In allen Arbeitsverhältnissen spielt das Thema Urlaub von Anfang an eine ganz zentrale Rolle. Dabei geht es insbesondere um die Anzahl der Urlaubstage, die Vergütung, die Frage, was bei einem Wechsel von Voll- in Teilzeit passiert, oder wenn der Urlaub etwa aufgrund von Krankheit nicht genommen werden konnte. Die Fragen sind alltäglich, die Beantwortung dagegen nicht immer so trivial. Das Urlaubsrecht ist komplex und auch stark vom europäischen Recht und der Rechtsprechung geprägt.
Die Autorin: RAin Jennifer Jessie, Fachanwältin für Medizinrecht
Rechtsanwältin Jennifer Jessie ist seit Oktober 2016 in der Kanzlei Lyck+Pätzold healthcare.recht tätig. Sie ist sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich tätig und berät und vertritt medizinische Leistungserbringer insbesondere in den Bereichen des Arbeitsrechts, Berufs- und Werberechts sowie Zulassungsrechts. Seit dem Frühjahr 2017 ist Frau RAin Jessie zudem Rechtsbeirätin des Dentista e.V. und begleitet dort von rechtlicher Seite insbesondere die Themen rund um Mutterschutz, Beschäftigungsverbot und Elternzeit.
Foto: Lyck+Pätzold
Mindesturlaub – Urlaubsentgelt – Wartezeit
Alle Arbeitnehmer haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, Paragraf 1 BUrlG. Der gesetzlich vorgesehene Mindesturlaub beträgt dabei 24 Arbeitstage bei einer Sechs-Tage-Woche (Paragraf 3 BUrlG). Im Ergebnis soll ein Arbeitnehmer also mindestens vier Wochen im Kalenderjahr bezahlten Urlaub haben. Der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ gilt hier nicht. Gemäß Paragraf 11 BUrlG ist während der Urlaubszeit der durchschnittliche Arbeitsverdienst der zurückliegenden 13 Wochen vor Urlaubsantritt zu zahlen. Ausgenommen sind zusätzlich für Überstunden geleistete Arbeitsentgelte. Dauerhafte Verdiensterhöhungen im Berechnungszeitraum sind zu berücksichtigen; umgekehrt sind Verdienstkürzungen, etwa infolge von Kurzarbeit oder Krankheit, unberücksichtigt zu lassen.
Der Urlaubsanspruch entsteht nach der Konstruktion des Bundesurlaubsgesetzes stets zu Beginn eines jeden Jahres in voller Höhe. Eine Wartezeit für den Erwerb des vollen Urlaubsanspruchs gibt es nur bei Beginn des Arbeitsverhältnisses, Paragraf 4 BUrlG. Daraus hat sich der Mythos entwickelt, man dürfe in den ersten sechs Monaten gar keinen Urlaub gewähren oder nehmen. Ganz so ist es nicht. Auch in der ersten Zeit entsteht zumindest schon anteilig Urlaub, Paragraf 5 BUrlG. Es kann auch durchaus sinnvoll sein, zumindest einen anteiligen Urlaub schon innerhalb der ersten 6 Monate zu gewähren, um zu verhindern, dass sich zu viel Urlaub für später ansammelt. Viele neue Arbeitgeber wissen auch nicht, dass sie sich eine Urlaubsbescheinigung aus dem alten Arbeitsverhältnis vorzeigen lassen können, um so die Inanspruchnahme von Doppelansprüchen zu vermeiden, Paragraf 6 BUrlG.
Urlaubszeitpunkt
Im Grundsatz wird der Urlaubszeitpunkt vom Arbeitgeber festgelegt. Die Arbeitnehmerinteressen sind allerdings zu berücksichtigen. Es ist ratsam, gleich zu Beginn des Jahres einen Urlaubsplan zu erstellen. Die Arbeitnehmer sollen ihre Urlaubswünsche mitteilen. Bei Überschneidungen sollten auch soziale Gesichtspunkte der Mitarbeiter berücksichtigt werden, wie beispielsweise bei Arbeitnehmern mit schulpflichtigen Kindern, die an die Schulferien gebunden sind.
Bis wann muss man Resturlaub nehmen?
