelle Prothetik soll langfristig das Gewebe stabilisieren. Digitale Technologien unterstützen dabei, Behandlungsziele vorhersagbarer, minimal-invasiver, risikoärmer und in weniger Sitzungen zu erzielen. Dafür ist nach wie vor gefragt: die fachliche Expertise der Zahnärzte und Zahntechniker.
Der 15. Internationale Jahreskongress der DGOI stand ganz im Zeichen des globalen Wissensaustauschs, zu dem auch die internationalen Partnergesellschaften der DGOI beitrugen. So erlebten die Teilnehmer laut DGOI eine bisher in Deutschland einzigartige globale Wissensplattform rund um das Einzelzahnimplantat.
Save the Date: 16. Jahreskongress der DGOI
• 25. und 26.Oktober 2019
• Lufthansa Congress Hotel Seeheim