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Die antibakteriellen Eigenschaften von Algenmembranen

Können Algenmembranen in Zukunft unter Umständen eine Alternative zu kommerziellen Kollagenmembranen sein? Könnten diese sogar antibakterielle Wirkung aufweisen und so Zweiteingriffe bei frühzeitiger Membranexposition reduzieren? Diesen Fragen ging Soumaya El Hajjami von der Universität Kiel in der In-vitro-Studie „Antibakterielle Eigenschaften neuartiger Algenmembranen als Alternative zu kommerziellen Kollagenmembranen“ im Rahmen ihrer Promotion nach. Den Studienaufbau und die Ergebnisse stellte El Hajjami auf dem 36. DGI-Kongress im Forum Wissenschaft vor. Ihr Kurzvortrag wurde als einer der drei besten von der DGI ausgezeichnet.

Die Tagungspreiskommission der Deutschen Gesellschaft für Implantologie zeichnete auf dem 36. Kongress der DGI die Autorin und Autoren von drei Kurzvorträgen mit Tagungspreisen aus. Ausgezeichnet wurde der Vortrag von Soumaya El Hajjami von der Klinik für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie des UKSH Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel, die von DGI-Vorstandsmitglied Dr. Dr. Anette Strunz (Berlin) am 26. November 2022 ihre Urkunde überreicht bekommt.

Vor- und Nachteile der Kollagenmembran

Membranen kommen heute im Rahmen der gesteuerten Geweberegeneration zum Einsatz, wobei diverse Materialien zur Verfügung stehen. Laut Todd Scantlebury sollten sie fünf essenzielle Anforderungen für den klinischen Einsatz erfüllen: Barrierefunktion, Platzhalterfunktion, Stabilisierungsfunktion, Matrixfunktion und Biokompatibilität. „In deutschen Praxen sind resorbierbare Kollagenmembran der Goldstandard. Aufgrund der hohen Ähnlichkeit zum humanen Kollagen besteht eine ausgezeichnete Biokompatibilität, und die vergleichsweise einfache klinische Handhabung macht die resorbierbare Kollagenmembran zu einem sehr beliebten Medizinprodukt“, erklärt El Hajjami. Der tierische Ursprung der Membranen könne aber aus weltanschaulichen oder ethischen Gründen zur Ablehnung durch den Patienten führen, ebenso wie das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Denn trotz effizienter Sterilisierung und Deproteinisierung könne das Risiko einer Infektionsübertragung vom Tier auf den Menschen durch Prionen niemals vollständig ausgeschlossen werden, wenngleich es auch sehr gering sei. Bislang weise keine der verfügbaren Membranen antibakterielle Eigenschaften auf.