Weiterhin ist der Urlaub auch im laufenden Kalenderjahr vollständig zu gewähren und zu nehmen (Paragraf 7 Absatz 3 BUrlG). Nach der Intention des Gesetzes kommt eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur in Betracht, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Der Urlaub muss dann bis spätestens 31. März des Folgejahrs genommen werden. Etwas anderes gilt nach aktueller Rechtsprechung nur dann, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub nicht nehmen konnte. Der nicht genommene Urlaub verfällt dann erst 15 Monate später.
Zudem müssen Arbeitgeber nach neuerer Rechtsprechung auch dafür sorgen, dass Mitarbeiter ihren Urlaub wirklich nehmen. Das bedeutet, sie müssen ihre Mitarbeiter sowohl auf noch offene Urlaubsansprüche des laufenden Jahres hinweisen und darüber aufklären, wann der Urlaub verfällt, wenn er nicht genommen wird. Erfüllen sie ihre Mitwirkungsobliegenheit nicht, tritt der nicht genommene Urlaub zum Urlaub des Folgejahrs kumulativ hinzu.
Urlaubsanspruch beim Wechsel von Voll- in Teilzeit
Wechselt der Arbeitnehmer von einer Vollzeitstelle auf eine Teilzeitstelle, kommt es für den Urlaubsanspruch darauf an, ob die Anzahl der Arbeitstage gleich bleibt oder nicht. Hatte ein Arbeitnehmer beispielsweise bei einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage und ändert er nur die Anzahl der Arbeitsstunden pro Tag, ohne die Arbeitstage selbst zu verringern, hat die Änderung keinen Einfluss auf die Urlaubstage. Erfolgt der Wechsel allerdings dergestalt, dass nun anstatt der bisherigen 5-Tage-Woche eine 3-Tage-Woche vereinbart wird, ändern sich auch die Urlaubstage im Verhältnis zu der zuvor vereinbarten 5-Tage-Woche.
Krankheit, Sonderurlaub, Elternzeit
Weitere Besonderheiten ergeben sich im Falle von Krankheit, Elternzeit und Sonderurlaub. Erkrankt ein Arbeitnehmer während des vom Arbeitgeber gewährten Urlaubs und weist er die Krankheit durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ordnungsgemäß nach, so wird der Jahresurlaub durch die Krankheit unterbrochen und die Krankheitstage werden nicht auf den Jahresurlaub angerechnet, Paragraf 9 BUrlG. Arbeitnehmer können ihren Urlaub allerdings nicht einfach eigenmächtig um die Tage der Erkrankung verlängern. Vielmehr sind die Urlaubstage, die wegen Krankheit nicht genutzt werden konnten, von dem Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt zu gewähren.
Im Falle von Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis, und der Gesetzgeber hat in Paragraf 17 Absatz 1 BEEG ein Kürzungsrecht für die Arbeitgeberseite vorgesehen. Hiervon muss der Arbeitgeber aber aktiv Gebrauch machen. Im Falle des Sonderurlaubs ruht das Arbeitsverhältnis ebenfalls, und nach höchstrichterlicher Rechtsprechung entsteht in der Zeit kein Urlaubsanspruch.
Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Der Urlaub soll grundsätzlich in Natur gewährt werden und nicht durch eine Geldzahlung abgegolten werden. Lediglich bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt es vor, dass der Resturlaub nicht mehr tatsächlich angetreten werden kann und daher finanziell abzugelten ist, das bedeutet, er muss ausbezahlt werden (Paragraf 7 Absatz 4 BUrlG).
Praxistipp
Das Urlaubsrecht ist sehr facettenreich und wird mittlerweile auch maßgeblich vom europäischen Recht bestimmt. Bereits bei der Gestaltung der Arbeitsverträge sollte man daher Mühe walten lassen und gewisse Szenarien unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung mit in den Blick nehmen. Arbeitgeber sollten in jedem Fall darauf hinwirken, dass ihre Mitarbeiter auch wirklich ihren Urlaub im Laufe eines Jahres in Anspruch nehmen, um eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen zu vermeiden.
Der nächste Fachartikel von Jennifer Jessie zum Thema Veröffentlichung von Mitarbeiterfotos erscheint am 8. Juni - hier auf dzw.de. Keinen Beitrag mehr verpassen? Jetzt für unseren Newsletter anmelden.