Fakten sind ein hohes Gut, geht es um politische Entscheidungen. Derzeit grassiert zwar ein Politikertypus, der ganz anders agiert, oft durch interessante Frisuren auffällt und sich die Welt, ganz wie sie ihm beliebt, macht. Ein bisschen Pipi Langstrumpf – nur halt nicht in nett.
Nun ist die KZV BW hingegangen und hat ganz solide Fakten über angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte gesammelt. Warum sind Zahnärzte angestellt tätig? Sind sie damit zufrieden? Wollen sie sich später selbstständig niederlassen? Welche Hindernisse sehen sie? Können sie sich ein standespolitisches Engagement vorstellen? Die 400 befragten angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte repräsentieren in Alter und Geschlecht die reale Verteilung im KZV-Gebiet. Schließlich wollen auch standes- und berufspolitische Entscheidungen auf Fakten basiert sein. Die bis zur Unhörbarkeit wiederholten Sätze einer weiblichen Zahnmedizin mit Work-Life-Balancern gilt es einmal zu hinterfragen.
Schauen wir uns die Ergebnisse der Befragung genauer an, entdecken wir Vermutetes bestätigt und lassen uns überraschen von Unvermutetem. Die überwiegende Mehrheit der angestellten Zahnärzte arbeitet in Praxisformen, die im Rahmen des im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte abgedeckten Bereichs von bis zu vier angestellten Zahnärzten liegen. Das überrascht erst einmal weniger bei 5.185 Zahnarztpraxen und 133 ZMVZ im Ländle. Angestellte Zahnärzte arbeiten im Schnitt 29 Stunden in der Woche, das ist deutlich weniger als ein niedergelassener Selbstständiger, der auf fast 45 Wochenstunden kommt. Auch wird deutlich, dass vor allem Frauen mit Partner und Kindern tiefer in die Teilzeit gehen als ihre männlichen Kollegen oder ihre ledigen, kinderlosen Kolleginnen. Das Familienthema wird also weiterhin primär von Frauenschultern gestemmt oder, weniger freundlich: auf ihren Rücken ausgetragen. So arbeiten die Kinderlosen zu 69 Prozent 30 Stunden und mehr im Vergleich zu 46 Prozent aller Zahnärzte mit Kindern unter 14 Jahren.
Sehr aufschlussreich ist auch die Frage nach dem Grund für die Entscheidung, angestellt tätig zu sein. Mit Abstand häufigste Nennung war „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ mit 62 Prozent – Mehrfachnennungen waren erlaubt. In der Gruppe der 35- bis 44-Jährigen waren es sogar 79 Prozent, bei Angestellten mit Kindern unter 14 Jahren 85 Prozent und – Asche aufs männliche Haupt – bei den männlichen Zahnärzten lediglich 30 Prozent. Von Wandel in den Köpfen ist hier reichlich wenig zu spüren. Das bewertet Dr. Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der KZV BW, anders: „30 Prozent finde ich gar nicht so schlecht, und ich bin mir sicher, dass dieser geschlechterspezifische Unterschied vor 20 Jahren noch um ein Vielfaches größer gewesen ist.“
Das Arbeiten als Angestellter wurde in allen angefragten Aspekten sehr positiv bewertet, das reicht vom Gehalt über Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Arbeitszeitgestaltung bis zur Arbeit im Team. Es lebt sich, scheint es, recht gut als angestellter Zahnarzt. Da überrascht es fast, dass 54 Prozent der Angestellten eine spätere Niederlassung in Selbstständigkeit planen – darunter auch überproportional viele, die Kinder unter 14 Jahren haben. Die Selbstständigkeit und Freiberuflichkeit sind also keineswegs ein Auslaufmodell. Auch die Niederlassung auf dem Lande ist im Ländle attraktiv. 44 Prozent der Befragten geben an, dass „nichts“ gegen eine Niederlassung in ländlichen Gegenden spricht. Maier: „Das Ergebnis hat mich in dieser Deutlichkeit überrascht, freut mich aber umso mehr. Denn der ländliche Raum ist anscheinend doch nicht so unattraktiv für Zahnärztinnen und Zahnärzte, die sich niederlassen wollen. Allerdings wird die Niederlassung auf dem Land nur dann kein Auslaufmodell sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Wenn Kindergartenplätze und Schulen fehlen, der oder die Partner/in keine beruflichen Perspektiven hat, die Verkehrsanbindung ungünstig ist und dann auch noch die kulturellen Angebote und Freizeitmöglichkeiten fehlen, dann sind das Faktoren, die nicht spezifisch Zahnärztinnen und Zahnärzte, sondern die Attraktivität des ländlichen Raums generell betreffen und somit auch gesamtgesellschaftlich angegangen werden müssen.“
Die Einzelpraxis verliert deutlich an Bedeutung. BAGs werden von zwei Dritteln der Befragten bevorzugt. Finanzielles Risiko und der Bürokratieaufwand sind die beiden zentralen Hürden, die einer Niederlassung als Selbstständiger im Wege stehen. „Insbesondere was den Bürokratieaufwand anbelangt, besteht dringend Handlungsbedarf aufseiten der Politik“, wünscht sich Maier. Ein frommer Wunsch. Ist er jemals in Erfüllung gegangen?
Auch die Mär der unpolitischen Jüngeren kann die Befragung der KZV BW widerlegen. Selbst unter den angestellten Zahnärzten ist fast die Hälfte bereit, sich berufspolitisch zu engagieren – auch bei denjenigen mit Kindern unter 14 Jahren liegt die Bereitschaft bei 45 Prozent. Maier: „Das ist ein super Ergebnis und zeigt eindeutig, dass gefühlte Wahrnehmung und Realität anscheinend nicht immer übereinstimmen.“
Vielleicht mag es ja auch daran liegen, dass der KZV BW eine Frau im Vorstand vorsteht, dass die gefühlte Realität hinterfragt wird und nicht rhetorisch verkleistert an Stelle der faktenbasierten rückt.