Seit 2009 engagiert sich der Zahnarzt Dr. Walter Keller aus München ehrenamtlich in Kambodscha, um gegen die schlechten gesundheitlichen Zustände in dem südostasiatischen Staat anzukämpfen. Dazu reist er regelmäßig selbst ins „Königreich der Wunder“ und extrahiert Zähne oder legt Füllungen, oftmals ohne Strom und fließendes Wasser.
Kambodscha liegt am Golf von Thailand und grenzt im Osten an Vietnam, im Norden an Laos und im Nordwesten an Thailand. Das Königreich ist vor allem durch seine zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden Ruinen bekannt, allen voran die Ruinen von Angkor Wat. International deutlich weniger bekannt ist der verheerende Zustand des Bildungs- und Gesundheitssystems. In den Siebzigern hatte die Guerillabewegung der Roten Khmer die Macht in Kambodscha an sich gerissen und versucht, einen Agrarkommunismus zu etablieren. Durch die systematischen Ermordungen von etwa 1 bis 2 Millionen Menschen, vor allem Intellektuellen, zwischen 1975 und 1978, gab es um 1979 nur noch etwa 50 Ärzte im Land. Obwohl sich das Königreich langsam von der Herrschaft der Roten Khmer erholt, zeigen sich vor allem in den Bereichen Gesundheit und Bildung noch immer Defizite in der Versorgung.
Medizinisch unterversorgt
Diese Defizite bekämpft Keller durch sein Engagement in verschiedenen Vereinen, die die Zugänglichkeit zu Bildung und gesundheitlicher Versorgung verbessern wollen. 2008 entdeckte der Münchner Zahnarzt seine Leidenschaft für das „Königreich der Wunder“, als er das Land zum ersten Mal besuchte. Rechtsanwalt Dr. Siegfried Zinkeisen, ein langjähriger Freund von Keller, hatte in der Region Siem Reap mit dem Verein „Hilfe für Kinder in Kambodscha e.V.“ eine Realschule gebaut, an deren Eröffnungsfeier Keller teilnahm. Der Besuch der Schule ermöglicht Kindern aus ärmeren kambodschanischen Familien einen höheren Bildungsweg. Sie haben Aussicht auf eine bessere Zukunft durch zusätzliche Ausbildungschancen sowie gesundheitliche Versorgung und Aufklärung. An der zugehörigen Nähschule können junge Frauen das Nähhandwerk lernen und so für sich und ihre Familien zusätzliche Einnahmequellen auftun. Keller ist inzwischen stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Hilfe für Kinder in Kambodscha e. V.“ und reist einmal im Jahr nach Siem Reap, um vor Ort zu helfen.
Seit 2009 verbindet Keller seinen jährlichen Besuch auch mit einem ehrenamtlichem Engagement am „Angkor Hospital for Children“ (AHC) in der Stadt Siem Reap. 1996 gründete der japanische Fotograf Kenro Izu den Verein „Friends Without a Border“, der drei Jahre später das Krankenhaus eröffnete, um Kindern und Jugendlichen eine hochwertige und kostenlose medizinische Versorgung zu ermöglichen. Seit Anfang 2013 ist das Krankenhaus eine eigenständige Non-Profit-Organisation und hat seit der Eröffnung mehr als eine Million Kinder behandelt. Das Krankenhaus verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der neben Behandlungen in den verschiedenen Abteilungen auch die gesundheitliche Aufklärung und Prävention fördert. Regelmäßige Outreach-Programme, bei denen Mitarbeiter des Krankenhauses grundlegende Behandlungen in den Dörfern und Waisenhäusern der Region Siem Reap durchführen, ermöglichen die gesundheitliche Aufklärung und Prävention sowie dentale Behandlungen vor Ort.
Diese Outreach-Programme unterstützt Keller in Zusammenarbeit mit dem Verein „Dental Volunteers e.V.“, der in verschiedenen medizinisch unterversorgten Ländern die Zahnmedizin fördert. Mit dem Jeep besucht Dr. Keller die teils abgelegenen Dörfer und untersucht in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Zahnklinik des AHC Kinder, um sie, wenn möglich, vor Ort zu behandeln oder nach Siem Reap ins AHC zu transportieren. Da oft Strom und fließendes Wasser fehlen, gestaltet sich die Arbeit vor Ort jedoch oft schwierig: auf alten Klappstühlen liegend und mit Taschenlampen als Behandlungsleuchten. Häufig lassen sich unter diesen Bedingungen kariöse Zähne nur noch ziehen – Zahnersatz kann nicht angeboten werden. Umso wichtiger sind Aufklärung und Prävention, um die bleibenden Zähne zu erhalten. Mangels Finanzierung konnten die Outreach-Programme in den Jahren 2015 und 2016 leider nicht durchgeführt werden.
Da Keller auch ohne die Outreach-Programme des AHC der ländlichen Bevölkerung in Kambodscha helfen wollte, wandte er sich verstärkt dem Dorfprojekt der „Cambodian Child Aid e.V.“ zu. In enger Zusammenarbeit mit dem kambodschanischen Verein Cambodian Development Organisation for Children (CAMDOC) setzt auch dieser Verein sich durch Bildung und gesundheitliche Aufklärung ein für die Verbesserung der Zukunftschancen von Kindern. Mit einem Dorfprojekt in der 30 Kilometer von Siem Reap entfernten Gemeinde Roeul werden Kinder und deren Familien unterstützt. Dazu wird unter anderem die Infrastruktur durch Elektrizität und durch Brunnenbohrungen verbessert. Auch die wenigen Schulen der Gemeinschaft werden unterstützt – mit Brunnen oder Spenden von Schulmobiliar. Im Herzen der Gemeinde liegt das CAMDOC-Training-Center. Hier werden unter anderem Englisch- und Computerkurse angeboten, um die Ausbildungschancen zu verbessern. Eine Nähschule ermöglicht das Aufbauen einer beruflichen Existenz, dazu vergibt die „Cambodian Child Aid“ Mikrokredite an die Absolventen. Monatlich werden in den einzelnen Dörfern Hygieneschulungen angeboten, um die Verbreitung vermeidbarer Krankheiten einzudämmen. Hier wird auch über Mundhygiene aufgeklärt, und die Schüler erhalten Zahnbürsten und Zahncremes. Seit 2014 werden außerdem mobile dentale Behandlungen durchgeführt – unter tatkräftiger Unterstützung von Keller. In Zusammenarbeit mit dem Health Center in Roeul und lokalen Dentisten soll so langfristig eine zahnmedizinische Grundversorgung in der Gemeinde aufgebaut werden.
Regelmäßige Spenden sichern laufende Projekte
Diese Anstrengungen zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung in Kambodscha wären ohne Spenden nicht möglich. So sieht man, dass das AHC seine Outreach-Programme wegen fehlender Gelder zwei Jahre lang aussetzen musste – ausreichend Zeit für Karies, Kindergebisse zu zerstören. Doch neben Geldspenden sind die Vereine auch auf Sachspenden angewiesen. Der japanische Dentalspezialist GC nimmt hier seine soziale Verantwortung ernst und unterstützt Keller regelmäßig mit großzügigen Spenden von Füllungsmaterialien – oft bleibt nach Kellers Reisen noch Material für die Zahnklinik des AHC übrig, wodurch die Versorgung mit dentalen Werkstoffen für die Behandlung der jungen Patienten in dem Hospital sichergestellt wird.
Florian Bischof, Bad Homburg
Weitere Infos zu den Vereinen finden sich auf den jeweiligen Websites:
Hilfe für Kinder in Kambodscha e.V.