Oralmedizin kompakt – Update:
Orale Irrigatoren (Mundduschen) scheinen den Biofilm in Richtung Gesundheit zu beeinflussen
Um Karies und Parodontitis zu vermeiden, muss sich der orale Biofilm in einem gesunden Gleichgewicht (Eubiose) befinden. Klinisch angezeigt ist daher die Prävention oder Therapie pathogener Veränderungen (Dysbiose-Management). Wirksam ist in der Regel ist eine risiko-adaptierte Kombination professioneller („PZR“) und persönlicher Prophylaxemaßnahmen (Mundhygiene). Bei beiden steht – neben der Kontrolle von Risikofaktoren wie ungünstige Ernährung – die Entfernung des Biofilms im Fokus [1].
Kurz und Klar
- Systematische Literaturauswertungen zeigen bisher keinen signifikanten Nutzen von Mundduschen (oralen Irrigatoren).
- Neue Studien zeigen für Irrigatoren reduzierte Entzündungswerte und gesundheits-
- assoziierte Verschiebungen des oralen Mikrobioms.
- Als Wirkmechanismen werden die reduzierte Plaquemenge und Zufuhr von Sauerstoff vermutet.
- Die häusliche kombinierte Anwendung von Licht und Lasertechnik hat nach ersten Studien ähnliche Wirkungen.
- Da sie nur die Bedeckung der Zahnoberfläche messen, könnten Plaqueindizes als Erfolgskriterium irrelevant sein.
- Neben Mundhygiene und professioneller Prophylaxe sind Risikofaktoren wie ungünstige Ernährung und systemische Erkrankungen zu beachten.
Etwa ein Drittel der Zahnoberflächen liegt interdental [2]. Dieser Bereich ist besonders von längerfristiger Plaqueansammlung betroffen, mit entsprechend erhöhtem Risiko für dysbiotische Veränderungen im Biofilm. Zur Reinigung empfohlen werden primär Interdentalraumbürstchen geeigneter Größe und Ausführung [3]. Orale Irrigatoren („Mundduschen“), die zusätzlich am Gingivalrand und zur Reinigung von Restaurationen, Implantatkomponenten oder festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen einsetzbar sind, werden nur eingeschränkt empfohlen [3–5].
Mikrobiom erstmals einbezogen
Ein wichtiger Grund für die zurückhaltende Empfehlung ist, dass die meisten Studien von Herstellern durchgeführt oder initiiert wurden (vgl. Kasten). Das betrifft auch eine in diesem Jahr publizierte Studie, in der ein chinesisches Produkt untersucht wurde (Bixdo) [6]. Laut Autoren berücksichtigt die Untersuchung neben entzündungsbezogenen zum ersten Mal auch mikrobiologische Befunde, die mit aktuellen Methoden (next generation sequencing, 16S rRNA) ermittelt wurden. Je 35 Patienten wurden zufällig der Testgruppe mit Handzahnbürste und Munddusche oder der Kontrolle ohne Munddusche zugeordnet.
Nach zwölf Wochen, also dem empfohlenen Recallabstand bei erhöhtem Parodontitisrisiko, hatten in der Testgruppe die („guten“) aeroben gegenüber den anaeroben signifikant zugenommen. Auch zwei gingivale Blutungsindizes waren in der Testgruppe verbessert, aber nicht in der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse stimmen in Bezug auf Entzündungsparameter mit anderen Studien überein, in denen vergleichbare Produkte für die interdentale und interimplantäre Reinigung verwendet wurden [7–9].
Ein ebenfalls aquadynamisches System arbeitet mit individuell angepassten „Mundstücken“, über die Wasser unter Druck um die Zähne einschließlich der Interdentalräume gespült wird (Proclaim, USA). Auch hier zeigten sich im Vergleich zur Kontrolle signifikant reduzierte Entzündungswerte [10].
