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Frauen lösen Männerproblem

KZBV entdeckt die Frauenfrage und gründet eine Arbeitsgruppe zur Frauenförderung, die nur mit Frauen besetzt ist.

KZBV entdeckt die Frauenfrage und gründet eine Arbeitsgruppe zur Frauenförderung, die nur mit Frauen besetzt ist.

Da war sie wieder. Die Vertreterversammlung der KZBV tagte am 25. und 26. Juni in Köln. Im standespolitischen Mittelpunkt stand die Rede des KZBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Eßer. Er beklagt zu Beginn das hohe Tempo der eingebrachten Gesetze, die auch stets Auswirkungen auf die Zahnärzteschaft hätten. Mit schöner Gesetzmäßigkeit müsse die KZBV entsprechend Änderungsbedarf reklamieren.

Ein treffendes Intro, das leider sogleich mit dem bekannten Lamento über Investoren-ZMVZ übertüncht wird. Das Ziel, so Eßer, die Fremdinvestoren mit dem TSVG ganz auszuschließen, sei zwar nicht gelungen, doch habe die Politik reagiert und diesen Beschränkungen auferlegt – als Schutz vor Kommerzialisierung und Industrialisierung. Kein Wort darüber, dass mit der jetzigen Regelung niemandem gedient ist, sie sogar die Investoren zusätzlich in die Städte treibt statt aufs Land.

Dann wird die Investor-ZMVZ-Bedrohung in Zahlen gegossen: 79 Prozent Anstieg. Das reinste Horrorszenario. In absoluten Zahlen sind es 132, klingt also eher nach einem Scheinriesen. Martin Hendges, KZBV-Vorstandsvize, wird später aufzeigen, dass die Abrechnungszahlen bislang dafür sprechen, dass besonders in investorbetriebenen ZMVZ überdurchschnittlich hohe Fallkosten entstehen. Wenn sich das bestätigt, hätten die KZVen die schärfste Waffe in der eigenen Hand. Ganz ohne Lamento und Energieverlust. Kontrollieren und sanktionieren. Ganz einfach.
Das jetzt mit viel Tamtam politisch Erreichte wird auch von Eßer in seiner Wirksamkeit kritisch betrachtet.

Dann folgt der flammende Teil von Eßers Rede – gewohnt rhetorikgewandt: „Die KZBV ist extrem daran interessiert, die Repräsentanz von Frauen in ihren Führungspositionen zu erhöhen.“ Bislang hatte es niemanden der Anwesenden gestört, dass nur vier Frauen in der Vertreterversammlung der KZBV sitzen. Bei 60 Delegierten sind das gerade mal 6,7 Prozent. Was war passiert?

Eßer war in seiner Funktion als KZBV-Vorstandsvorsitzender zu einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestags geladen, die sich mit der mangelnden Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen im Gesundheitswesen beschäftigte. Hier wurde auch offen mit der Einführung einer Frauenquote gedroht. Es ist in den Gremien der Zahnärzteschaft kaum zu übersehen, dass hier Jüngere und Frauen Seltenheitswert haben, dabei sind mittlerweile 66,2 Prozent aller Studenten weiblich. Dass Frauen nicht an Standespolitik interessiert seien, widerlegt großartig eine repräsentative Umfrage der KZV BW. Demnach ist die Hälfte aller Frauen bereit, sich zu engagieren. Eßer hat die politischen Zeichen instinktsicher gedeutet und das Thema zur Chefsache gemacht. Um eine mögliche Frauenquote zu verhindern, setzt Eßer nun auf eine Selbstverpflichtung der Selbstverwaltung. Es soll der standespolitische Nachwuchs, vor allem auch der Frauen, gefördert werden. Dazu werden ganz konkrete Maßnahmen benötigt, so Eßer, da sei es ein Trugschluss anzunehmen, das Problem löse sich von allein, weil die Zahnmedizin weiblicher werde. Gut gebrüllt, Löwe.

„Jetzt habe wir [KZBV-Vorstand] gesagt, wir wollen nicht den typischen Fehler machen, dass Alte über die Bedarfe von Jungen und Männer über die Förderung von Frauen diskutieren, sondern wir haben beschlossen, was wir in solchen Fällen immer gerne tun, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die genau das für uns beantworten soll und konkrete Vorschläge unterbreiten. Diese Arbeitsgruppe wird nur und ausschließlich von Frauen gebildet.“ Da stockt einem der Atem. Waren bei der jüngsten Bundesversammlung der BZÄK Ende 2018 noch die zartesten Pflänzchen unter den Anträgen zur Förderung von Nachwuchs und Frauen mit Wucht zertreten worden, spaziert Eßer mit dem Thema leicht und kokett durch die Vertreterversammlung und soll für den Antrag „Mehr Frauen in die Selbstverwaltung“ eine einstimmige Zustimmung erhalten. Eßers Botschaft, „Bitte nehmen Sie meinen Appell nicht auf die leichte Schulter und belächeln ihn“, scheint Wirkung gezeigt zu haben. „Gucken wir in unsere Runde selbstkritisch. Da sehen wir das Problem. Wir kommen in eine zunehmende Diskrepanz, wenn alte Männer über die Rahmenbedingungen der Berufsausübung junger Menschen diskutieren“, so Eßer weiter.

Wer von den Herren nun aber konkret seinen Platz für Jüngere, für Frauen räumen wird? Werden Appelle reichen, auch wenn es um interessant honorierte Posten in der Selbstverwaltung geht?

Bei aller Klarheit und Stringenz, die Eßer beeindruckend vorträgt, bleibt der leicht fade Eindruck, dass Themen und Handlungsoptionen erst dann ins Zentrum der Standespolitik rücken, wenn der Druck bis zum Platzen steigt. Aber wer gestalten möchte und nicht nur verwalten, wie Eßer die Rolle der KZBV beschreibt, der muss die Themen der Zeit angehen, bevor er zum Getriebenen wird. Spahns Politik ist handlungsorientiert. Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Da ist eine Strategieanpassung der Standespolitik sicherlich besser als Gejammer. Es braucht in der Selbstverwaltung neben der Feuerwehr auch einen Think Tank.

Mit Verjüngung und mehr Frauen lassen sich vielleicht allzu lieb gewonnene Strukturen aufbrechen, ohne gleich die Institutionen als solche infrage zu stellen. Ein einfaches Weiter so mit Absichtserklärungen werden nicht mehr reichen, will man wirklich gestalten.