Einen Platz im Pflegeheim der Wahl zu bekommen, ist alles andere als selbstverständlich. Laut einer aktuellen Umfrage der Evangelischen Bank zur Situation der Pflegewirtschaft in Deutschland konnten 71 Prozent der befragten Pflegeheime in den vergangenen drei Monaten mindestens eine Anfrage nach einem vollstationären Heimplatz nicht bedienen, 68 Prozent mussten Anfragen zur Kurzzeitpflege ablehnen. „Pflegeheime, die ein gutes Image in ihrer Region haben, sind begehrt und haben häufig Wartelisten“, weiß Christian Ferchland, Vorstandsmitglied der Evangelischen Bank. Außer der Vollbelegung gibt es jedoch einen weiteren Grund dafür, dass Pflegebedürftige nicht aufgenommen werden konnten. So mussten sich im vergangenen Vierteljahr laut der Studie 21 Prozent der befragten Einrichtungen einen temporären Belegungsstopp verordnen, weil ihnen das nötige Personal fehlte.
An der Studie haben rund 300 Geschäftsführer und Verwaltungsleiter von Betreibern und Trägern von Pflegeeinrichtungen teilgenommen. Die Zusammensetzung der Befragten spiegelt einen insgesamt kleinteiligen Markt wider: Bei einem Großteil der befragten Unternehmen (56 Prozent) handelt es sich um eher kleine Pflegeeinrichtungen mit bis zu drei Pflegeheimen. Betreiber von mehr als vier Heimen sind je zu einem Fünftel vertreten. Die meisten der befragten Pflegeunternehmen verfolgen einen freigemeinnützigen Zweck. Bei 37 Prozent handelt es sich um private Träger. Die befragten Heimbetreiber stehen für eine Mindestanzahl von rund 1.275 Pflegeheimen.
Überdurchschnittliche Gehälter sind trotz Personalnot nicht drin
Zur wirtschaftlichen Situation der befragten Pflegeheime zeigt die Studie: Mit einer Belegungsquote von mehr als 90 Prozent sind die meisten Einrichtungen sehr gut ausgelastet. Mit dieser Quote erreichen sie allerdings gerade den Break Even Point, der bei einer durchschnittlichen Auslastung von 94 Prozent liegt. Das bedeutet: Die Heime stehen unter starkem Kostendruck, haben nur wenig finanziellen Spielraum. Ferchland folgert daraus: „Dem Fachkräftemangel können die Einrichtungen nur sehr bedingt mit höheren Gehältern entgegenwirken. Hier sind politische Entscheidungen gefragt.“ Laut Umfrage ist eine überdurchschnittliche Bezahlung eine vergleichsweise selten genannte Option, um Mitarbeiter zu gewinnen oder zu halten. Dagegen werben fast alle Pflegeeinrichtungen mit einer wertschätzenden Unternehmenskultur, der Möglichkeit zum eigenständigen Arbeiten sowie zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung.
In sechs von zehn Pflegeeinrichtungen gibt es derzeit durchschnittlich knapp sechs offene Stellen für Pflegefachkräfte. Insbesondere große Pflegeeinrichtungen mit mehr als zehn Heimen sowie freigemeinnützige und private Träger sind auf der Suche nach qualifiziertem Personal. Christian Schwarzrock, Abteilungsleiter des Finanzmanagements bei der Evangelischen Bank, erklärt: „In kleineren Pflegeheimen fühlen sich die oft langjährigen Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber stärker verbunden als in größeren und womöglich anonymeren Einrichtungen. “Auch die geringere Zahl an offenen Stellen bei den konfessionellen Trägern weise auf eine hohe emotionale Bindung der Mitarbeiter hin.“
Personalengpässe: Ausländische Pflegefachkräfte gehören zum Mitarbeiterstamm
Bei Personalengpässen greifen knapp 40 Prozent der Betreiber – und dann zumeist in Einzelfällen – auf Leiharbeiter zurück. Ausländische Pflegefachkräfte hingegen gehören in mehr als 70 Prozent der Pflegeheime zum Mitarbeiterstamm. Sie kommen vorwiegend aus Osteuropa (83 Prozent) oder dem Balkan, der Türkei, Rumänien oder Griechenland (53 Prozent) und werden vor allem von großen Pflegeeinrichtungen und Betreibern mit akuten Personalengpässen eingestellt.
Schwierigkeiten bereitet jedoch die Anerkennung der Qualifikation ausländischer Fachkräfte. Als größte Hürde nennen die Befragten die Dauer bis zur Anerkennung der Qualifikation (65 Prozent). Darüber hinaus hat mehr als die Hälfte der Pflegeheimbetreiber Probleme mit den Sprachnachweisen oder der grundsätzlichen Anerkennung der Ausbildung ausländischer Pflegefachkräfte. Scheitert ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis mit ausländischen Fachkräften, liegt das zumeist an Sprachbarrieren (48 Prozent). 36 Prozent der Befragten nennen zudem die mangelnde soziale Einbindung der Mitarbeiter außerhalb der Arbeit. Vorurteile der Kollegen spielen dagegen kaum eine Rolle (sechs Prozent).
Vermittlung von Heimplätzen: Digitalplattformen gewinnen an Bedeutung
Neue Bewohner kommen bei nahezu allen Pflegeheimen am häufigsten über persönliche Empfehlungen oder über das Krankenhaus. „Das Image einer Pflegeeinrichtung ist immens wichtig. Dieses zu pflegen, ist eine originäre Aufgabe der Heimleitung“, erklärt Schwarzrock. Internetplattformen spielen derzeit als Kommunikationskanal eher bei privaten Trägern eine Rolle. 33 Prozent sind überzeugt, dass Internetplattformen eine Randerscheinung bleiben werden. „Hierbei handelt es sich mit Sicherheit um eine Fehleinschätzung“, so Schwarzrock. Entstehen würden bereits in naher Zukunft Plattformen, die eine aussagekräftige Bewertung der Pflegeheime erlauben und Möglichkeiten zum persönlichen Kontakt bieten. Diese Entwicklung sollten die Heime auf keinen Fall verschlafen.