Mundduschen: Produkte, Nutzbarkeit
Wegbereiter für orale Irrigatoren, generisch „Mundduschen“, war Waterpik (Abb. 2). Produkte des US-amerikanischen Herstellers sind bereits seit den 1960er-Jahren verfügbar und erhielten 2017 das Gütesiegel der American Dental Association (ADA). Für am Markt erhältliche Geräte werden unterschiedliche aquadynamische Prinzipien genutzt (Abb. 1 und 3). Klinische Studien liegen für Produkte von Waterpik, Philips Oral Healthcare, Proclaim und Bixdo vor.
Problematisch ist, dass alle vom Autor getesteten Geräte für manuell oder mental eingeschränkte Patienten (zum Beispiel nach Schlaganfall) zu kompliziert und deshalb nicht oder nur eingeschränkt verwendbar sind.
Lichtbasierte Verfahren
Mindestens einen Schritt weiter geht eine neu eingeführte Methode, für die sowohl photodynamische, als auch fotothermische Energie eingesetzt wird (Lumoral). Patienten sollen das Verfahren zu Hause anwenden, um bei erhöhtem Parodontitisrisiko die Entzündung zusätzlich zur oralmedizinischen Behandlung besser zu kontrollieren. Eine klinische Studie zeigt nach drei Monaten einen reduzierten Anteil von Sondierungsblutungen und „tiefen“ Taschen (Millimeterzahl nicht definiert) [11]. Gezeigt wurde auch ein reduzierter Anteil von Bakterien, die als parodontale Entzündungsmarker gelten [12].
Wegen offenbar fehlender Datenbasis fragwürdig erscheint die Listung „klinischer Indikationsgebiete“ in einer Anzeige des deutschen Vertriebsunternehmens. Gelistet werden unter anderem „Zahnsteinbildung“, „allgemeine Prävention“ und die Patientengruppe Leistungssportler. Zudem werden ohne Nennung entsprechender Studien Detailempfehlungen für eine „risiko- und evidenzbasierte Behandlungsfrequenz“ gegeben.
Zusammenfassung und Wertung
Orale Irrigatoren scheinen die Plaquemenge wirksam zu reduzieren und könnten das Gleichgewicht im oralen Biofilm in Richtung Gesundheit beeinflussen. Laut unterschiedlicher Studien verringert sich auch die gingivale Entzündung. Dabei könnte die regelmäßige Reduktion der Plaque im kritischen Interdentalraum, aber auch im gingivalen Sulkus eine Rolle spielen.
Die aquadynamische Wirkung mit erhöhter Reichweite im Vergleich zu manuellen Mundhygieneprodukten sollte weiter untersucht werden. Bezüglich der Ätiologie biofilminduzierter Erkrankungen zeichnet sich ab, dass eine vollständige Entfernung des Biofilms und entsprechend minimierte Mundhygieneindizes nicht entscheidend sind. Für weitgehende Plaquefreiheit spricht jedoch der ästhetische Aspekt, der zumindest im sichtbaren Bereich eine zusätzliche mechanische Reinigung erfordert.
Inwieweit sich die gefundenen reduzierten Entzündungswerte auf manifesten parodontalen Knochenabbau auswirken, lässt sich aufgrund vorliegender Daten nicht beurteilen. Um den möglichen Nutzen oraler Irrigatoren oder neuer lichtbasierter Methoden in unterschiedlichen Indikationen zu prüfen, sind zusätzliche unabhängige und längerfristig angelegte kontrollierte Studien notwendig. Weiterhin sollte die Rolle von systemischen (zum Beispiel Diabetes) und Lebensstilfaktoren (zum Beispiel Ernährung, Rauchen) auf dysbiotische Veränderungen und den Anwendungserfolg von Mundduschen ermittelt werden.
Vorliegende Daten deuten aber darauf hin, dass bereits erhältliche „Mundduschen“ – oder noch zu entwickelnde Geräte mit vereinfachter Handhabung – großen präventiven Nutzen bringen könnten. Das gilt einerseits für die primäre persönliche Prophylaxe (zu Hause oder unterwegs), andererseits und im Besonderen auch für die Anwendung durch Angehörige oder Fachkräfte in häuslicher und stationärer Pflege.
