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30. Jahrestagung der DGSM in Wiesbaden

Die Jubiläumstagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. (DGSM) fand ihren Auftakt in einer Pressekonferenz.

Nach der Begrüßung durch DGSM-Vorstandsreferent Dr. Alfred Wiater erinnerte DGSM-Vorsitzender und wissenschaftlicher Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Charité, Prof. Dr. Thomas Penzel, an die erste Tagung der DGSM. Diese fand ebenfalls in Hessen, in Bad Wildungen, statt. Seitdem hat sich einiges getan, statt sieben verfügt Deutschland mittlerweile über 300 Schlaflabore und die inzwischen mehr als 2.000 Mitglieder der Gesellschaft benötigen nun die größeren Räumlichkeiten im RheinMain CongressCenter in Wiesbaden.

Dieses stete Wachstum zeigt neben der Ausweitung der Forschung auch das gesteigerte Interesse der Gesellschaft und der Medien an der interdisziplinären Schlafmedizin. Prof. Penzel sieht jedoch immer noch eine große Diskrepanz zwischen der Bedeutung und dem Wachstum der Schlafforschung sowie der Anzahl der Patienten mit Schlafproblematiken in Hinblick auf die Versorgungsstruktur. Diese Problematik betreffe sowohl die Kapazitäten, die Krankenhäuser als auch die Abrechenbarkeit bei den Krankenkassen.

Olfaktorische Psychotherapie im Schlaf

Prof. Dr. Boris Stuck, Tagungspräsident und Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, erläutert zu Beginn seines kurzen Statements die Einzigartigkeit des Geruchssinnes. Als einzige Sinneswahrnehmung ist er in jeder Schlafphase aktiv, führt dennoch zu keinem Aufwacheffekt. Hier ist zu unterscheiden zwischen der reinen Wahrnehmung eines Duftes oder Geruches und einer etwaigen körperlichen Auswirkung. Führt ein Geruch zu einer Schleimhautreizung, wie dies etwa bei Essig der Fall ist, ist ein Aufwachen durch diese Reizung gegeben. Unaufdringliche Düfte werden hingegen wahrgenommen und verarbeitet, der Patient schläft jedoch weiter. Dieser Ansatz führte zu einer Forschungsreihe mit psychotherapeutischem Ansatz mit sieben solcher Düfte, darunter Rosenholz und Lemongras.

Dipl.-Psych. Markus B. Specht, Tagungspräsident und Leiter des Zentrums für interdisziplinäre Schlafmedizin der DKD HELIOS Klinik Wiesbaden, skizziert die Forschungen an der Verknüpfung von solchen Düften mit Emotionen und Situationen in der Psychotherapie. Während der Körper eines psychisch gesunden Menschen die Schlafphasen nutzt, um Emotionen des Tages zu verarbeiten, ist dies Patienten zum Beispiel mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nicht möglich, es erfolgt oft keine Tiefschlafphase. Der Forschungsansatz der Psychotherapie mit Düften im Schlaf zielt darauf ab, Gerüche während der Psychotherapie einzusetzen und diese somit mit den dort erarbeiteten neuen Veränderungen zu verknüpfen. Eine erneute Wahrnehmung des Geruchs in der Schlafphase soll für eine Repetition und Festigung der Therapieergebnisse führen. Zu beachten ist hier die Dosis und Variation der Düfte, sodass kein Gewöhnungseffekt eintritt.

30. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) e. V.

„Guten Abend, gute Nacht, von Englein bewacht….
Schlaf nun selig und süß, schau im Traum ‘s Paradies.“
aus dem Wiegenlied von Johannes Brahms

Individuelle Therapieansätze für die obstruktive Schlafapnoe

Dora Triché, Mitglied des DGSM-Vorstands und Leiterin des Schlaflabors und der nichtinvasiven Beatmung der Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg, berichtet über neue Forschungsansätze in der medikamentösen Therapie der obstruktiven Schlafapnoe (OSA). Bei der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) kommt es durch die Erschlaffung der oberen Atemwege im Schlaf zu einem verminderten Atemluftstrom mit messbaren Atempausen, die länger als zehn Sekunden andauern. Die erschlafften Muskeln verengen den Atemweg im Rachenbereich oder blockieren ihn sogar ganz, was zu den Atemschwierigkeiten führt. Wird eine Schlafapnoe nicht therapiert, sind zum Beispiel Bluthochdruck und kardiovaskuläre Erkrankungen die etwaige Folge. Schlechter Schlaf kann somit neben einer verminderten Lebensqualität auch zu einer ebensolchen Lebenserwartung führen. Eine Behandlung der Schlafapnoe kann sowohl durch eine Überdrucktherapie mit Sauerstoff (CPAP) als auch mithilfe von Unterkieferprotrusionsschienen (UPS), die das Zurückfallen des Unterkiefers und die folgende Muskelerschlaffung im Schlaf verhindern, sowie durch Operationen erfolgen.

Frühere Ansätze der medikamentösen Therapie waren aufgrund von Dosisschwierigkeiten und erhöhten Risiken von schweren Nebenwirkungen wenig erfolgreich, etwa mit dem atemstimulierenden Asthma-Medikament Theophyllin. Laut Dr. Triché ist der Wunsch bei Patienten nach einer „Pille“ gegen ihre Schlafapnoe jedoch aufgrund der vermeintlichen Einfachheit verhältnismäßig hoch. In zwei Forschungsansätzen werden neue medikamentöse Therapien erforscht. Ein Ansatz, der auf den zwei Substanzen Atomoxetin und Oxybutynin basiert, zielt auf eine vermehrte Muskelaktivität im Rachen. Eine weitere Studie forscht an dem Diuretikum Carboanhydrase-Hemmer Sulthiame, welches die Atemsteuerung beeinflusst.