Das Studiendesign

In der Kieler Studie wurden acht Membranen untersucht und miteinander verglichen. Die Experimentalgruppe setzte sich zusammen aus fünf PLA-Algenmembranen, darunter auch die neuartige Sargassum vulgare (Beerentang) beinhaltende SV-PLA-Membran, zwei kommerziellen Kollagenmembranen (einer porcinen und einer bovinen); als Kontrollgruppe diente ein unbehandeltes Glasplättchen. Die Testung der Biokompatibilität der sieben Membranen und der Glasplatte erfolgte anhand von menschlichen Fibroblasten und der Untersuchung der antibakteriellen Eigenschaften auf die Bakterienart Enterococcus faecalis.
Im 1. Schritt wurden mittels MTT und BrdU die Zelldichte von Fibroblasten auf allen Membranoberflächen ermittelt, indem nach 24 Stunden die Ergebnisse im Fotometer abgelesen wurden. MTT und BrdU sind Standardverfahren, mit denen man die Zellproliferation und die Zellviabilität der Fibroblasten bestimmen kann. „Alle Membranen wiesen eine ähnlich hohe Zelldichte auf, es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen Membranen und Kontrollgruppe festgestellt werden. Da die Zahlen allein aber nichts über die Qualität der Fibroblasten aussagen, haben wir die Fluoreszenzmikroskopie genutzt, denn sie ermöglicht die Beurteilung der Zytotoxität der Algenmembranoberflächen auf die Fibroblasten, in dem vitale und avitale Zellen farblich unterschiedlich dargestellt werden. Dabei konnte keine hohe Ansammlung von abnormen, unphysiologischen Zellformen auf den Membranoberflächen identifiziert werden“, erklärt die Kieler Forscherin. Die Fibroblasten seien sogar auf allen Membranen dazu in der Lage gewesen, dünne Zellausläufer auszubilden, die sie zur Kommunikation untereinander benutzen.
Im 2. Versuchsteil wurden alle Membranen mit Enterococcus faecalis kontaminiert und für fünf Tage bei 37 Grad Celsius inkubiert. Anschließend wurden die koloniebildenden Einheiten unter dem Keimzähler ausgezählt. El Hajjami: „Hierbei zeigte sich, dass im Hinblick auf die antibakteriellen Eigenschaften ein statistisch hoch signifikanter Unterschied zwischen der Sargassum-vulgare PLA-Membran und den Kollagenmembranen vorliegt. Der Blick durch das Rasterelektronenmikroskop bestätigte das quantitative Ergebnis.“ Aufgrund der Matrix und der faserigen Struktur von Kollagenmembranen ergebe sich eine sehr große Oberfläche und eine hohe Anzahl von Nischen, in der das exponentielle Wachstum von Bakterien erfolgen könne. Im Rahmen der In-vitro-Studie konnte gezeigt werden konnte, dass Sargassum vulgare durchaus antibakterielle Eigenschaften aufweisen könnte, die jedoch mit keiner zytotoxischen Wirkung einhergehen. Alle Membranen wiesen eine ähnlich hohe und gute Biokompatibilität auf.

Fazit

In zwei weiteren Studien wurde die Frage nach der Biokompatibilität auch auf Osteoblassten und Osteosarkomazellen erweitert mit dem Ergebnis, dass Sargastum vulgare die Proliferation von Osteoblasten zwar begünstigt, jedoch antiproliferative Effekte auf Osteosarkomazellen hat.
Demzufolge könnten Sargastum-vulgare PLA-Membranen aufgrund ihrer antibakteriellen Eigenschaften und aufgrund der guten Biokompatibilität eine nachhaltige Alternative für den chirurgischen Einsatz darstellen. Wobei noch weitere Untersuchungen notwendig sind, die den Fragen der Oberflächenfunktionalisierung (Hydrophilie und Stabilität), der Verbesserung für die klinische Handhabbarkeit und der In-vivo-Degradationsverhalten nachgehen müssen.
Zum Thema Biokompatibilität von Algenmembranen gibt es bereits eine ältere Publikation von Theresa Kohlhaas et al.:
S. Sayin, T. Kohlhaas, S. Veziroglu, E.Ş. Okudan, M. Naz, S. Schröder, E.I. Saygili, Y. Açil, F. Faupel, J. Wiltfang, O.C. Aktas, A. Gülses, Marine Algae-PLA composites as de novo alternative to porcine derived collagen membranes, Materials Today Chemistry, Volume 17, 2020, 100276; (bit.ly/3xcBtOc)

Im Profil

Soumaya El Hajjami studierte Zahnmedizin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Aktuell promovierte sie gerade an der Klinik für Mund- Kiefer- Gesichtschirurgie am UKSH Kiel bei Herrn PD Dr. Aydin Gülses über das Thema „Antibakterielle Eigenschaften von Algenmembranen“. Ihre Promotion ist Teil eines Projekts, das verschiedene Gesichtspunkte von Algenmembranen untersucht, wie etwa die Oberflächenmodifikation und die Frage der Biokompatibilität auf Osteoblasten und Osteosarkomazellen.

Titelbild: Joseph by stock.adobe.com