Dr. Jan H. Koch, Freising
Hinweis: Beiträge in der Rubrik „Oralmedizin kompakt“ können nicht die klinische Einschätzung der Leser ersetzen. Sie sollen lediglich – auf der Basis aktueller Literatur und/oder von Experten-Empfehlungen – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung unterstützen.
Der Autor erklärt, dass er folgende Interessenkonflikte hat: Beratungstätigkeit und Lieferung von Textbeiträgen unter anderem für die Firmen EMS und Philips. Dieser Beitrag wurde im Auftrag des Zahnärztlichen Fachverlags für die dzw erstellt.
Literatur
[1] Tonetti MS, Chapple ILC, Jepsen S, et al. Primary and secondary prevention of periodontal and perimplant diseases. Journal of Clinical Periodontology. 2015;42:S1–S4.
[2] Schlüter N, Müller M, Ganß C. Mundhygiene – alle wissen Bescheid? Prophylaxe Impuls. 2019;23:174-83.
[3] Sälzer S, Graetz C, Dörfer CE, et al. Contemporary practices for mechanical oral hygiene to prevent periodontal disease. Periodontology 2000. 2020;84(1):35-44.
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[5] Worthington HV, MacDonald L, Poklepovic Pericic T, et al. Home use of interdental cleaning devices, in addition to toothbrushing, for preventing and controlling periodontal diseases and dental caries. Cochrane Database Syst Rev. 2019;4:Cd012018. Epub 2019/04/11.
[6] Xu X, Zhou Y, Liu C, et al. Effects of water flossing on gingival inflammation and supragingival plaque microbiota: a 12-week randomized controlled trial. Clin Oral Investig. 2023;27(8):4567-77. Epub 20230525.
[7] Nammi K, Starke EM, Ou SS, et al. The Effects of Use of a Powered and a Manual Home Oral Hygiene Regimen on Plaque and Gum Health in an Orthodontic Population. J Clin Dent. 2019;30(Spec No A):A1-8. Epub 2019/04/10.
[8] Lyle DM, Qaqish JG, Goyal CR, et al. Efficacy of the Use of a Water Flosser in Addition to an Electric Toothbrush on Clinical Signs of Inflammation: 4-Week Randomized Controlled Trial. Compend Contin Educ Dent. 2020;41(3):170-7. Epub 20200101.
[9] Magnuson B, Harsono M, Stark PC, et al. Comparison of the effect of two interdental cleaning devices around implants on the reduction of bleeding: a 30-day randomized clinical trial. Compend Contin Educ Dent. 2013;34 Spec No 8:2-7. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24568169
[10] Milleman K, et al. Clinical Efficacy of the Oral Health System by Fresh Health Inc. in Adults on Gingivitis and Plaque in a 3-Arm, 30-Day Study as Compared to String Floss and Manual Brushing. Compend Contin Educ Dent. 2023;44(1).
[11] Pakarinen S, Saarela RKT, Valimaa H, et al. Home-Applied Dual-Light Photodynamic Therapy in the Treatment of Stable Chronic Periodontitis (HOPE-CP)-Three-Month Interim Results. Dent J (Basel). 2022;10(11). Epub 20221102.
[12] Nikinmaa S, Moilanen N, Sorsa T, et al. Indocyanine Green-Assisted and LED-Light-Activated Antibacterial Photodynamic Therapy Reduces Dental Plaque. Dent J (Basel). 2021;9(5). Epub 20210503. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/34063662.mdpi-res.com/d_attachment/dentistry/dentistry-09-00052/article_deploy/dentistry-09-00052-v2.pdf?version =1620910483
Dr. Jan H. Koch
Dr. med. dent. Jan H. Koch ist approbierter Zahnarzt mit mehreren Jahren Berufserfahrung in Praxis und Hochschule. Seit dem Jahr 2000 ist er als freier Fachjournalist und Berater tätig. Arbeitsschwerpunkte sind Falldarstellungen, Veranstaltungsberichte und Pressetexte, für Dentalindustrie, Medien und Verbände. Seit 2013 schreibt Dr. Koch als fester freier Mitarbeiter für die dzw und ihre Fachmagazine, unter anderem die Kolumne Oralmedizin kompakt.
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