Als einen Erfolg verbucht Dr. Triché, dass die Behandlung von Patienten mit Schlafapnoe in den letzten Jahren den Fokus auf eine Individualisierung legt. Statt einer CPAP-Therapie für jeden wird nun differenzierter beurteilt.

Bett mit Stehlampe auf Wolken schwebend

Schlafmedizin hautnah: 30. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) e. V.

Post- und Long-Covid: Insomnie und Fatigue

Dr. Anna Heidbreder, Mitglied des DGSM-Vorstands und Oberärztin in der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck, teilt die Corona-Pandemie aus Sicht der Schlafforschung in drei Phasen. Während der ersten Phase, als wenig Menschen an Covid-19 erkrankten, dafür viele Einschränkungen des öffentlichen Lebens erfolgten, zeigte sich dies auch im Schlafverhalten der Bevölkerung. Einerseits führte der Wegfall von sozialen und beruflichen Pflichten vor Ort und dem damit verbundenen größeren Anteil an frei verfügbarer Zeit zu einem besseren Schlaferlebnis und einem, dass sich mehrheitlich nach hinten verlagerte. Die Forschung zeigt hier, dass ein Schlaf ohne das soziale Konzept anders abläuft. Bei Personen mit einem erhöhten Stresslevel durch Arbeiten in Präsenz, psychisch instabilen Patienten und bereits unter Schlaflosigkeit leidenden Patienten mehrte und verstärkte sich jedoch die Insomnie.

Die zweite Phase sieht Dr. Heidbreder als die Forschungsergebnisse der vielen, aktiven Covid-19-Infizierten. Eine aktive Infektion führte gegebenenfalls in der Post-Covid-Auswirkung zu Schlafstörungen und Schlaflosigkeiten, welche durch bekannte Therapien behandelt werden konnten. Hier war der Therapieerfolg unabhängig davon, ob es sich bei der Insomnie um ein Wiederaufflammen einer in der Vergangenheit bestandenen Schlafproblematik handelte, ein völlig neues Auftreten oder ein Auftreten unter bestimmten Risikofaktoren.

In der dritten Phase, Long-Covid, ist laut Dr. Heidbreder noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Erste Ergebnisse lassen darauf schließen, dass es sich bei Long-Covid um eine autoimmunitäre Reaktion handelt. Obgleich Insomnie im Vergleich zum andauernden Erschöpfungszustand, Fatigue, weniger Forschungsbeachtung findet, spielt Schlaf für das Immunsystem eine wichtige Rolle. Ein funktionierendes Immunsystem ist auf guten, tiefen Schlaf angewiesen. Dr. Heidbreder zieht hier das Beispiel heran, dass nach Corona-Schutzimpfungen die Immunreaktion nach einer Nacht mit gutem Schlaf höher waren als solche nach einer schlaflosen Nacht. Gleichsam ist festzuhalten, dass Patienten mit vorher bestehenden Schlafproblemen auch ein erhöhtes Risiko für Long-Covid-Verläufe haben.

Schläfrigkeit führt zu mehr fatalen Unfälle als Alkohol

Dr. Hans-Günter Weeß, Schatzmeister der DGSM und Leiter des Schlafzentrums der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Pfalzklinikum Klingenmünster, geht in seinem Vortrag nicht auf die Ursachen von Insomnie und Schlafproblemen ein, sondern auf mögliche Folgen dieser. Tagessschläfrigkeit zeigt sich in den unterschiedlichsten Ausprägungen, von einer leichten Müdigkeit hin bis zur Narkolepsie. Jedoch führt bereits eine Stunde Schlafmangel zu einem um 30 % erhöhten Unfallrisiko. Jeder vierte Autofahrer und jeder zweite LKW-Fahrer gab in einer Studie an, schon einmal Sekundenschlaf am Steuer erlebt zu haben. Als Ursachen werden Schlafmangel und Schlafstörungen genannt, eindeutig vor anderen Begründungen wie körperlichen Erkrankungen und Medikamenten.

Bei Unfällen mit Todesfolge ist bei jedem vierten Unglück Sekundenschlaf die Ursache, Alkohol bei jedem elften tödlichen Verkehrsunfall. Obgleich Schläfrigkeit am Steuer ebenso ein strafbewehrtes Vergehen ist wie Alkohol am Steuer, wird weniger zur Vermeidung getan. Dies liegt einerseits daran, dass Tagesschläfrigkeit schwieriger zu diagnostizieren ist als eine Alkoholisierung. Ein weiteres, psychologisches Problem sieht Dr. Weeß aber auch in der Glorifizierung von wenig Schlaf: Wer wenig Schlaf – vermeintlich – braucht und sich noch leistungsfähig zeigt, wird als Vorbild angesehen und positiv bewertet. Deutschland sein ein Land des Schlafmangels und auch noch stolz darauf.

Die Nachweisbarkeit von schläfrigkeitsbedingten Unfällen muss weiterhin erforscht werden, bislang orientiert sie sich an Spuren am Unfallort, etwa fehlende Bremsspuren, als auch an klassischer Recherche- und Polizeiarbeit, die erörtert, wie viele Stunden der Unfallverursacher in der Nacht oder den Nächten vorab geschlafen hat.

Es zeigt sich, dass der Schlaf eine große Rolle spielt, sei es psychologisch und physiologisch als auch ursprünglich und ursächlich.